Melina POV
Eine Sekunde. Innerhalb von einer Sekunde veränderte sich alles.
In dem einem Moment sah ich Kelly noch mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck vor mir sitzen. Sie wirkte so stark, dass Hoffnung in mir aufgekeimt war. Hoffnung darauf, dass sie es schaffen würde. Jemand mit so einer Stärke kann es schaffen, dem Tod die Stirn zu bieten. Sie war so furchtlos, was ihrem womöglich bevorstehenden Tod anging. Wenn sie ihn schon so auf die leichte Schulter nahm dann nur, weil sie gegen ihn gewinnen würde. Doch dann änderte sich die Situation schlagartig.
Sie wurde von einem zum anderen Augenblick so blass und krampfte sich zusammen, dass prompt große Sorge in mir aufkeimte. Doch ehe ich irgendwie reagieren konnte, sackte sie mit einem Mal zu Boden und die Zacken auf dem Monitor, die ihren Herzschlag anzeigten, verschwanden in einer Linie.Mein Körper fühlte sich an mit einmal Mal so an, als wäre er aus Stein. Ich konnte mich nicht mehr bewegen sondern konnte nur wie versteinert betrachten, wie alles Leben aus dem Mädchen, dass ich so sehr liebe, verschwand. Alles um mich herum verlor plötzlich an Bedeutung. Ich bekam nichts mehr mit, sie beherrschte meine gesamten Gedanken.
Ich fühlte nicht, wie ich von einem Schar Personen in eine Ecke gedrängt wurde. Ich hörte nicht das Stimmengewirr, dass mich plötzlich umgab. Ich hatte alles ausgeblendet, alles was ich konnte war Kelly ansehen und sie innerlich anflehen, wieder aufzustehen.
Erst als sich mehrere Körper vor ihr Bett drängten und mir die Sicht zu ihr nahmen, erwachte ich aus meiner Benommenheit.
Kelly, dachte ich. Kelly du darfst nicht gehen. Ein schmerzlicher Stich breitete sich in meiner Brust aus. Meine Augen brannten und füllten sich mit Tränen während ich stocksteif betrachtete, wie die Ärzte und Krankenschwestern versuchten, wieder Leben in sie einzuhauchen. Doch egal was sie taten, vom Monitor erhoben sich keine Zacken. Nur eine durchgehende Linie.Plötzlich wurde ein Gerät herangeschoben und alles lief für mich in Zeitlupe ab. Ich sah, wie zwei seltsame Gegenstände aneinander gerieben wurden und wie Kelly's Körper einen kräftigen Ruck von sich gab, als sie der Gegenstand berührte.
Ein Defibrillator, sagte mein Unterbewusstsein.
Wieder wurde er gegen Kelly gedrückt, wieder ging ein Ruck durch ihren Körper. Doch nichts veränderte sich. Ich sah, wie jemandem etwas zugerufen wurde, doch alles was ich vernahm war ein Rauschen in meinen Ohren.
Flehend blickte ich zum Monitor doch nichts veränderte sich. Nur diese eine Linie die zeigte, dass kein Leben mehr in ihr vorhanden war.
Und genau in den Moment als ich dachte, es kann nicht schlimmer werden, nahm alles nochmal eine ganz andere Ebene an. Die Zeit um mich herum schien still zu stehen als ich sah, wie der Arzt einen bedrückten Gesichtsausdruck bekamen und den Defibrillator an die Krankenschwester reichte, obwohl das Gerät immer noch keine Herzschläge anzeigte.
„Nein.“, flüsterte ich. Keiner hörte mich. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn und mein Kopf begann sich zu drehen. Der Arzt hob seine Hand und sah auf eine Uhr. Er sagte etwas zu der Krankenschwester, doch das Rauschen in meinen Ohren hielt an und ließ mich nichts anderes in meine Gehörgänge durchgehen.
Doch auch ohne etwas zu hören wusste ich nur zu gut, was diese Geste dort zu bedeuten hatte. Die Todesurzeit wurde festgelegt.„Nein!“ Ich stolperte nach vorne und drängte alle Leute die dort standen zur Seite, bis ich vor Kelly stand. „Kelly! Hör auf damit, steh wieder auf.“ Ich griff nach ihren Händen, die sich kühler als meine anfühlten. Niemand hinderte mich daran.
Ein Schluchzen durchschüttelte meinen Körper, als ich sie so leblos da liegen sah. Tränen liefen mir aus den Augen und tropften auf sie. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals soviel wie heute geweint zu haben.
„Bitte.“, flehte ich. „Bitte steh wieder auf! Lass mich nicht ohne dich zurück. Ich kann doch nicht ohne dich bitte tu mir das nicht Kelly. Ich liebe dich. Mache bitte deine Augen auf!“ Doch sie regt sich nicht. Ihre Hand lag schlaff in meiner.
Jemand berührte mich an der Schulter, versuchte mich wegzuziehen. Ich stieß denjenigen weg. „Geht weg! Kelly.“ Wieder wandte ich mich an sie. „Komm zurück bitte.“ Meine Knie zitterten „Bitte.“, flüsterte ich, aber keine Reaktion. Sie war weg. Sie war nicht mehr hier. Noch ehe wir unsere Liebe ausleben konnten hatte sie mich verlassen. Ich wollte sie soch irgendwann Heiraten sie war die richtige für mich. Was sollte ich nur jetzt machen? Nie wieder würde ich ihr schreiben können, nie wieder überzeugt sein können, dass sie grade mit ihren Gedanken bei mir war, nie wieder mehr Küssen können, nie wieder mit ihr gemeinsam scherzen, spaßen und einfach nur zärtlich zueinander sein können. Das war so unfair.
„Wir können nichts mehr tun.“, ertönte eine fremde Stimme. Abermals berührte mich etwas an meine Schulter und versuchte mich wegzuziehen. Sie konnten nichts mehr für sie tun. Es bestand keine Hoffnung mehr. Sie war fort.
Ich zitterte unkontrolliert, meine Sicht war verschwommen von den Tränen, die partout nicht aufhören wollten zu fließen. Man konnte nichts mehr für sie tun. Wie eine kaputte CD wiederholte sich dieser Satz immer und immer wieder in meinem Kopf. Diese Erkenntnis schmerzte so sehr, dass ich mich nicht mehr beherrschen konnte. Unkontrolliert brach es aus mir heraus. „Kelly!“