| Kapitel 15

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 | Was fühle ich?

|Orion

Im Nacken spürte ich den fragenden Blick von Linus. Ich musste mich zusammenreißen, um ihn nicht haltlos anzuschreien. Gereizt und durcheinander, so konnte man mich in diesem Moment am besten beschreiben. Krampfhaft richtete ich meine Aufmerksamkeit auf das Mädchen vor mir und ballte meine Hände zu Fäusten.

„Orion?", ertönte plötzlich eine Stimme hinter mir, die mich überrascht erstarren ließ.

Oh bitte nicht!

„Orion! Dich hätte ich hier nicht erwartet" Mit steifen Gelenken, wie die eines Roboters, drehte ich mich herum. Das falsche Lächeln war mir wie ins Gesicht gemeißelt.

„Hallo, Anna!", sagte ich mit triefender Überraschung und mein Lächeln klebte mir noch immer mitten im Gesicht.

Anna! Gottverdammter Mist! Ich traute mich nicht einen Blick zurückzuwerfen, um das Gesicht von Larissa zu sehen.

„Was machst du hier?", erkundigte Anna sich und strahlte ihn voller Freude an. „Ähm, also das ist so... Ich habe... Linus und ich, wir... Nein, ich kann es nicht erklären", stammelte ich und kratzte mir peinlich berührt am Hinterkopf.

Warum konnte ich keinen vernünftigen Satz bilden und locker mit Anna reden? Mit Larissa funktionierte es doch auch! Obwohl, am Anfang klappte das auch nicht so ganz...

Kopfschüttelnd holte ich mich aus meinem Selbstgespräch und starrte Anna nervös an. „Ward ihr auf dem Friedhof?" Wieder riss Anna das Wort an sich, doch diesmal richtete sie es an Linus. Dieser nickte lediglich verwirrt und kratzte sich am Kinn.

Einfältiger Invalide der hat keinen blassen Schimmer von Frauen.

„Ja, waren wir", flüsterte ich, da ich meiner Stimme nicht vertraute und mich nicht vollkommen zum Affen machen wollte. „Nun ja, ich muss jetzt weiter! Hat mich gefreut dich wieder zu sehen, Orion", verabschiedete sich Anna und machte einen großen Bogen um Linus und mich. Durch einen leisen Aufschrei von Larissa wusste ich, dass Anna direkt durch sie hindurchgegangen war.

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen – ein echtes.

„Wer war das?", erkundigte sich Larissa und in ihrer Stimme schwebte keine Eifersucht mit, nur Neugierde. „Anna", gab ich knapp von mir und wusste nicht so recht, was ich jetzt tun sollte.

Ich sollte nach Hause und Zeit mit meiner Familie verbringen oder mich einfach ertränken. Aber Kopf in den Sand stecken war keine Option, nicht für mich.

Anna...

Sie war einfach kaum einzuschätzen. Unberechenbar traf es wohl eher, aber sie war auch liebenswürdig und einfach unglaublich. Anna war witzig, intelligent und ich fühlte mich in ihrer Nähe wohl.

Ihre Sommersprossen waren mir gleich beim ersten Moment aufgefallen und erzählten ihre ganz eigene Geschichte. Das wallende rotbraune Haar, welches sie immer zwischen ihren Fingern zwirbelte, umrahmte ihr perfektes Gesicht. Alles an ihr war perfekt und dennoch konnte ich mich nicht voll und ganz auf sie einlassen.

Wir hatten zufällig auf eine dieser Studentenpartys getroffen und stellten fest, dass wir im selben Ort lebten. Sie ging in den High School Jahren auf ein Internat, weshalb wir uns nie in der Schule oder anderweitig getroffen hatten.

Anna und ich hatten einige Dates, aber weiter als ein Kuss sind wir nicht gegangen. Vielleicht lag es daran, dass ich sie nicht liebte oder daran, dass ich etwas noch nicht abgeschlossen hatte.

Und das, mit dem ich abschließen muss, stand direkt hinter mir. Larissa.

„Was war denn das?", fragte Linus verdutzt. Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass Linus die Hände tief in die Hosentaschen vergraben hatte. Eisiger Wind frischte auf und ich fröstelte leicht. Dummerweise hatte ich vergessen mir eine Jacke anzuziehen, aber heute Morgen befand ich den Tag für gut und hatte die Jacke wieder zurückgehängt.

„Das war nicht Was, sondern Wer und das war Anna", erklärte ich ihm niedergeschlagen. „Deine Freundin?" „Was wird das hier ein Verhör? Nein, sie ist nicht meine Freunde, sondern nur eine Freundin"

Entwaffnend hob Linus die Arme. „Ist ja gut Tiger, fahr deine Krallen wieder ein" Ein spöttisches Schnauben entfuhr mir und ich strich mir langsam durchs Haar. „Also wäre es in Ordnung, wenn ich sie um ein Date bitte?", hakte Linus nach und versuchte es ganz beiläufig klingen zu lassen.

„Wag es ja nicht auch nur einen Gedanken an Anna zu verwenden!", knurrte ich ihn verstimmt an und setzte mich mit schnellen Schritten in Bewegung.

„Hey Orion! Das war doch nur Spaß! Ich wollte dich auf den Arm nehmen Mann!", rief Linus mir entschuldigend hinterher. Juckte mich jedoch nicht die Bohne. „Orion verdammt, jetzt warte doch mal auf mich!"

„Also diese Anna... Liebst du sie?" Erschrocken zuckte ich zusammen, da ich mit Larissa nicht mehr gerechnet hatte. „Nein!", gab genervt von mir und beschleunigte meinen Gang. „Lügner"

Vielleicht war ich das, vielleicht war ich ein Lügner. Aber woher sollte ich wissen, was ich fühlte, wenn meine erste große Liebe direkt neben mir war? Wie sollte ich mich auf jemand Neuen einlassen, wenn ich mit der Vergangenheit noch nicht abgeschlossen hatte?

Fragen über Fragen und ich wusste einfach keine Antworten. Wusste nicht, wie ich die Antworten finden sollte...

Es war zum Kühe melken...

„Es ist okay, wenn du dich in jemand anderen verliebt hast. Du sollst dich neu verlieben und nicht an dem Alten festhalten. Es ist okay!", redete Larissa mir ein und ich nickte nur abwesend.

War es das? War es wirklich okay?

Ghost - Mein neues Leben #IceSplinters18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt