Die Erinnerrung

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Heulend liege ich in Legolas Armen. Zeit heilt alle Wunden, heißt es.
Doch selbst die vielen tausend Jahre die noch vor mir liegen, werden den Schmerz, den ich fühle, nicht lindern können.
„Ich muss dir etwas gestehen.", wispert Legolas, und ich wappne mich innerlich dagegen, dass er mich wohl verlassen wird.
Er streicht mir sanft eine Haarlocke aus dem verweinten Gesicht.
„Etwa ein halbes Jahr vor dem Tod deines Vaters, gab es einen riesigen Streit zwischen ihm und Thranduil, erinnerst du dich noch?"
Ich nicke vorsichtig. Es hätte beinahe einen Krieg zwischen Gondor und der
Düsterwald-Delegation deswegen gegeben. Ich habe meinen Vater noch nie so streiten hören wie an jenem Tag mit Thranduil.
„Der Grund dafür war ich."
Ich bin so verwirrt, dass ich für einen Augenblick vergesse zu weinen.
„Häh?"
Legolas lächelt mich zärtlich an und drückt mir einen Kuss auf die Wange.
„Ich habe deinem Vater erzählt, was ich für dich fühle. Aragorn und Thranduil waren außer sich, Mirabella. Sie haben sich stundenlang angebrüllt, wie so etwas passieren könnte. Wir könnten nicht zusammen sein. Ich hätte dich praktisch aufgezogen. Es wäre unnatürlich, so zu empfinden."
Ich setze mich auf seinen Schoß und sehe ihn erschrocken an. „Was hast du dann gesagt?"
Er zögert kurz, meint aber dann:
„Ich sagte, dass ein Krieg zwischen Gondor und dem Düsterwald nichts an meinen Gefühlen für dich ändern würde. Daraufhin haben sich mein Vater und Aragorn ewig beratschlagt, aber ich durfte nicht dabei sein. Ich weiß bis heute nicht, zu welchem Entschluss die beiden gekommen sind. Aragorn ist gestorben und hat seine Meinung mit ins Grab genommen."
Es zerreißt mir beinahe das Herz.
Legolas ist wie ich hin- und her gerissen zwischen unseren Gefühlen und dem Pflichtbewusstsein, dass er meinem Vater und Thranduil schuldet.
Als ich mich weder einigermaßen gefasst und mir die Tränen von den Wangen gewischt habe, sehe ich Legolas ernst an. „Warum ist es so falsch was wir empfinden?"
Es ist vielleicht nicht gerade alltäglich, dass ein Jahrtausende alter Elb sich in die Tochter von Gondors König und gleichzeitig seines besten Freundes verliebt, aber wir sind nicht verwandt, unsere Länder sind nicht verfeindet und es gibt auch sonst nur sehr vage Gründe, warum wir uns voneinander fern halten sollten.
Legolas schenkt mir einen gebrochenen Blick aus seinen tiefblauen Augen.
„Ich weiß es nicht.
Aber ich wäre auch nicht begeistert, wenn ich eine Tochter hätte und sie sich in Aragorn verliebt hätte. Wir müssen das ganze auch mal aus seiner Perspektive betrachten."
Niedergeschlagen stehe ich auf und tigere umher. Die Sonne steht kurz vor dem Untergang, ihr rotes Licht ergießt sich über die Landschaft und alles wirkt wie mit Blut getränkt. Eine unheilvolle Stimmung.
„Dann wirst du mich also verlassen.", schließe ich. Ich habe nicht einmal mehr Tränen, die ich vergießen könnte.
Legolas antwortet nicht, sondern starrt nur auf die Sonne, die langsam immer tiefer sinkt und schließlich ganz untergegangen ist. Erst, als der Mond schon hoch am Himmel steht, rafft auch er sich auf und stellt sich zu mir.
Von hinten schlingt er seine Arme um meine Hüfte und legt sein Kinn auf meinen Kopf. Es ist dumm von ihm. Er weiß, wie sehr ich das liebe. Und es ist dumm von mir, weil ich es einfach geschehen lasse.
„Ich will dich nicht verlassen.", flüstert er letztlich. „Ich würde es erst tun, wenn du es wolltest."
Ich drehe mich um und schlinge meine Arme um seinen Hals.
„Wie könnte ich das jemals wollen? Legolas, du bist ein Elb. Die Unsterblichkeit wurde dir in die Wiege gelegt. Mir aber auch! Aragorn war einer der Dunedain, und meine Mutter eine Valar.
Wir könnten die Ewigkeit mit einander verbringen.
Du bist der Einzige, mit dem ich das wollte. Sag mir also, wie ich dir jemals sagen könnte, dass du mich verlassen sollst."
Er zieht mich näher an sich und haucht mir einen Schmetterlings-zarten Kuss auf die Lippen.
„Wir können also nicht mit einander und auch nicht ohne einander.
Weißt du...ich will Aragorn nicht in den Rücken fallen.
Würde er noch leben, würde ich ihn anflehen, uns seinen Segen zu geben.
Ich habe irgendwie ein schlechtes Gewissen, Mirabella."
Ich atme tief durch.
„Aragorn kann uns seinen Segen nicht mehr geben, Legolas. Aber dein Vater kann es.
Er hat mit meinem Vater verhandelt.
Er weiß, was mein Vater von der ganzen Sache hielt. Du hast selbst gesagt, du wüsstest nicht, worauf sie sich geeinigt haben.
Wer weiß..."
„Möglicherweise haben sie es akzeptiert.", fällt er mir ins Wort.
„Und wir wissen es nur noch nicht."
Ich grinse ihn breit an und die Tränen von vorhin sind vergessen.
„Ganz genau."
Nun lächelt auch Legolas.
„Das heißt, wir müssten uns nicht gegenseitig das Herz brechen oder uns unser Leben lang mit schlechtem Gewissen verstecken. Wir könnten heiraten und gemeinsam in den Düsterwald ziehen. Warst du jemals dort? Hast du je die wunderschönen Sonnenaufgänge gesehen, die kristallklaren Bäche oder den samtig blauen Nachthimmel, der von Sternen gesäumt wird?"
Ich hätte einen Anspruch auf den Thron Gondors, doch Legolas' Geschwärme über seine Heimat lässt mich weich werden.
So weich, dass ich mir nichts schöneres vorstellen kann, als mit ihm zu gehen.

So das ist das erste Kapitel ich hoffe es gefällt euch.
Eure Dara

Das Glück hängt am Seidenen fadenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt