Kapitel 4

102 15 11
                                        


Eigentlich würde ich jetzt ausführlich beschreiben, was in der Schule los war. Problem dabei: Es war nichts los. Isabell war noch immer krank und Josh und Kim haben wir relativ wenig gesehen. Durch unsere Kurse hatten wir keine einzige Stunde zusammen und in den Pausen haben wir uns nicht auf dem Schulhof getroffen, da der Himmel beschlossen hatte, es wäre der perfekte Tag für niemals endenden Regen.

Regnen tut es immer noch, nicht mehr so stark wie am Vormittag aber immerhin. Ich stehe, nachdem ich Tyler eine Todesdrohung per Whatsapp geschickt habe, vor dem Gebäude in dem der Lapdance-Kurs stattfinden soll. Manchmal würde ich meinen besten Freund gern köpfen, ihm danach die Haut abziehen und den Rest seines Körpers mit Benzin übergießen und verbrennen. Aber nicht heute.

Meine Eltern habe ich hierüber angelogen. Meine Ausrede war, dass Joshua mich dazu überredet hat die nächsten Wochen mit ihm zu trainieren, weil er für einen Wettkampf fit sein will aber keinen Bock darauf hat, das ganze allein zu machen. Da Sport mein absolutes Lieblingsfach ist (NICHT!), haben meine Eltern mir einen zweifelnden Blick zugeworfen, ansonsten aber nichts weiter zu dem Thema gesagt.

Tief atme ich ein, straffe die Schultern und drücke die Glastür vor mir auf. Ich werde mich gleich sowieso bis auf die Knochen blamieren, da nützt es auch nichts wenn ich lange genug vor der Tür herumstehe, um dann auch noch zu spät zu kommen. Ein neongelber Zettel zeigt mir den Weg zu dem -was ist das überhaupt, ein Tanzstudio?- dafür muss ich lediglich zweimal nach links und einmal nach rechts abbiegen, um dann eine Treppe hochzugehen. Jap, ich werde mich hier in Zukunft definitiv verlaufen.

Meine Sporttasche, in der sich nicht viel außer einem Shirt, einer bequemen Sporthose und einer Flasche Wasser befinden, zerre ich mehr oder weniger lustlos hinter mir her. Ich hab so keine Lust hierauf.

Nach meiner Wanderung durch dieses Labyrinth aus Gängen stehe ich endlich vor einer grünen Tür, hinter der ich Musik hören kann. Und bevor mich der Mut verlässt und ich doch noch einen Rückzieher machen kann (kann ich eh nicht, dafür hat Tyler höchstwahrscheinlich gesorgt) betrete ich den Raum in dem sich schon sieben Frauen befinden, die mich alle entweder verwirrt oder belustigt ansehen.

"Ich glaub du bist hier falsch." meldet sich auch gleich die erste. Sie ist blond, hat hässliche pinke Stulpen an den Beinen und klingt arrogant. Ich weiß jetzt schon, dass ich sie nicht ausstehen kann.

"Lernt man hier wie ein Lapdance auszusehen hat?" frage ich in die Runde. Ein einheitliches Nicken von allen, außer der Stulpenblondine kommt als Antwort.

"Dann fürchte ich, bin ich hier richtig." Seufze ich und gehe weiter in den Raum (das Studio?) hinein.

Stumm werde ich angestarrt, was nicht gerade dazu beiträgt, dass ich mich weniger dämlich fühle. Die Stulpenblondine ist sichtlich genervt von meiner bloßen Existenz, und auch wenn die anderen mich nicht hasserfüllt anfunkeln, sind sie wohl auch nicht hundertprozentig davon überzeugt, dass ich sie nicht verarschen will.

"Das ist jetzt vielleicht eine dumme Frage, aber kann ich mich hier irgendwo umziehen? Ich glaube kaum, dass ich diesen Kurs in Skinnyjeans überstehen werde." Eine kleine, dunkelhaarige Frau, die eine etwas seltsam wirkende Harry-Potter-Brille auf der Nase sitzen hat, deutet auf eine Tür im hinteren Teil des... Studios.

"Die linke ist die Umkleide für Frauen, die rechte ist leer..." ihre Stimme ist leise und zögerlich. Ich glaube ich habe sie verschreckt.

"Vielen Dank." mit dem charmantesten Lächeln, dass ich in meinem momentanen Gemütszustand aufbringen kann, danke ich ihr und begebe mich in die überraschend geräumige Umkleide. Dort wechsle ich meine Sachen und verfluche noch ein paar Mal meinen besten Freund.

Spiel mit mirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt