Kapitel 27

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Anor Londo war eine relativ kleine, unscheinbare Winterinsel, auf der schon lange keine Menschen mehr lebten. Ein sanfter Wind ließ den frisch gefallenen Schnee über die Erde tanzen, auf welche schon lange kein Fuß mehr gesetzt wurde, weder von Mensch noch von Tier.
Doch in der Ferne war ein Schiff zu entdecken; ein großes Schiff mit einem Wal als Gallionsfigur, das die
Insel gradewegs ansteuerte.
Für Whitebeard und seine Crew war es von Vorteil, dass die Insel unbewohnt war, da sie sich so frei bewegen konnten. Keine Marine, keine Menschen die Angst vor ihnen hatten oder dachten sie könnten es mit Ihnen aufnehmen. Natürlich war es nicht unbegründet, dass die Insel unbewohnt war; es war beinahe unmöglich hier zu überleben, da sich bei den Temperaturen nichts anbauen ließ, nicht einmal die hartnäckigsten Pflanzen. Doch da sie genug Vorräte hatten, um fünf Monate auf See zu bleiben, machten sie sich darum keine Gedanken.

Zwei Wochen waren ins Land gezogen, seit Marco seinen Entschluss gefasst hatte und sich langsam von seiner Familie abgrenzte. Mit jedem Tag fand er seinen Entschluss besser, mit jedem Tag fiel es ihm leichter sich mit dem Gedanken abzufinden.
Eine kühle Brise ließ den erfahrenen Kommandanten frösteln, sodass er den wärmenden Mantel noch fester um seinen Körper schlang. Gemächlich schweifte sein Blick über die karge, weiße Landschaft vor seinen Augen. In der Ferne waren die Wipfel einiger Bäume zu erkennen, doch bei den Temperaturen würde er sich nicht dorthin begeben um diesen weiter zu erkunden.

Whitebeard wollte ein erneute Unterhaltung mit der Diebin führen, um zu hören, was sie ihm zu sagen hatte. Ihm war bewusst, dass einige seiner Mannschaft die Frau tot sehen wollten, oder sogar noch schlimmeres. Doch ihm war es sehr wichtig diese Angelegenheit zu klären bevor er ein endgültiges Urteil fällt. Wenn er überhaupt ein Urteil fällen würde.

Marco war sich sicher seinen Plan in den nächsten Tagen umzusetzen. Natürlich wollte er wissen, was nun mit Xara und Dean geschah, doch ihm war etwas besseres eingefallen. Damit würde er ein Urteil erzwingen und auch mit dieser Sache endlich abschließen können.

Zitternd saß Xara in einer der Ecken ihrer Zelle; gehüllt in die Decken, welche auf ihrem 'Bett' lagen. Die Kälte kroch in ihre Knochen, ihr ganzer Körper zitterte unaufhörlich.
Dean, welcher mittlerweile eine Zelle neben ihr bewohnte, saß neben ihr. Lediglich das Gitter lag zwischen ihnen. "Ich halte das nicht mehr aus." Raunte der rothaarige, dessen Wunden schon gut abgeheilt waren. Seit knapp zwei Wochen hatten beide keine frische Luft mehr eingeatmet, keinen Wind mehr auf ihrer Haut gespürt. Whitebeard ließ sie in ihren Zellen verrotten, es war ein Wunder, dass sie noch etwas zu essen bekamen.

Whitebeard hatte Ace am nächsten Tag auf den Weg geschickt um die Diebin zu ihm zu holen. Sein Rücken knackte unangenehm, als er sich erhob um an seinem Thron Platz zu nehmen. Dieser war eine schlichtere, unauffälligere Version seines Thrones an Deck. Seine müden Augen starrten aus dem großen Bullauge, auf die weiße Schneelandschaft die sich vor ihm befand. Seufzend fuhr er sich mit der Hand über sein Gesicht, er war müde. Der alte Mann hatte genug von all dem hier.

Ace trottete gemütlich durch die kühlen Gänge der Moby, welche lediglich mit kleinen, an den Wänden hängenden Lichtern, beleuchtet wurden. Diese strahlten ein kühles Licht aus, welche der Szenerie etwas gespenstiges verliehen. Ace, dessen Gedanken grade zu seinem einstmals besten Freund wanderten, gähnte einmal laut auf. Ihm war in diesem Moment bewusst geworden, dass er seinen Freund seit gestern nicht mehr gesehen hatte, was sehr unüblich war. Doch ihm stand es nun nicht mehr zu, sich nach seinem Wohlbefinden zu erkunden. Marco würde ihn nicht einmal in die Nähe von sich lassen.
Karzend gab die modernde Tür nach. Ein übler Geruch kam dem Kommandanten entgegen, der augenblicklich die Nase rümpfte. Der Gestank, eine Mischung aus verbrauchter Luft, Schweiß, Eisen und anderen unschönen Dingen mischten sich, sodass er ein  Würgen wirklich unterdrücken musste. Er konnte dem Drang nicht widerstehen zum Bullauge zu gehen und dieses aufzureißen. Sofort kam ihm die kalte Luft entgegen, welche er begierig einsog. So verharrte er einen Moment, bevor er sich zu den Zellen drehte.
Seine Muskeln spannten sich an, sodass man die kleinen Äderchen auf seinen Armen erkennen konnte. Seine Augen weiterten sich vor Schock und Wut, sein Kopf war wie leergefegt. Noch bevor er wirklich realisierte, was das Bild vor ihm zu bedeuten hatte, trugen seine Beine ihn schon Richtung Deck. 
Mit all seiner Kraft stieß er die Tür auf, womit er sich die Aufmerksamkeit aller an Deck sichern konnte. "Die Gefangenen sind weg!" schrie er; seine Stimme hallte in den Köpfen der Piraten wieder. "Findet sie! Sofort!" schrie Whitebeard, welcher nur Augenblicke zuvor ebenfalls das Deck betreten hatte.
Nun war sein Urteil gefällt. Sobald sie wieder hergebracht wurden, würden sie sterben.

Die Schwachen können sich nicht aussuchen wie sie sterben!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt