Kapitel 1

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Als ich um die Ecke in unsere Straße einbiege, sehe ich einen Streifenwagen vor unserem Haus stehen. Ich komme gerade vom Joggenaus dem Stadtwald und genieße die kühle Abendluft, die über meine verschwitze Haut streift. Dafür das wir schon Mitte April haben, ist es heute wirklich sehr frisch. Wenn es hoch kommt, haben wir vielleicht zehn Grad.

Kurz bevor ich Zuhause ankomme werde ich langsamer und gehe die letzten Meter im Schritttempo weiter. Ich biege rechts auf die Auffahrt ab die zum Haus hoch führt und bekomme aus dem Augenwinkel mit, wie sich die Türen des Streifenwagens öffnen und zwei Polizisten aussteigen. Während ich den Haustürschlüssel aus der Tasche meiner schwarzen Laufjacke ziehe, sehe ich das sie mir folgen und nehme die Stöpsel meines MP3 Players aus den Ohren.

„Guten Abend! Sind Sie Frau Heinze?" fragt der älter aussehende der beiden mich, als sie bei mir angekommen sind.

„Lena Heinze, guten Tag! Sie wollen sicher zu meiner Mutter?" sage ich und lächle die beiden ernst dreinschauenden Männer freundlich an. Ich war mir ziemlich sicher das mit Frau Heinze nur meine Mutter gemeint sein konnte. Ich selber fühlte mich, mit meinen gerade einmal zwanzig Jahren, noch viel zu jung um Frau Heinze sein zu können, ich war einfach nur Lena.

„Leider wollen wir tatsächlich zu Ihnen. Ist es vielleicht möglich das wir hineingehen können?" fragt mich wieder der ältere der beiden und ich überlege fieberhaft was die Polizei wohl von mir wollen könnte.

Es war noch nie vorgekommen, das meinetwegen die Polizei zu uns nach Hause gekommen war. Ich hatte weder heimlich geraucht in meiner Jugend, noch geklaut oder mir sonst irgendetwas anderes zu schulden kommen lassen, was einen Anlass dafür hätte geben können.

Vielleicht gab es ja wieder einen Vorfall im Stadtwald und man suchte nach Zeugen? Erst neulich hab ich in der Zeitung gelesen das man dort am helllichten Tag einer älteren Dame die Handtasche geklaut hatte.

„Ja, natürlich." sage ich schließlich und schließe die Haustür auf.

Mit einer Handbewegung bitte ich die Polizisten vor mir einzutreten und schicke sie, geradeaus über den Flur, in den Wohnbereich. Dort stehen sie nun, nehmen ihre Mützen ab und warten mit hängenden Köpfen darauf das ich ihnen folge. Ich schließe die Haustür und gehe auf sie zu.

Mit jedem Schritt in Richtung Wohnzimmer wird mir schwerer ums Herz. Als ich die beiden Männer dort so betroffen stehen sehe, wurde mir plötzlich klar das ihr Besuch nichts mit einer Zeugenaussage oder ähnlichem zu tun hatte. Vielleicht weil es ganz genauso wie in jedem x-beliebigen Film war, oder wegen der Blicke mit denen sie mich ansahen, oder einfach nur die Kombination aus beidem. Noch bevor ich bei ihnen angekommen bin, war ich mir ganz sicher das die beiden Polizisten schlechte Nachrichten für mich haben. Ich gehe an ihnen vorbei und setze mich auf einen der Stühle am Esstisch, da meine Beine drohen unter mir nachzugeben.

„Was ist passiert?" frage ich, noch bevor einer der beiden etwas sagen konnte.

„Ihre Eltern sind, aus bisher ungeklärten Gründen, auf dem Weg ins Theater nach Bad Neuenahr, mit dem Auto von der Straße abgekommen und tödlich verunglückt."

Diesmal war es der jüngere Polizist der zu mir spricht und er sieht mich mitleidsvoll an, während der andere eine Tüte mit den Wertsachen meiner Eltern unter seiner Jacke hervorzieht und sie vor mir auf den Tisch legt.

Ich schließe die Augen und kann nicht glauben was sie mir erzählen. Meine Eltern können nicht tot sein, das ist völlig absurd. In diesem Moment sitzen sie bestimmt schon im Theater und schauen sich das Stück an. Die Vorstellung hat doch längst angefangen. Vielleicht gab es ja eine Verwechslung.....

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