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Vor Wut und Frust hatte er sich laut fluchend an einigen Bäumen ausgetobt, hatte sie regelrecht zu Kleinholz verarbeitet. Doch nach einiger Zeit, als er sich vor Anstrengung kaum noch auf den Beinen halten konnte, hatte er einsehen müssen, dass es nichts bringen würde, den gesamten verdammten Wald abzuholzen.

Sein Blick schweifte über die Landschaft, auf die er von hier oben, auf einem der obersten Äste eines Baumes, einen guten Blick hatte. Ein kleiner See erstreckte sich vor ihm, umrandet von dem satten Grün des dichten Blätterwerks der Bäume, die sich so zahlreich um ihn gliederten. Die Sonne, die nun langsam im begriff war unterzugehen, sendete ihr oranges Licht über das sich kräuselnde Wasser.

Er seufzte einmal tief.

Kakuzu hatte recht, er wusste nicht wie es war, wenn er sich nicht auf seine Unsterblichkeit verlassen konnte. Auch wenn er diese Gabe nicht von Geburt an von Jashin-sama geschenkt bekommen hatte, konnte er sich dennoch nicht erinnern, wie es gewesen war, als normal sterblicher durchs Leben zu schreiten. Weder wie er sich dabei gefühlt hatte, noch ob er irgendwelche Ängste bezüglich seines Lebens verspürt hatte. Und wenn man bedachte, dass er selbst sich schon nicht mehr vorstellen konnte, sterblich zu sein, wie konnte er denn dann von Kakuzu erwarten, dass er das auf die Schnelle verarbeitete? Immerhin hatte dieser geschätzte 60 Jahre dieses Jutsu benutzt, sich daran gewöhnt und es schlussendlich als selbstverständlich angesehen.

Hidan konnte nicht verstehen, womöglich nur erahnen, was im Dunkelhaarigen vorging, was für ein Schock es für ihn sein musste.

Doch genau da lag das Problem. Er wollte ihn verstehen, er wollte wissen wie er sich fühlte. Wollte seine Ängste und Befürchtungen nachempfinden können, um dadurch helfen zu können ihn aus seinem depressiven Zustand herauszuholen, bevor er noch völlig daran zu Grunde ging.

Er entglitt ihm, distanzierte sich mehr und mehr von ihm, ignorierte ihn, gab ihm sogar die Schuld an seinem Dilemma. Verhielt sich wie ein verängstigtes Tier, welches man in die Ecke gedrängt hatte und dabei war sich nach und nach aufzugeben. Es lag ihm fern, das zu akzeptieren. Kakuzu war ihm in den Jahren, in denen sie gemeinsam ein Team gebildet hatten, wichtig geworden. Er hatte ihn und seine Eigenarten kennengelernt, ihn an seiner Seite akzeptiert, bis er ihn schließlich als Mensch und Meister anerkannt hatte. Irgendwo war er für ihn mit seiner Erfahrenheit und Stärke sogar auch ein wenig zu seinem Vorbild geworden. Und nun wollte er sich nicht mehr vorstellen, wie es wäre, würden sie getrennte Wege gehen.

Jahrelang war er einsam auf der Erde gewandelt, nichts hatte ihm etwas bedeutet. Nur für Jashin-sama hatte er gelebt, gemordet, hatte sich ihm mit Leib und Seele verschrieben. Doch nichtmal sein Gott hatte es vermocht, ihm das Gefühl zu geben, welches Kakuzu ihm gab.

Als die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, ihr Licht nur noch spärlich über die Baumwipfeln schien, trat er den Rückweg an. Es war bereits finstere Nacht, als er die Hütte erreichte. Im Inneren war alles wie gewohnt ruhig. Er wollte sich schon auf das miefende Sofa niederlassen, als ihm auffiel, dass die Tür zu dem einen Zimmer, die normalerweise verschlossen war, einen Spalt offen stand.

Eine üble Vorahnung schlich sich in sein Verstand, ließ ihn mit schnellen Schritten auf die Tür zugehen. Was, wenn sich Kakuzu während seiner Abwesenheit aus dem Staub gemacht hatte? So abwegig war es nicht, wenn man bedachte, dass er ihm nicht nur einmal klar gemacht hatte, dass er ihn nicht mehr um sich haben wollte.

Sein Herz schlug in einem wilden Takt gegen seine Brust, als er die Tür aufschob, nur um erleichtert festzustellen, dass Kakuzu wie gewohnt im Bett lag. Gemächlich schritt er auf diesen zu, welcher wie immer den Rücken zu ihm gewandt hatte. Die Matratze gab bei seinem Gewicht leicht nach, als er sich hinter den Älteren legte.

Nur die gleichmäßigen Atemgeräusche des Dunkelhaarigen waren zu vernehmen, als er einen Moment verharrte und auf den Rücken des Älteren blickte, welcher an dieser Stelle großflächig von dessen Oberteil frei lag. Wie vermutet zierten weder diese schwarzen Fäden, noch die vier Masken die gebräunte Haut. Er hob seine Hand, wollte sich eben selbst davon überzeugen, dass ihm seine Augen nicht bloß einen Streich spielten. Doch noch bevor er ihn berühren konnte, hörte er die tiefe Stimme Kakuzus.

«Warum bist du noch hier? Habe ich dir nicht mehrmals gesagt, dass du gehen sollst?» Der müde Tonfall ließ es nicht wie einen Vorwurf klingen, sondern wie eine einfache Frage.

«Ich werde bei dir bleiben, ganz gleich, wohin du nun gehen oder was du tun willst», war seine entschlossene Antwort, ehe er ein wenig näher an ihn heran rückte. Zögerlich legte er einen Arm um ihn und ließ seine Hand auf dessen Bauch zum ruhen kommen, was Kakuzu auch kommentarlos zuließ.

«...du wärst ohne mich besser dran.»

Bestärkt in der Annahme, dass Kakuzu ihn in seiner Nähe tolerierte, da er ihn keineswegs von sich gestoßen hatte, lehnte er nun leicht seine Wange gegen den braungebrannten Nacken.

«Ich bleibe», sagte er nun etwas leiser, jedoch nicht weniger überzeugend. Langsam schloss er seine Augen, um die Wärme, die der Körper vor ihm ausstrahlte und das Gefühl, welches der Ältere ihm gab, indem dieser zuließ ihm nahe zu sein, besser geniessen zu können.

«Du hast gesagt, dass ich daran schuld bin... wie hast du das gemeint?» Stellte er die Frage, auf dessen Antwort er schon lange brannte. Gespannt wartete er auf Kakuzus Äusserung, doch dieser blieb stumm. Lediglich als der Ältere leicht seinen Kopf bewegte, um wohl eine angenehmere Position zu finden, bestätigte ihn, dass dieser noch wach war und seine Frage gehört haben musste.

Er hatte schon nicht mehr mit einer Antwort gerechnet, als der Dunkelhaarige nun doch noch zu einer Erwiderung ansetzte.

«Als ich mich entscheiden musste, ob ich sterben oder weiterleben wollte, war mir von vornherein klar, dass ich mich mit dem Tod abfinden würde. Und doch konnte ich nicht aufhören an dich zu denken... ich habe daran gedacht, dass du sicherlich mal wieder überstürzt in den Kampf gerannt bist und schlussendlich irgendwo zerstückelt am Boden liegen würdest. Wer würde dich zusammenflicken, wenn ich nicht mehr da war? Wer würde dich vor deiner Einfältigkeit bewahren, wenn nicht ich? Und obwohl ich mich entschieden hatte zu sterben, hatten meine Gedanken wohl genügt, um mich zurückkehren zu lassen.»

Schweigend hatte Hidan den Worten gelauscht, während er spürte, wie sich ein warmes Gefühl, welches er bisher nicht gekannt hatte, in seinem Inneren breit machte... war das Glück? Sanft wurde über seine Hand gestrichen, welche noch immer auf dem Bauch des Älteren lag. Er öffnete einen Spalt breit seine Augen, sah das fahle Mondlicht wie es durch das kleine Fenster ins Zimmer schien und sich ein seichtes Lächeln auf seine Lippen legte... welches jedoch schon im nächsten Moment erstarb, als er spürte, wie seine Hand, welche zuvor noch sanfte Berührungen erfahren hatte, nun hart und fest umfasst wurde. Er zuckte zusammen und konnte nur schwer einen Klagelaut unterdrücken, da seine Fingerknöchel schmerzhaft gequetscht wurden.

«Deshalb bist du schuld daran, dass ich nun unter diesen Umständen weiterleben muss, du hast mich zu diesem Leben verdammt», hörte er die vor Wut zitternde Stimme des Älteren, als dieser daraufhin seinen Arm von sich löste und ihn nach hinten schlug. «...und dafür hasse ich dich.»

Wie erstarrt lag der Silberhaarige da, versuchend, die harten Worte, die sich so unnachgiebig in sein Herz fressen wollten, nicht zu sehr an sich ranzulassen. Doch all seine Mühen waren vergebens...

Doch noch mehr schmerzte es zu sehen, dass Kakuzus jetziges Dasein diesen so sehr quälte, dass er sich gezwungen fühlte, sich solcher Worte zu bemächtigen.


Kannst du die Stimme hören, die leise wispert? Kannst du hören wie sie einen mit ihren melodischen Klängen ins Licht führt, auch wenn einen die Finsternis noch so sehr zu verschlucken droht? Kannst du die Worte hören die sie formt, welche einen dazu verleiten die Hoffnung nicht aufzugeben, als bestünden keine Zweifel, dass man sein Ziel nicht erreichen wird? 

Ich weiß, irgendwann wirst du es.

...und bis es soweit ist, werde ich warten.

I'll be waitingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt