Gedanken (2-2)

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(Melina Sicht.)

Du liegst neben mir.
Meine Hand ruht auf deiner Hüfte.
Deine hellen Augen verschleiern sich, wie immer, wenn du nachdenkst, dich in dich selbst zurückziehst. Es ist, als ob du auf einer Insel sitzen würdest, und mich ein weites Meer von dir trennen würde.
Ich habe Angst.
Immer wenn du diesen Blick bekommst, überkommt es mich. Das namenlose Entsetzen, dich zu verlieren.
Ich verdränge sie und lächle dich an. Ich will dir Mut machen.
Aber ich kann spüren, dass es meine Augen nicht erreichen kann. In deinen funkelt es inzwischen verräterisch. Was denkst du gerade?
Ich kann es nicht sehen, denn wie schon so oft verbirgst du deine Gedanke und Gefühle tief in dir. Warum sprichst du nicht mit mir?
Ich würde es so gerne einmal aus deinem Mund hören.
Was dich bewegt. Ist es wohl so ähnlich wie das Gewühl in mir? Die unbändige Freude, dass ich dir genüge, dass ich um dich sein darf, hier neben dir liegen. Dass du dich mir geschenkt hast, dich mir anvertraut.
Die Angst, dass du wieder fortgehen könntest.
Ganz tief unten ein wenig Scham. Darüber, dass ich dir überlegen sein sollte und es doch nicht bin.
Ich werde dir überallhin folgen.
Ich liebe dich.
Wenn du es willst.
Dich zu verlassen würde heißen, sich vom Licht abzuwenden.
Und allein im Dunkel habe ich Angst. Ich hatte noch nie deinen Mut, den ich so bewundere.
Ich bin anders als du, ich kann nicht allein leben. Ich brauche dich.
Brauchen wir uns nicht, nachdem wir uns so lang gehabt haben? Ich weiß es nicht. Ich weiß nichts mehr angesichts des Dunkels.
Nur, dass ich dich liebe.
Ich bin froh, dass du hier neben mir liegst. Mit dir bin ich sicher.
Jedes Mal, wenn ich dich ansehe, kann ich beinahe spüren, wie meine Augen zu leuchten beginnen.
Und es ist nicht nur meine Liebe zu dir, die dich zum Strahlen bringt. Es ist deine zu mir.
Meine Hand wird schwerer und schwerer. Wie ein Schmetterlingsflügel schwebt sie über dir. Aber ich wage nicht, dich ganz zu berühren, aus Angst, dass du einfach verschwinden könntest.
Der Schleier um deine Augen wird dichter. Wo bist du gerade? Auf eine unbegreifliche Art und Weise bist du direkt hier. Vor mir. Und gleichzeitig ganz weit weg.
Ich liebe dich.
Deine Lippen öffnen sich ein wenig, so als würdest du dich darauf vorbereiten, etwas zu sagen. Wie eine Blüte sieht dein Mund aus, eine Blüte, die sich gerade entfaltet.
Ich hebe meine andere Hand. Die Linke. Ich will sie berühren, deine Lippen.
Jetzt weitet sich der Schleier von deinen Augen aus, legt sich über dein Gesicht. Wenn ich noch einen Moment zögere, bist du fort.
Kann meine Berührung dich zurückholen zu mir? Mein Kuss? Ich werde es versuchen müssen.
Trotz der Dunkelheit um deine Augen sind deine Lippen genauso warm wie immer.
Es ist so schön.
Für einen Moment schließe ich die Augen, um dich nur spüren zu können. Als ich sie wieder öffne, habe ich das dumpfe Gefühl, etwas verpasst zu haben.
Ich lehne mich zurück. Alles um mich herum riecht nach dir, meine Lippen schmecken nach dir.
Der Schatten über dir ist verschwunden.
Für den Moment habe ich es geschafft.
Aber wie?

Kellina OSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt