29 - Nichts

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„Und?", erkundigte sich Nils sofort, als ich aus dem Haus nach draußen geeilt kam.

Ich fühlte mich noch zittrig. Adrenalin schoss durch meine Venen.

„Nichts", lautete meine knappe Antwort.

„Wie nichts?", fragte er deutlich irritiert nach.

„Nichts halt", murrte ich und wollte mit dieser Aktion so schnell wie möglich abschließen und so tun, als wären wir nie hier gewesen. Es war eine Scheißidee gewesen nach meinem Vater zu suchen. „Ich habe ihm nicht gesagt, wer ich bin und ich werde es ihm auch nicht sagen."

„Aber-:"

„Kein Aber, ich will jetzt einfach nur nach Hause."

Ich marschierte an Nils vorbei und hoffte, dass er mir folgen würde. Doch plötzlich ertönte eine Stimme, die mich zum Stillstand brachte.
„Johanna?"

Das war nicht die Stimme von Nils. Ich erstarrte und drehte mich nur ganz langsam um.

Ich ertrug den Anblick meines Vaters kaum. Er hätte mir ein so viel besseres Leben bieten können. Wenn er mich doch nur gewollt hätte.

Die Erkenntnis, dass er meinen Tod gewollt hatte, ehe ich richtig gelebt hatte, war bitter.

„Du hast deine Jacke vergessen", ließ er mich wissen.

Ich sah auf das Stück Jeansstoff. Mein Vater stand in der Tür des Hauses und hielt mir die Jacke entgegen. Er tat jedoch kein Schritt in meine Richtung und wartete darauf, dass ich auf ihn zukam. Nils sah mich derweil gebannt an.

Nur langsam näherte ich mich.

„Ich beiße nicht", schmunzelte mein Vater in sich hinein und verstand nicht in was für einem Gefühlschaos ich mich im Moment befand. .

Ich griff nach meiner Jacke und wollte sie ihm aus den Händen ziehen, doch plötzlich war da ein Widerstand. Er hielt die Jacke fest. Ich sah zu ihm auf und unsere Blicke trafen sich. Er hatte das ganz offensichtlich so geplant.

„Geht es dir gut?"

Es war absurd, dass er mich das fragte, nachdem er eigentlich gewollt hatte, dass ich gar nicht existierte.

„Ja", antwortete ich knapp.

Noch immer ließ er meine Jacke nicht los.
„Du wirkst nicht so. Warum bist du aus dem Behandlungsraum gerannt?"

Ich sah zu Boden. Das ging ihn gar nichts an. Ich musste mich hier vor niemanden rechtfertigen.

Für meinen Geschmack wurde er mir langsam aber sicher zu aufdringlich. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Dabei half es auch nicht, dass gleich zwei besorgte Blicke auf mir ruhten.

„Willst du nicht wieder mitreinkommen und mir erzählen, was dir auf dem Herzen liegt? Es hat doch einen Grund, dass du hergekommen bist. Es gibt nichts, wofür du dich schämen musst. Du weißt, dass ich als Arzt eine Schweigepflicht habe, oder?"

Natürlich wusste ich das. Ich war schließlich nicht blöd.

Ich schüttelte den Kopf.

„Wir können einfach nur reden. Ich sehe dir doch an, dass dir etwas auf dem Herzen liegt. Du bist doch nicht ohne Grund zum Arzt gekommen."

Plötzlich spürte ich, wie eine Hand meine Finger umschloss. Nils stand an meiner Seite und das tat unglaublich gut. Er war hier bei mir. Es beruhigte mich zumindest ein bisschen.

Mein Vater beobachtete Nils. Dann ging sein Blick wieder zu mir. Er sah so aus, als hätte er plötzlich eine Erkenntnis gewonnen.
„Bist du schwanger? Ist es das?", schoss es aus seinem Mund und ich sah ihm an, dass er der festen Überzeugung war, des Rätsels Lösung gefunden zu habe.

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