Spiel mit mir

Kapitel 3

Der gestrige Montag verlief im Großen und Ganzen ereignislos. In den Pausen reden und herumsitzen, im Unterricht aufpassen und mit Tyler Witze reißen, deren Humor mit einem alten Stiefel zu vergleichen wäre: schmutzig, unnötig und hin und wieder auch ein bisschen hässlich.

Und genau so spannend verlief auch der heutige Dienstag. Isabell war immer noch krank, Kim mit meinem Outfit immer noch nicht zufrieden und Joshua immer noch... Joshua.

Um den Tag also zumindest noch ein wenig interessanter zu machen, haben Tyler und ich uns verabredet, den Nachmittag im Park zu verbringen. Und genau da sind wir jetzt auch. Tyler sitzt auf einer Bank mit einer halbheruntergebrannten Zigarette im Mund und seinem Handy in der Hand. Ich sitze daneben und starre eben dieses Handy an, bemüht den stinkenden Rauch der Zigarette nicht in meine Lunge zu bekommen. Wir würden in einer solch demotivierend langweiligen Situation eigentlich beginnen irgendetwas spannenderes zu machen, aber noch warten wir. Wieso, weshalb, warum, wird der interessierte Leser jetzt fragen, worauf zur Hölle warten wir? Die Antwort ist ebenso simpel, wie auch frustrierend.

Wir warten auf Tylers 'Kontaktmann' (wahrscheinlich irgendein Bruder eines Freundes der Cousine dritten Grades oder so), der in Kürze mit einem Käfig auftauchen sollte. Allerdings sollte er schon vor einer halben Stunde 'in Kürze auftauchen', weswegen ich immer ungeduldiger und Tyler immer rauchiger wurde.

Gerade als ich Tyler fragen will, wann der Typ endlich auftaucht, kommt er um eine Ecke spaziert. In der Hand den Käfig, zugedeckt mit einem blauen Tuch.

"Na endlich Mann, das wird aber auch Zeit. Wo warst du so lange?" wird der Onkel der Cousine des Freundes (oder was auch immer) von Tyler begrüßt.

"Ich musste erst noch einem Busfahrer erklären, wieso ich ein Huhn mit mir herumtrage und dass ich nicht übergeschnappt bin, nur weil ich es in seinem Bus transportieren wollte. Ich glaube Berufskraftfahrer mögen einfach kein Federvieh..." mit diesen Worten streckt er mir den Käfig entgegen und ich nehme ihn, wenn auch etwas zögerlich, an.

Als ich das Tuch etwas hochschiebe beginnt das Tier darin sofort zu gackern und mit den Flügeln zu schlagen, worauf ich das Tuch schnell wieder sinken lasse. "Kann das Vieh wenigstens Eier legen?" frage ich, eher um das unangenehme Schweigen zu beenden, dass während meiner Inspektion entstanden ist, als um der Information selbst willen.

"Ich denke schon, bin mir aber nicht hundert prozentig sicher." ist die wenig zufriedenstellende Antwort. "Ich geh dann auch gleich wieder. Hab noch was zu erledigen. Bin nur hergekommen um meinen Botenjob gerecht zu werden."

"Muss ich nichts dafür bezahlen?" fragte ich erstaunt, da ich damit gerechnet hatte, das Huhn ganz legal per Kaufvertrag zu erwerben. Wobei ich nicht mal weiß, ob ein Huhn in der Großstadt überhaupt legal ist. Kann man mit dem Tierschutzverein Ärger bekommen wenn man es nicht artgerecht hält?

"Nee lass nur, ich hab T. eh noch was geschuldet." erklärt der Cousin zweiten Grades der Schwester des Freundes, winkt dann und geht in dieselbe Richtung zurück, aus der er gekommen ist.

"Zeig mal her!" fordert mein bester Freund und reißt mir den Käfig förmlich aus der Hand, woraufhin wieder Gackern und Flügelschlagen zu hören ist.

"Ich hätte es mir kleiner vorgestellt... Wie willst du es nennen?" werde ich gefragt und beginne jetzt erst zu realisieren, dass ich dieses Teil die nächste Zeit an der Backe haben werde. Was gibt man einem Huhn bitte für einen Namen? Rex? Rufus? Putt Putt? Federviehlein? Prinzessin von und zu Eier legen?

"Ist doch egal, wozu brauch es einen Namen? Ich nenne es einfach Huhn und damit hat es sich."

Tyler zieht daraufhin nur eine Augenbraue hoch, die mir wohl zu verstehen geben soll, dass es sehr viel Einfallsreichtum benötigt haben muss, um einem Huhn den Namen Huhn zu geben.