Kapitel 1

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Es ist ein sonniger, lauwarmer Sonntagnachmittag, als ich auf dem Weg zu Tyler bin, um etwas Zeit totzuschlagen. Der Weg ist nicht sehr lang, gerade mal 200 Meter die Straße runter. Deswegen brauche ich auch nur wenige Minuten, bis ich dort bin.

Vor der Tür angekommen überlege ich eine Sekunde lang, ob ich klingeln sollte, wie es jeder höfliche Mensch getan hätte, bis mir wieder einfällt, dass ich nicht höflich sein muss. Jetzt bitte nicht falsch verstehen, bei jedem anderen würde ich klingeln, freundlich guten Tag sagen und mich dann unauffällig verhalten, aber das mache ich schon seit Jahren nicht mehr. Im Gegenteil, das hier ist nicht nur mein zweites Zuhause, wenn ich betrunken bin (was ich das letzte Mal vor 2 Jahren war, weil ich Alkohol einfach nicht mag) weiß ich nicht einmal ganz genau, ob ich hier oder in dem Haus 200 Meter weiter wohne.

Ich sehe mich also um, nur für den Fall das mich jemand beobachtet und hole dann den Ersatzhaustürschlüssel aus seinem Versteck hinter dem Blumentopf. Dann schließe ich die Tür auf, verstaue den Schlüssel wo ich ihn gefunden habe und betrete das kleine Einfamilienhaus in dem mein bester Freund wohnt seit ich ihn kenne.

"Hallo, bin auch mal wieder da!" rufe ich in den Flur hinein während ich mir die Schuhe von den Füßen streife und dem leckeren Geruch in die Küche folge.

"Hey Elias, schön dich auch mal wieder zu sehen. Ist ja ewig her, dass ich dich zu Gesicht bekommen habe. Wann warst du zuletzt hier? Gestern?" werde ich von Tylers Mutter Katja begrüßt, die mir breit zulächelt als sie mich sieht und mir prompt einen Teller mit Kartoffelbrei vorsetzt.

"Ist vom Mittagessen übrig, da Tyler meinte du kommst noch vorbei hab ich dir was aufgehoben." Dankbar lächelnd nehme ich den Teller entgegen und verschlinge mein Mittagessen in Sekunden. Meine Eltern waren heute ihre 'Ehe auffrischen' wie sie es nennen. Das bedeutet, sie sind hin und wieder zusammen aus, gehen etwas essen oder sehen sich einen Film an. Da sie das in der Regel allein tun und ich sonst niemanden habe der für mich kochen könnte (ich selbst bin einfach zu faul dazu) hatte ich bisher noch nichts zu essen. Seltsamer Weise scheint Tylers Mutter immer schon vorher zu wissen, wann ich mit Hunger aufkreuze und wann nicht.

Und bei meinen Eltern ist es genauso, hin und wieder kommt es vor, dass ich selbst nicht weiß, dass mein bester Freund plant bei mir vorbeizuschauen, aber meine Mutter für eine Person mehr den Tisch gedeckt hat. Ich habe ja die heimliche Vermutung, dass sie sich regelmäßig absprechen, konnte es bisher nur noch nicht beweisen. Katja und meine Eltern sind enge Freunde, was nicht zu vermeiden war, da die drei (Tylers Vater hat seine Familie verlassen kurz nachdem sein Sohn zur Welt kam) meinen besten Freund und mich praktisch in Teamarbeit großgezogen haben.

Nachdem ich jedenfalls aufgegessen, meinen Teller vorbildlich in die Spülmaschine getan und mich bei Katja bedankt habe, schleiche ich die Treppe hoch in das Zimmer meines besten Freundes.

"Hey Trottel, was geht?" sind meine Worte als ich Tylers Zimmer betrete und mich neben ihn auf das Bett fallen lasse.

"Hallo Lilli, du auch mal wieder hier?" antwortet er ohne von dem Heft aufzublicken, das er vor sich liegen hat.

"Mit dem gleichen Spruch hat mich deine Mutter auch gerade begrüßt. Wenn deine Witze so lahm werden, dass selbst unsere Eltern sie benutzen, solltest du dir Gedanken machen."

"Oh ich mache mir Gedanken. Darüber dass mein unbestreitbar genialer Humor inzwischen schon auf meine Mutter abfärbt und du immer noch über Wörter wie Latte kicherst." noch immer sieht er mich nicht an, grinst nur sein Ich-habe-Recht-versuchs-überhaupt-nicht-erst-Grinsen und blättert weiter.

Das ist typisch für ihn. Er ist der arroganteste, selbstüberzeugteste und unbestreitbar blödeste Idiot den ich kenne. Das Problem dabei ist leider, dass er, obwohl er sich für den intelligentesten, coolsten und am besten aussehenden Typen der Stadt hält, er nicht an Selbstüberschätzung leidet. Er ist ein Jahr älter als ich, geht aber trotzdem in meine Klasse, da er ein Jahr später eingeschult wurde. Die Lehrer meinten damals er 'bräuchte noch Zeit, weil er langsam denke und nur schwer unter Kontrolle zu bringen sei'. Kaum war er in der Schule hatte er die besten Noten. Das hat sich seither nicht geändert, er ist Klassenbester und würde er seinen faulen Arsch hochkriegen und bei Wettbewerben mitmachen würde er nur noch Preise für die Schule absahnen.

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