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"Komm doch endlich raus", die traurige Stimme meiner Schwester erschien hinter der Türe. Meine Blicke waren weiterhin auf meine kahle Decke gerichtet, weitere Wochen vergingen so.
"Ich kenn dich so garnicht", fügte sie hinzu. Nun wendete ich meine Blicke zur Türe und atmete tief ein und aus.

"Ich hab Nutella", ihr Stimmlage erhöhte sich. Ein Lächeln flog auf meine Lippen und ich stand langsam auf.
Ich öffnete die Türe und hatte meine fürsorgliche 18- jährige Schwester vor mir.
"Hey", lächelte ich und trat zur Seite womit sie eintreten konnte.
"Du siehst scheisse aus Abi", zog sie ihre Augenbrauen zusammen und ließ das Nutellaglas samt den Löffeln auf mein Glastisch nieder.
"Und hier stinkt es hardcore", hustete sie und lief zu den großen Fenstern welche sie weit öffnete.
"Bist du gekommen um mich weiter runterzuziehen?", erhob ich meine Augenbraue und ließ sie auflachen.
"Sorry", schüttelte sie ihren Kopf und zog mich auf mein Sofa nieder.

Grinsend drückte sie mir ein Löffel in die Hand und öffnete das Nutellaglas.
"Ich weiß genau, wie sehr du es liebst", sie bewegte dabei ihre Augenbraue hinauf und ab.
Sie öffnete es und stellte es in unsere Mitte, worauf wir gemeinsam anfingen die Schokoladencreme auszulöffeln.
"Du hattest recht", raunte meine Stimme durch mein Zimmer. Sie erhob ihren Kopf und hatte nun dieses unschuldige Gesichtsausdruck aufgelegt.

"Hör auf", schüttelte sie ihren Kopf.
"Es tut mir leid Selin", murmelte ich und leckte mein Löffel ab. "Dir muss nichts leid tuen Abi", lächelte sie mich aufmunternd an und strich meine Haare welche platt auf meiner Stirn lagen zur Seite.
"Es ist völlig normal, dass du mir nicht geglaubt hast. Du liebst sie zu sehr dafür", murmelte sie nun auch.
"Ich liebe sie nicht mehr", meine Stimme klang hart. "Okay", sie hielt sich schwer zurück doch nickte nur.
"Heute Abend kommen deine Jungs vorbei", wechselte sie nun das Thema.
"Sie haben dich vermisst", grinste sie nun und stand von meinem Sofa auf. Ich blickte ihr nur hinterher, wie sie aus meinem Zimmer lief und darauf noch die Türe schloss.
Ich lächelte leicht. Sie war ein Engel, solch eine Schwester zu haben war eine Ehre.
Ich erhob mich, ging unter die Dusche, rasierte mein zu lang gewordenen Bart und zog mir etwas bequemes an.
Mit feuchten Haaren begab ich mich nach unten in die Küche, meine Mutter stand vor dem Ofen und blickte lächelnd zum Hähnchen.

"Mis gibi kokuyor (Es riecht wundervoll)", gab ich von mir und ließ sie aufzucken bevor sie sich zu mir wendete.
Sie strahlte auf als sie mich sah, grinste breit und setzte mir ein Kuss auf die Wange.
"Deine Jungs kommen gleich vorbei, ich mach euch was zu essen", gab sie von sich und strich durch mein nasses Haar.
"Föhn dir die Haare Milan, du wirst noch krank", zog sie nun ihre Augenbrauen zusammen. Ich lachte auf und kniff in ihre Wange "Wie schnell du auch schimpfen kannst".
"Ich bin eine Mutter, ich kann schimpfen und lieben", grinste sie und schubste mich aus der Küche. Ich eilte in mein Badezimmer und föhnte schnellster Hand meine Haare bevor die Türe klingelte.

Sie wurde geöffnet, weshalb ich nach unten lief und eine Horde von Jungs vor mir hatte. Ich grinste als ich alle vor mir lachen sah.
"Milan", schrieen sie alle worauf ich mit großen Augen breit grinste.
"Hayvanlar (Tiere)", lachte ich und begrüßte die gerundet 8 Personen und führte sie zum Wohnzimmer.
Wir unterhielten uns lange. Sie lenkten mich in bester weiße von meinen nervigen Gedanken ab und brachten mich zum Lachen.
"Essen ist fertig", unterbrach ich unsere Kommunikation als ich das Zeichen von meiner Mutter wahrnahm.
"Oh, Türkan Teyze döktürmüsdür simdi (Türkan Teyze hat bestimmt das beste Essen gemacht)", grinste Ferhat und ließ mich nicken.
"Meine Mutter macht nur das beste Essen", zwinkerte ich und wir liefen gemeinsam in die Küche.
Alle setzten sich an den großen Tisch und meine Mutter füllte das Essen auf.
"Afiyet olsun (Guten Appetit)", sagte sie zuletzt und ließ uns ein weiteres Mal alleine.

"5 Monate", murmelte ich und strich ein weiteren Tag aus meinem Kalender.
Ich zählte Wort wortwörtlich die Tage um mich von Cagla trennen zu können. Zwar sah ich sie nie, doch diese Bindung zu ihr als Mann und Frau machte mich verrückt. Ich wollte in keiner jeglichen Form mit ihr Kontakt haben.
Sie ekelte mich an. Sie ekelten mich an. Meine Frau und mein bester Freund.
"Yallah Milan, was machst du da?", fragte Ferhat worauf ich mich zu ihm wendete und mein Kopf schüttelte "Nichts".
Ich schnappte mir meine Jacke und lief mit Ferhat aus unserem Haus, in mein Wagen und Vollgas zu unserer Stammbar.
"Calga ist hier", hörte ich Ferhat sagen. Ich stoppte. Meine Blicke gingen durch die Shishabar und trafen auf meine Frau zu. Ich schluckte schwer, automatisch formte sich meine Hand zu einer Faust.
"Wollen wir bleiben?", fragte er und ließ meine Augenbrauen zusammen ziehen.
"Ich bleibe hier nicht", knurrte ich und wendete meine Blicke von ihrer Sicht.
Mit Schwung lief ich aus der Bar und ließ die frische Frühlingsbrise auf mich peitschen.

"Milan", stocksteif blieb ich stehen als ich ihre Stimme hörte. Mit steigendem Puls und kochendem Blut wendete ich mich nach hinten um Cagla ins Gesicht zu sehen, ich erhob meine Augenbraue und blickte sie mit einem gereizten Gesichtsausdruck an.
"Können wir reden?", sie blickte flehend in meine Augen doch ich sah sie nur monoton an.
"Ich wüsste nicht was es zu reden gibt", zischte ich. "Bitte", hauchte sie und kam mir näher.
"Du sinkst immer weiter ein, hör einfach auf", schüttelte ich mein Kopf doch sie kam auf mich zu und nahm meine Hände in ihre. Mit großen Augen blickte ich auf meine Hände, welche anfingen zu kribbeln und in ihr makelloses Gesicht.

"Reden wir", sprach sie entschlossen und zog mich zu ihrem Auto an der Straßenseite. Wiederwillig stieg ich ein und beobachtete sie wie sie ebenfalls ihren Platz am Lenkrad annahm.
"Bitte hör mir zu", murmelte sie und schlug im Takt auf das Lenkrad.
"Es war ein fetaler Fehler Milan. Mir ist klar geworden-.. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich wollte nie das es so weit kommt. Ich möchte dich nicht verlieren Milan", ihre Wörter wiederholten sich in meinem Kopf. Meinte sie das gerade ernst? Wollten mich alle auf dieser Welt auf den Arm nehmen?

"Das wird echt beschissen", fing ich an zu lachen und griff nach der Türklinge.
"Bitte Milan", flehte sie aufgebracht doch ich schüttelte mein Kopf und stieg schnellstens aus ihrem Mini Cooper und eilte auf mein Auto zu.
"Ich liebe dich Milan Acar", sie schrie es mir hinterher. Ein tiefer Atemzug gab mir die Möglichkeit nicht in Ohnmacht zu fallen.
Was ging hier vor sich?
Mein Herz raste viel schnell und ließ mich verzweifelt die Augen schließen. Meine Füße waren wie Beton, welcher hart geworden war und ich diesen nicht mehr bewegen konnte.
"Ich liebe dich doch auch", seufzte ich leise vor mich hin doch setzte mit letzter Mühe meine Füße fort und stieg in mein Wagen.
Ich würde ihr so gerne verzeihen. Sie in meine Arme nehmen. Meine Finger durch ihre Haare gleiten lassen, meine Lippen auf ihre Stirn pressen. Ihr immer wieder die 7 Wörter ans Ohr flüstern.
Verdammt, ich liebe dich so sehr Calga
Wie gerne würde ich dies tuen. Doch die Schmerzen, welche sie mir hinzugefügt hatte hielten mich davon ab. Die Wahrheit hielt mich davon ab. Wie könnte ich ihr jetzt noch einmal vertrauen? Wie sollte ich meiner Frau gegenüber wieder Vertrauen aufbauen können, wenn sie mir schon einmal fremd gegangen war?

Ich schrie auf und schlug aufgebracht gegen mein Lenkrad. Die Schmerzen während des Krieges hatten nicht gereicht, nein. Nun fügten mir die wichtigsten Menschen in meinem Leben schmerzen hinzu. Es bebte. Mein Körper hielt diese Schmerzen nicht mehr aus. So gut ich sie verstecken konnte, sie existierten weiterhin.

Sorry für die Verspätung, hatte in letzter Zeit wenig Motivation. Ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen, freue mich auf Meinungen und Votes!

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