Spiel mit mir

Kapitel 14

Als ich aufwache ist es viertel nach neun. Für meinen Geschmack ein bisschen früh für einen Samstagmorgen, aber da ich gestern Abend früh eingeschlafen bin, fühle ich mich nur ein bisschen verpennt und nicht komplett durch Schlafmangel zerstört. Wie manche Menschen früh aufstehen und voller Energie sein können, ist mir ein Rätsel.

Doch trotzdem weiß ich nicht, wieso ich schon wach bin, sicherlich nicht weil ich ausgeschlafen habe. Und da wach zu sein noch lange kein Grund ist um aufzustehen, drehe ich mich von der Wand weg, taste unter meinem Bett nach meinem Handy und sehe mir YouTube-Tutorials an (Einfach die erstbesten Videos, die mir vorgeschlagen werden. Ein Tutorial wie man sich Dreads macht, wie man in Zeichensprache sagt, dass man aufs Klo muss, ein Backtutorial für Zimtschnecken und eine Anleitung in der vier einfache Varianten erklärt werden, um eine Hijab zu binden). Während ich mich vollquatschen lasse ohne wirklich hinzuhören, werde ich langsam wach und realisiere, dass ich in meinem Bett liege. Das würde mich eigentlich nicht weiter verwundern, wenn ich mich erinnern könnte, wie ich hier hin gekommen bin. Schließlich bin ich auf der Couch eingeschlafen. Bin ich nachts wach geworden und hab mich ins Bett geschleppt?

Als ich hochsehe um nachzusehen, ob mein bester Freund noch schläft, bemerke ich, dass die Couch leer ist. Wo zur Hölle ist er hin? Und wenn ich gerade dabei bin mich mit unnötigen Fragen zu belasten... wo ist Huhn? Ich hab sie ganz sicher nicht im Halbschlaf eingefangen und in ihren Käfig gesteckt. Ich richte mich auf um zu überprüfen, ob Huhn noch irgendwo im Zimmer herumsitzt, aber ein kurzes Flattern zeigt mir, dass sie sich in ihrem Käfig, der momentan mit einem Tuch bedeckt ist, befindet.

Und gerade als ich denke: fuck it, ich bin zu müde zum denken, kommt Tyler mit einer Packung Cornflakes unter dem Arm herein und schmeißt sich auf die Couch. „Guten Morgen, hast du gut geschlafen?", fragt er fröhlich und stopft sich eine Hand voll Schokoflakes in den Mund.

„Äh ja, und du?"

„Ausgezeichnet sogar. Ich hab geträumt ich gewinne eine Tanzshow. Also nicht, dass ich in der Tanzshow mitmache, die haben einfach eine gesamte Fernsehshow verschenkt. Und ich saß dann mit zwei anderen in der Juri und du hast vorgetanzt, bist aber nicht ins Finale gekommen."

Will er mich beleidigen? Ich bin mir nicht sicher... „Okay, wie du meinst. Sag mal wie bin ich ins Bett gekommen, ich bin doch auf der Couch eingeschlafen. Und wann hast du Huhn eingefangen?"

„Ich hab Alexander den Dritten heute Morgen in ihren Käfig gesteckt weil sie angefangen hat, durch den Raum zu rennen und deine Klamotten anzupicken. Aber die Nacht über hat sie neben mir gepennt, hat mich im Schlaf mehrmals mit den Flügeln geschlagen. Du solltest ihr wirklich ein paar Manieren beibringen."

„Also wenn sie dich geschlagen hat, dann war das Training ja erfolgreich.", antworte ich und stehe dann auf um mir eine Hose aus dem Schrank zu nehmen. Dann verschwinde ich ins Bad um mich fertig zu machen und komme dann ohne Oberteil zurück in mein Zimmer. Und weil ich kein Bock habe, mir noch ein Shirt zu suchen und es warm genug ist, um nicht zu erfrieren, so in mein Zimmer.

Dann schnappe ich mir meinen Hefter, mache etwas Musik an und beginne für den Aufsatz, den wir am Montag schreiben müssen, zu lernen. Tyler sitzt zwei Stunden lang neben mir, frisst meine Cornflakes weg und klemmt sich hinter meinen Laptop um sich (auf definitiv legalen Internetseiten) Supernatural anzusehen. Hin und wieder stellt er mir Fragen zur Serie, die ich ihm nicht beantworten kann, da ich gerade mal die dritte Staffel gesehen habe und er irgendwo bei Staffel zehn ist, aber er will sowieso keine Antwort sondern mich vom lernen abhalten. Als das nicht funktioniert, weil ich die meiste Zeit nur mit einem Schulterzucken antworte, versucht er mich zu nerven indem er mich mit den übrig gebliebenen Krümeln seines Frühstücks bewirft, welche Huhn, als ich sie aus dem Käfig lasse, aufpickt. Und nach seinem letzten Versuch, mich durch seltsame Fragen abzulenken („Hey Lilli, glaubst du jemand mit Fußfetisch hat automatisch auch einen Zehenfetisch?"), gibt er auf und sitzt schweigend da, schaut einem Engel in einem Trenchcoat dabei zu, wie er zwei Geschwister mit Komplexen rettet und kommentiert hin und wieder irgendwelche Nebenfakten.