Die Psychose - Sonntag

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"Ich bin mir nicht ganz sicher, warum ich dies auf Papier schreibe und nicht auf dem Rechner. Ich schätze, das liegt an all den merkwürdigen Dingen,
die mir aufgefallen sind.
Es ist nicht so, dass ich dem Rechner nicht vertraue, ich muss nur meine Gedanken irgendwie sortieren. Ich brauche irgendetwas Objektives, auf dem ich sie aufschreiben kann,
etwas, das man nicht so leicht löschen kann … oder ändern …
nicht, dass so etwas passiert wäre. Es ist nur … alles verschwimmt irgendwie und in der Erinnerung sieht es umso komischer aus.

Langsam wird's mir zu eng in dieser kleinen Wohnung. Vielleicht ist dass das Problem. Ich musste ja auch einfach losgehen und die kleinste Wohnung suchen, die einzige im Keller. Sie hat noch nicht mal Fenster, weswegen hier drin Tag und Nacht nahtlos ineinander übergehen.
Ich bin schon seit ein paar Tagen nicht mehr draußen gewesen, weil ich sehr in ein Programmierprojekt vertieft war. Es sollte wohl einfach fertig werden.
Stundenlang dazusitzen und einen Monitor anzuglotzen hinterlassen sicher bei jedem Menschen Spuren, aber ich glaube nicht, dass es daran liegt.

Ich weiß nicht, wann es das erste Mal war, als ich glaubte, dass irgendwas nicht stimmte, und ich kann nicht einmal sagen was. Vielleicht dass ich mich seit einer Weile mit niemandem mehr unterhalten habe. Das war das Erste, was mir aufgefallen ist:
Alle Leute, mit denen ich normalerweise nebenher online chatte, sind mir als abwesend angezeigt worden, einige waren noch nicht mal angemeldet. Meine Nachrichten wurden nicht beantwortet.
Die letzte E-Mail, die ich bekommen habe, war von einem Kumpel, der geschrieben hat, dass er sich melden werde, sobald er vom Einkaufen zurück sei...
Das war gestern...
Ich könnte auch telefonieren, aber der Handyempfang ist grottig hier unten. Ich werd mal rausgehen.

Das ist grad nicht so gut gegangen. Jetzt, wo sich meine Angst legt, kommt es mir recht merkwürdig vor, dass ich überhaupt Angst hatte. Ich habe in den Spiegel geschaut, bevor ich nach draußen gegangen bin;
ein netter Zweitagebart, aber den wollte ich mir nicht gleich abrasieren, das sollte ja nur ein kurzer Telefonanruf werden.

Mein T-Shirt hab ich allerdings gewechselt, denn es war Mittagszeit und ich rechnete damit, dass ich mindestens eine bekannte Person treffen würde. Das ist leider nicht passiert.

Als ich meine Wohnung verließ, öffnete ich die Tür langsam.
Ich war recht angespannt,
wusste aber nicht, wieso.
Ich schob es darauf, dass ich schon seit zwei Tagen mit niemandem außer mir selbst geredet hatte. Ich schlich den schmuddeligen, betongrauen Kellerflur entlang.
Am Ende war eine große Metalltür, die in den Heizraum führte und selbstverständlich abgeschlossen war.
Daneben standen zwei Getränkeautomaten. Bei einem habe ich mir an meinem ersten Tag hier eine Cola gekauft, allerdings war sie an diesem Tag schon seit zwei Jahren abgelaufen.
Ich vermute, dass die anderen Bewohner des Hauses von diesen Automaten nichts wissen oder dass sich meine Vermieterin einfach nicht ums Nachfüllen schert.

Ich schloss vorsichtig meine Tür und ging in die andere Richtung, dabei passte ich auf, keine Geräusche zu machen.
Ich habe keine Ahnung, warum, aber ich wollte einfach nicht das monotone Summen der Automaten stören, zumindest nicht in diesem Moment. Ich erreichte die Treppe und stieg hinauf zur Haustür. Als ich durch das kleine, quadratische Fenster der Tür sah, traf mich der Schlag:

Es war definitiv nicht Mittag.
Die Lichter der Stadt glimmten über den dunklen Straßen und den dunklen Wolken am Himmel entgegen und die Ampeln an der Kreuzung blinkten gelb. Abgesehen von den Bäumen am Straßenrand, die sich im Wind wogten, bewegte sich draußen nichts. Ich fröstelte, obwohl mir nicht wirklich kalt war.
Vielleicht war es der Wind, ich konnte ihn leise durch die schwere, metallene Haustür hören. Das war einer dieser Nachtwinde, kalt und nur durch das Rauschen der Blätter zu hören, durch die sie fahren.

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