Kapitel 10

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Nachdem ich den gestrigen Tag trotz aller Probleme und Moralpredigten besser überstanden habe, als ich gedacht hätte, würde ich einfach mal ganz stark vermuten, dass es heute wieder scheiße wird. Einfach schon auf dem Grund, dass das Schicksal es mag, mich zu ärgern.

Ich verschlafe (schon wieder... wahrscheinlich musste mein Körper den Schlaf von gestern Morgen nachholen) und schaffe es gerade so zum Unterricht (wieso muss scheiß Schule auch schon so früh anfangen?!?). Tyler, der schon auf dem Platz neben mir sitzt und wie immer absolut nicht vorhat, dem Unterricht zu folgen, erklärt mir, dass er Granny angerufen hat.

„Ich hab gefragt, wann wir vorbeikommen können. Sie war so begeistert, uns endlich mal wieder da zu haben, dass sie sofort ein Rezept rausgesucht hat, dass sie ausprobieren und uns testen lassen will. Wir sollen Donnerstag vorbei kommen."

Bei diesen Worten verziehe ich das Gesicht. Granny ist eine gute Bäckerin, allerdings nur bei Kuchenrezepten, die sie schon länger kennt. Jedes Mal wenn sie etwas Neues ausprobiert schmeckt es... naja, sagen wir, man wünscht es seinem schlimmsten Feind nicht. Und leider liebt sie es neue Sachen auszuprobieren und Tyler und mich als Vorkoster zu missbrauchen.

„Hat sie gesagt, was genau sie backen will?"

„Irgendwas mit Kirschen." Antwortet mir Tyler mit einem mitleidigen Blick. Er hat wahrscheinlich die gleichen Gedanken wie ich, nur dass er weiß, dass der Kuchen nicht allzu lange in seinem Magen bleiben wird.

„Kannst du sie nicht davon überzeugen meinen Lieblingskuchen zu machen?" meine Stimme ist hoffnungsvoll während ich das sage, auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass Granny sich bereits unwiderruflich entschieden hat, was sie backen will.

„Boah ja, wie lange ist es her, dass ich einen Mooskuchen zu essen bekommen habe... ich kanns ja nochmal versuchen... wobei, wenn du große Augen machst und einen Schmollmund kann Granny dir nie wiederstehen, vielleicht solltest du versuchen, sie zu überzeugen."

„Aber dann denkt sie, dass ich ihre anderen Kuchen nicht mag."

„Das ist dein Pech. Jetzt hab ich Bock auf Mooskuchen und wehe ich kriege keinen. Also wenn sie keinen backt, musst du das machen." Meckert Tyler mich allen Ernstes an.

„Ich bin froh, wenn ich die fertige Backmischung zu einem Kuchen bekomme und nicht komplett zerstöre, wie soll ich bitte einen normalen Kuchen backen?" Manchmal hat der Typ Ideen, die mich an seiner mentalen Gesundheit zweifeln lassen.

Er grinst mich einfach an und meint: „Dann lass dir was einfallen."

„Was soll ich mir denn da einfallen lassen? Ich kann nicht einfach..." antworte ich und werfe ihm einen genervten Blick zu, der sich allerdings schnell zur Tafel richtet, als ich von unserer Lehrerin ermahnt werde, ruhig zu sein.

„Nicht mein Problem Lilli." Er ist so ein Idiot. Und genau das sage, oder besser flüstere, ich zu ihm hin und ignoriere ihn dann für den Rest der Stunde, um wenigstens noch etwas vom Unterrichtsstoff aufzuschnappen.

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In der Frühstückspause kommen Tyler und ich gerade zu Kim und Joshua dazu, als Isabell mit Christian an Arm an uns vorbeiläuft. Sie nickt uns kurz zu, was bei ihr einer herzlichen Begrüßung noch am nächsten kommt. Ein Nicken, oder zu besonderen Anlässen ein kurzes Lächeln, ist in etwa das Selbe was für Kim ein „Hey wie geht's dir?" mit einer Umarmung wäre.

Joshua, der bis eben noch mit Kim in ein Gespräch über Fruchtsmoothies vertieft war und über die Vorteile von Obst statt Schokolade schwärmt, stoppt mitten im Satz und starrt seiner Exfreundin mit einem leidenden Blick hinterher. Dadurch sieht er aus wie ein trauriges Hündchen, dem man das Lieblingsspielzeug weggenommen hat. Allerdings ändert sich das schnell und bevor Tyler und ich überhaupt ein Wort zur Begrüßung sagen konnten platzt aus Joshua schon ein „Dieser arrogante Arsch hat sie überhaupt nicht verdient! Sie ist viel zu gut für ihn!" heraus.

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