| Wenn Liebe ewig währt...
|Orion
Ich kam mir wie in einem dieser Filmstreifen mit schlechten Soundeffekten und noch schlechteren Animationen vor. Wie war es überhaupt möglich, dass ein bereits seit drei Jahren verstorbener Mensch als Geist wiederkehren kann? Müsste sie nicht durchsichtig sein und ein oder zwei Zentimeter über dem Boden schweben?
So zumindest war meine Vorstellung von einem Geist. Nicht das Geister wirklich existierten, aber wenn sie hier war, dann werden es wohl auch andere von ihrer Sorte geben. Wenn es nach mir ginge, würde ich sie liebend gerne weder hören noch sehen können. Oder noch besser, sie wäre gar nicht erst hier und konnte ihr Unwesen treiben.
Drei Jahre. Drei Jahre waren eine lange Zeit und ich hatte sie beinahe komplett aus meinem Leben und meinem Herzen gestrichen. Aber das Leben ist wie ein Bumerang: Was du ins Leben wirfst, kommt immer zu dir zurück. Manchmal streift es dich nur ganz kurz und manchmal erwischt es dich doppelt so stark. Egal wie man es dreht und wendet Karma wird niemals dein bester Freund.
„Orion reiß dich bitte zusammen, solange wir in der Kirche sind", raunte meine Mutter mir tadelnd zu. Ruhig atmete ich tief durch, um die Fassung zu bewahren. Mir gingen die sonntäglichen Kirchbesuche absolut auf den Zeiger. Etwas Beleidigenderes darf ich hier in diesem heiligen und geweihten Gebäude nicht einmal denken. Denn laut meiner Mutter würde ich somit in Gottes Ungnade fallen und das für immer und ewig, bis ich in der Hölle landete.
Meine Familie ist zwar nicht streng gläubig, aber einmal die Woche konnte man doch mal eine Ausnahme machen. Schwachsinn! Entweder man glaubt an eine Sache oder man lässt vollkommen sein.
„Bevor ihr, liebe Gemeinde, hinaus in die Welt geht und die Welt ihren gewohnten Lauf nimmt, bitte ich euch um eine Sache. Denkt darüber nach, was Liebe für jeden von ihnen bedeutet und wie ihr sie zeigt oder mit ihr umgeht", schloss der Pfarrer den Gottesdienst und die Menschen, die sich in Gottes Obhut begeben hatten, gingen leise murmelnd aus der Kirche.
Draußen musste ich für einen kurzen Moment die Augen zusammenkneifen, da die Sonne mir erbarmungslos in die Augen schien. Als ich mich wieder an das helle Tageslicht gewöhnt hatte, sah ich sie, das Mädchen, welches eigentlich in Gottes Hemisphären schweben sollte. Dort stand sie in denselben Klamotten, die sie an ihrem Todestag trug.
Ihr Blick ging nachdenklich hinauf zur Spitze der Kirche, wo sich das Kreuz befand. Wütend spannte ich meine Kiefermuskeln an, steckte die Hände in die Hosentaschen und suchte meine Mutter in der Menge.
„Orion, wo bleibst du denn?", rief mein Vater, welcher mich zu sich winkte. „Tut mir leid, ich komme etwas später nach Hause", teilte ich ihnen mit und wollte bereits wieder gehen. „Nicht so schnell junger Mann. Seit du vom College nach Hause gekommen bist, hast du kein bisschen Zeit mit deiner Familie verbracht. Deine Semesterferien sind bald wieder vorbei, deshalb solltest du mehr Zeit mit deiner Familie verbringen", hielt meine Mutter mir einen Vortrag. „Sora, lass gut sein. Unser Sohn ist erwachsen, er weiß selbst, was das Beste für ihn ist", mischte sich mein Vater in einem ruhigen Tonfall ein. Dankbar nickte ihm zu, küsste meine Mutter auf die Wange und drehte mich eilig um, bevor mein Vater es sich doch noch anders überlegte.
Als ich an dem Mädchen vorbei ging, blieb ich einen Moment stehen und tat so, als würde ich mir den Schuh neu binden. „Komm zu deinem Grab, wir müssen uns unterhalten", flüsterte ich ihr zu, dann stand ich wieder auf und machte mich auf den Weg zum Friedhof.
„Also, was willst du von mir?", knurrte sie mich an und verschränkt die Arme vor der Brust. Mein Herz krampfte sich schmerzhaft in meinem Brustkorb zusammen und ich ballte meine rechte Hand zur Faust. „Es tut mir leid"
„Was tut dir leid?", hakte sie genauer nach und bedachte mich mit einem wütenden Blick. „Das ich...", weiter kam ich nicht, denn sie unterbrach mich rüde. „Das du bist, wie du bist, schon klar. Ist mir egal, wer du bist oder in welcher Beziehung wir zueinander standen. Es ist alles egal, ich bin tot und bin in dieser Welt gefangen, von der ich nicht wieder loskomme", brüllte sie mir mit Tränen in den Augen entgegen.
„Vergiss es einfach, war eine blöde Idee hierher zu kommen", gab ich gleichgültig von mir und wendete mich von ihr ab. „Warte!", rief sie mir hinterher. „Wieso sollte ich? Für mich bist du seit drei Jahren tot, ich bin es leid zu warten!"
„Du musst mir helfen!", wagte sie einen neuen Versuch mich aufzuhalten. „Wobei helfen?", fragte ich, als ich stehen blieb und mich ihr wieder zuwendete. „Ich... Ich... Keine Ahnung", hauchte sie niedergeschlagen und ließ die Schultern hängen. „Vor einigen Tagen dachte ich, ich müsse meinem Bruder die Vergebung geben, dir er braucht. Aber wie sich herausgestellt hat, war es das nicht, was mich hier festhält. Doch ich... weiß einfach nicht weiter!"
„Und was soll ich tun?" „Du bist der Einzige, der mich sehen und hören kann, du kannst mir helfen!", gab sie mit fester dennoch verzweifelter Stimme von sich. Zynisch schnaubte ich und legte den Kopf in den Nacken. Es begann zu regnen, denn einige Tropfen fielen mir ins Gesicht.
„Na schön, ich helfe dir, aber danach lässt du mich in Ruhe!", stimmte ich knurrend zu und sah zu ihr. Sie strahlte mich glücklich an und hatte ihr typisches Lächeln aufgesetzt. Sie brachte mich noch immer um den Verstand. Sie konnte mein Herz immer noch so sehr zum Schlagen bringen. Aber sie war tot, sie war nicht mehr und würde auch nie wieder sein. Ich musste sie loslassen, alles von und mit ihr vergessen, tief in meinem Inneren für immer verbergen. Aber das war nicht so einfach, wie man es sich immer ausmalte und noch schwerer wurde es, als sie auftauchte. Nach drei verdammten Jahren, des Seelenheils. Alles für die Katz.
Obwohl sie nicht mehr war und obwohl unsere Beziehung mit einer Wette begonnen hatte, liebte ich sie noch immer. Bei ihrem Tod hatte sie mein Herz bei sich und hatte es mit ins Grab genommen. Und noch immer hatte sie es bei sich, denn ich gab ihr mein Wort, sie für immer zu lieben.
Wenn Liebe für immer währt...
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Ghost - Mein neues Leben #IceSplinters18
Teen FictionEs gibt viele verschiedene Bedeutungen für den Tod und doch haben sie eines gemeinsam, die Endgültigkeit. Aber ist der Tod wirklich das Ende des Lebens oder gibt es ein Leben nach dem Tod? Bis vor ihrem Tod hat Larissa nicht an ein Leben nach dem To...