Tauriels Rat

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Legolas' Sicht:

Bis zum Reich meines Vaters ist es nicht mehr weit, und ich könnte den Palast noch vor Mitternacht erreichen.
Doch ich bin noch nicht bereit dafür, mir all meine Träume zerstören zu lassen.
Als der Abend anbricht, entzünde ich ein Lagerfeuer und schwebe eine halbe Ewigkeit in den süßen Erinnerungen der letzten Nacht.
Jahrelang habe ich von alle dem nur geträumt. Habe mir ausgemalt, wie es wäre, die große Liebe zu finden.
Ich habe es Bella nicht sagen können, aber ich bin fast sicher, dass mein Vater mir nicht den Gefallen tut und uns seinen Segen gibt.
Innerlich konnte ich mich von ihr verabschieden, oder es mir zumindest einbilden. Aber mein Herz zerbricht fast, wenn ich daran denke, wie sie hoffnungsvoll auf ihrem Balkon steht und am Horizont nach einem Reiter sucht, der Gondor niemals mehr betreten kann.
Ich will Mirabella ganz oder gar nicht.
Ich könnte nicht so tun, als sei sie nur eine Freundin für mich. Ich könnte nicht ertragen, mit anzusehen, wie sie sich in einen anderen Mann verliebt, mit dem sie glücklich wird.
Sollte die Diskussion mit Thranduil so enden, wie ich es erwarte, werde ich alles tun, Bella nie wieder zu sehen.
Auf keinen Fall will ich ihr Herz brechen.

„Wer so spät allein in die Sterne sieht, kann nur seine Liebe suchen.", sagt plötzlich eine Stimme hinter mir. Erschrocken zucke ich zusammen. Normalerweise höre ich, wenn jemand auf mich zu kommt.
„Tauriel.", sage ich, und obwohl es sinnlos und krank ist, bin ich enttäuscht, dass nicht Bella dort steht.
Tauriel nimmt neben mir Platz und sieht mich eine Weile lang nur an. Natürlich. Mein letzter Besuch ist bestimmt zwischen zwanzig und dreißig Jahren her.
„Hast du dein Mädchen an den Himmel verloren?", fragt Tauriel sanft und deutet auf die Sterne. So viele Sterne. So viele Tote.
„Nein. Aber ich bin auf dem besten Weg, sie früher oder später an einen Anderen zu verlieren." Ich bin schockiert wie brüchig meine Stimme klingt.
Sie lächelt. „Bevor du sie an einen anderen Mann verlierst, würde ich ihr an deiner Stelle schleunigst meine Liebe gestehen."
Ich schlucke. „Das habe ich längst."
Tauriel legt mir freundschaftlich einen Arm um die Schultern. „Was ist passiert, Legolas?"
Und dann bricht alles aus mir heraus.
„Ich liebe sie, Tauriel, verstehst du? Ich würde für sie sterben, wenn ich müsste, aber ich wäre glücklich, wenn ihre Augen das Letzte wäre, das ich erblicken dürfte. Sie würde mich heiraten, mich nehmen wie ich bin, aber ich weiß, dass es falsch ist! Ich kann nicht mit ihr zusammen sein!"
Ein bisschen verwirrt versucht Tauriel mir zu folgen. „Warum nicht?"
Seufzend vergrabe ich mein Gesicht in den Händen.
„Weil sie Aragorns Tochter ist, die Tochter meines besten Freundes.
Er hätte mich fast umgebracht, als ich ihm meine Gefühle zu Mirabella gestanden habe, und nun ist er tot. Wir können nicht hinter seinem Rücken etwas tun, was er verabscheut hätte."
Tauriel grinst. „Und doch habt ihr es getan."
Sofort schießt mir das Blut in die Wangen, und ich spüre, wie ich erröte.
Zum ersten Mal in meinem Leben. „Was?"
Sie lacht leise auf. „Legolas, Thranduils Sohn, ich kenne dich schon so lange. Ich sehe es dir an. Ihre Küsse müssen wie Honig schmecken, wenn sie dich so um den Verstand bringen.
Aber dass du die Hochzeitsnacht vorverlegst, hätte ich im Traum nicht zu denken gewagt."
„Was? Wie kommst du darauf, dass..."
„Sei still. Ich weiß es."
Mir ist klar dass sie es weiß. „Du brauchst nicht darauf herumzureiten, Tauriel.", warne ich leicht beleidigt.
„Ach komm, sei nicht eingeschnappt. Es ist doch nichts dabei. Aber wenn du willst, dass dein Vater keinen Wind davon bekommt, solltest du dir dieses unheimliche Dauergrinsen aus dem Gesicht wischen."
Müde lasse ich mich auf dem Rücken ins Gras fallen. „Du übertreibst."
„Nein, mein Lieber. Aber wenn du einen weisen, weiblichen Rat hören willst:
Geh jetzt zu deinem Vater und rede mit ihm. Das schafft dir Gewissheit und es spannt deine Freundin nicht unnötig auf die Folter."
„Freundin?"
„Hätte ich Verlobte sagen sollen?"
„Nein. Nein, es hört sich nur so gut an."
„Deine FESTE Freundin."
„Haha."

Das Glück hängt am Seidenen fadenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt