| Kapitel 12

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| Wunder

|Linus

Gedankenverloren saß ich in der Stadtbibliothek und starrte seit einigen Stunden auf den blinkenden Cursor in der Suchleiste von ‚Google Search'. Eigentlich war ich hierhergekommen, um nach Antworten auf meine Fragen zu suchen, die seit Orions Besuch aufgekommen waren. Aber alles was ich tat, war hier auf dem Stuhl vor dem Computer zu sitzen und auf den Bildschirm zu starren, ohne etwas getan zu haben.

Frustriert fuhr ich mir mit beiden Händen über das Gesicht und schloss die Augen.

„Linus?", kam es von jemandem, den ich das letzte Mal vor drei Jahren gesehen hatte. Ruckartig hob ich den Kopf und konnte die Gestalt der Person in dem verdunkelten Bildschirm sehen. Alles in mir verkrampfte sich, mein Atem stockte und mein Herz stand still. Zitternd atmete ich ein und wieder aus.

„Es ist so schön dich wieder zu sehen!", sprach die Person und zog einen Stuhl neben mich. Alles, was ich entgegenbringen konnte, war ein leichtes abgehaktes Nicken und ein gequältes Lächeln.

„Ich habe dich vermisst, sehr sogar"

Bewegungslos starrte ich auf die Tastatur vor mir auf dem Tisch und wartete, dass die Person wieder verschwinden würde.

„Linus, bitte rede mit mir!", setzte sie wieder zum Reden an. „Ich weiß, dass das mit deiner Familie schwer gewesen sein muss, aber das ist jetzt drei Jahre her. Du hast gesagt, du bräuchtest Zeit, um dein Leben wieder in geregelte Bahnen zu lenken und dazu müsstest du alleine sein. Aber du hast dich nie wieder bei mir gemeldet, und immer wenn ich bei dir angerufen habe, hast du den Anruf nie entgegengenommen"

Tränen sammelten sich in meinen Augen, die ich verzweifelt versuchte wegzublinzeln. Alles schmerzte bei jedem Wort, die sie mir entgegenschleuderte.

Seufzend stand sie auf und legte eine Hand auf meine linke Schulter. „Ich werde warten, egal wie lange, ich werde immer auf dich warten" Kurz strich sie mit der Hand über meinen Nacken, was mir einen Schauer über den Rücken jagte, dann verschwand die Person wieder so leise, wie sie gekommen war.

Frustriert lehnte ich mich in dem Stuhl zurück und biss mir so fest auf die Unterlippe, bis sie blutete. „Verdammt!"

Ich hatte gehofft, sie nie wieder sehen zu müssen. Ihr nie wieder ins Gesicht sehen zu müssen und zu wissen, was ich verloren hatte. Es war meine eigene Schuld, das wusste ich, aber Gott schien es Spaß zu machen mir all meine Fehler vor Augen zu führen. Aber vielleicht war es nicht Gott, der mich meine Sünden spüren ließ, sondern der Teufel.

Der Teufel trieb sein Spiel mit mir, denn die Güte Gottes hatte mich bereits an jenem Tag vor drei Jahren verlassen. Es war der Teufel, der mir alles nahm, was ich liebte. Er war es der mich in das tiefe Loch der Trauer und des Selbsthasses stieß.

Bei allen guten Geistern, wieso spielte das Leben mit meiner Seele?

Geister...

Plötzlich kamen mir Erinnerungen an das vergangene Gespräch mit Orion in den Sinn. Wie dringlich er mit mir sprechen musste und das es um Larissa ginge. Ich hatte ihn beobachtet und aus irgendeinem Grund kam mir sein Verhalten merkwürdig vor. Es kam mir so vor, als wäre noch eine weitere Person im Raum gewesen, aber das war vollkommen unmöglich.

Allerdings war da noch Orions Auseinandersetzung auf der Straße vor meinem Haus. Er sprach mit jemandem, jedoch konnte ich niemanden erkennen.

Es war, als spräche er mit der Luft oder mit jemand unsichtbaren.

Einem Geist.

Hektisch sprang ich auf, riss dabei den Stuhl um und die Maus vom Tisch.

Mit quietschenden Reifen kam ich vor dem Haus von Orions Eltern zum Stehen. Eilig nahm ich zwei Stufen der Treppe auf einmal und klingelte Sturm. Ein gereizt aussehender Mann, den ich vage, als Orions Vater identifizieren konnte, kam zur Tür.

Ghost - Mein neues Leben #IceSplinters18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt