Zwei

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Es hatten sich alle auf ihrem Platz aufgefunden und der Lehrer wollte grade mit dem Unterricht anfangen, als noch eine Person in den Raum geeilt kam. Ich schaute kurz hin um zu sehen wer es war und erblickte die braunen Augen von Bella Swan. Sie ging schnellen Schrittes durch den Raum um sich dem Lehrer vorzustellen, und was dann passierte, war kaum vorstellbar. Sie trat vor den Lüftungsschacht, der genau in meine Richtung blähte und mein innerlicher Schmerz fing an. Es tobte und wütete in mir. Es war kein Schmerz, vonwegen!  Es war reine Folter. Dieser bloße Geruch vom köstlichem, saftigen Blut der soviel stärker war als bei den anderen Menschen auf dieser Schule, trieb mich in den kalten Wahnsinn. Ich kämpfte gegen mich selbst an, ihr nicht ins warme Fleisch direkt unter ihrem Kiefer zu beißen und ihr jeden letzten Tropfen Blut aus dem Körper zu saugen, bis sie leichenblass und leblos war. Ich verkrampfte mich auf das äußerste meiner Kraft als sie sich neben mich setzte um sie nicht riechen oder sehen zu müssen, denn beides hätte mich dazu verleitet, sie zu töten, ohne dass sie überhaupt gemerkt hätte, von wem oder wovon sie getötet wurde. Doch was sollte ich tun? Das Monster was ich so viele Jahre unterdrückt hatte, riss sich aus meiner äußeren Fassade heraus und wollte mich dazu verleiten, den Menschen der neben mir saß in tausend Stücke zu zerreißen und aus jeder einzelnen Fuge ihres Körpers das Leben auszusaugen. Und der Teil von mir, auf den Carlisle so lang acht gegeben hatte, riet mir, das lieber zu lassen, denn ich würde meine gesamte Familie enttarnen und alles zerstören, was sie sich über die vielen Jahre aufgebaut hatten. Sie würden mich hassen. Sie würde mir nie wieder verzeihen können. Und das alles wegen einem unwiderstehlich riechenden Menschen, mit dem ich noch nie ein Wort gewechselt hatte. Und dazu kam noch, dass die ganze Klasse Augenzeugen waren. Das hieß also, dass ich sie alle mit umbringen müsste. Oder eher gesagt ich würde nicht anders können, denn wenn ich schon einmal anfing Menschenblut zu trinken, könnte ich nicht mehr aufhören. Ich würde in einen Rausch kommen, den ich versucht hatte all die Jahre wo ich bei Cullens war zu ignorieren. Ich gebe zu, dass ich den unwiderstehlichen Geschmack davon vermisst hatte, aber ich konnte immer sagen: Ich bin stolz ein Cullen zu sein, der seit 89 Jahren nur Tierblut zu sich genommen hatte. Ich wollte kein anderweitiges Blut trinken. Und hätte man mir vor einer Stunde noch gesagt, dass ich das tun würde, hätte ich ihn lauthals ins Gesicht gelacht und wäre, ohne ihn noch eines weiteren Blickes zu würdigen, an ihm vorbeigegangen.
Ein klingeln riss mich aus meinen Gedanken. Warte. Ein Klingeln? So schnell ich konnte rannte ich fast aus dem Klassenzimmer um von der Folter das dieses Mädchen mir bereitete zu entkommen. Doch würde ich bei dieser Familie weiterleben wollen, müsste ich das ab jetzt jeden Tag aushalten. Jeden verdammten Tag! Wie sollte ich das hinbekommen? Spätestens nach der nächsten Stunde wären alle aus diesem Kurs tot und das war alles nur die Schuld von Bella Swan. Plötzlich durchfuhr mich ein Geistesblitz und ich lief schnurstracks zum Sekretariat. Ich musste mich in einen anderen Kurs Einschreiben. Nur so, und wenn ich ihr auf den Gängen aus dem Weg ging, konnte ich es vielleicht verhindern, fünfundzwanzig Leben auszulöschen. Aber sogar dabei bestand eine Chance, den leblosen Körper von Bella tot auf den Boden aufschlagen zu sehen. Hör auf! Dieser Gedankengang musste ein Ende finden. Zum Glück war die Sekretärin grade frei, damit sie sich direkt mit mir beschäftigen konnte. "Entschuldigen Sie, haben Sie kurz eine Minute für mich?" als sie mein Gesicht erblickte, errötete sie ein wenig und schaute auf ihre Hände. "A-Aber natürlich. Was ist denn los?" Fragte sie in einem etwas zu Flirtendem Ton. "Wäre es möglich, die sechste Stunde Biologie gegen ein anderes Fach einzutauschen? Vielleicht Physik oder Chemie?" Ich tat eine freundliche Miene und meine stimmet änderte sich zu einem verführerischen Ton. Dabei errötete sie noch mehr und ihre Gedanken waren nicht viel anders als wie sie grade aussah: Bleib ruhig, nicht erröten, nur ruhig bleiben. Doch so ganz gelang ihr das nicht. "Nein tut mir wirklich leid, Mister Bruns musste sogar ein paar aus seinem Kurs zu Physik schicken weil alles belegt war. Beide Kurse sind leider voll." Jetzt versuchte ich einen leicht koketten Tonfall und ich bemerkte nicht, wie ein gewisser jemand zur Tür hinein kam. "Gibt es wirklich keinen anderen Kurs? Irgendeinen?" "Ich muss Sie leider enttäuschen. Nein." Und genau in dem Augenblick wo sie das letzte Wort aussprach, schlug die Tür zu und dieser unbeschreiblich lecker riechende Geruch stieg mir in die Nase. Ich verkrampfte mich schlagartig und drehte mich langsam, mit hasserfülltem Blick um. Das konnte nicht sein. Verfolgte sie mich etwa? Wieso war sie hier?
Ohne mich wieder zur irritierten Sekretärin umzudrehen, presste ich aus zusammengedrückten Zähnen ein "Danke trotzdem" heraus und verließ schlagartig das Zimmer. Ich musste einfach nur weg von ihr. Weg von der Schule. Weg von hier. Ich hatte mich entschlossen. Ich würde weggehen und zu den Cullens zurückkehren, wenn sie aus Forks wegzogen. Aber ich konnte nicht mit dieser Qual leben. Zu wissen, dass es irgendwann so weit sein würde, dass ich eine ganze Klasse wegen einer Person umbrachte. So durfte es nicht kommen. Ich würde zu den Denalis, unserem Verbündeten Clan und eine Art Familie, ziehen. Sie würden mich mit Freuden aufnehmen und mich wie ein Teil der Familie behandeln. Inzwischen war ich beim Wagen angekommen und wartete, dass die anderen auftauchten.
"Musst du wirklich?" fragte mich plötzlich eine glockenähnliche Stimme. Alice. Sie musst meine Zukunft gesehen haben. Die, wo ich Bella und den Rest der Klasse umbrachte und die, wo ich zu den Denalis zog. "Würdest du es lieber haben, dass ich fünfundzwanzig Personen umbringe? Außerdem ist es doch nicht für immer!" sagte ich frustriert. "Ist es denn so schlimm?" Ich nickte knapp. "Was ist so schlimm?" fragte eine weitere Stimme. Diesmal war es Emmet. "Ich werde für einige Zeit zu den Denalis ziehen." War meine einzige Erklärung. Emmet fragte nicht warum und Alice erklärte es ihm kurz. Endlich waren auch die anderen angekommen und ich fuhr mit quietschenden Reifen von Parkplatz der Highschool von Forks. Dies würde das letzte mal sein, dass ich diesen Parkplatz sah. Und ich war froh darüber.

Biss Zum Morgengrauen -Edwards Sicht (On Pause)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt