Jack O'Lantern

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Das große Messer drang in den Kopf ein, wie in Butter.
Nur noch das rechte Auge fehlte. Drei Schnitte und er war fertig. Jack betrachtete sein Kunstwerk: Die Kürbislaterne war gut geworden. Er stellte den ausgehöhlten Kürbis auf die Veranda, versah ihn mit einem brennenden Teelicht und beobachtete wie das rötliche Licht aus den Augen und dem weit geöffneten Mund herausfloss und auf seiner Haustür das verzerrte, schattenhafte Gesicht des Kürbis erschien. Jack lebte nun seit einem knappen Jahr in dem kleinen Vorstadthaus.
Die Vorbesitzer hatten die Wohnung in einem sehr guten Zustand hinterlassen und Jack gefiel es hier.

Er mochte Halloween.
Zwar hielt er nicht viel von den billigen Streichen, allerdings gefiel ihm die makabre Atmosphäre. Der Kürbis grinste diabolisch. Jack wandte sich ab und ging ins Haus, um sich zu kostümieren und die Süßigkeiten vorzubereiten. Im Wohnzimmer stand schon die Schale bereit und er machte sich an die Arbeit.
Als er fertig war, starrte er aus dem Fenster auf das Feld, welches sich an der Hinterseite des Hauses auftat.
Dort stand, wie immer, die Vogelscheuche zwischen den hohen Maispflanzen, 20 oder 30 Meter von dem Gebäude entfernt. Wie immer starrte sie genau in seine Richtung, durch das Wohnzimmerfenster.
Dort stand sie, sein ewiger Nachbar.

Eigentlich machte die Fratze Jack nichts aus, auch wenn das Grinsen abnormal breit und die Augen geradezu bösartig erschienen.
Doch heute sah sie anders aus. Auf eine unheimliche Art und Weise, verändert, als wüsste sie, dass er sie durchs Fenster hindurch anstarrte.
Und sie starrte zurück...
Ein kalter Schauer kroch Jack über den Rücken. Da klingelte es auch schon an der Tür und er riss sich von dem grässlichen Anblick los. Jack holte die Schale aus dem Wohnzimmer, bediente die Kinder und stellte die Leckereien wieder zurück. Als er am Fenster vorbei ging, ließ ihn etwas stutzen. Er trat einen Schritt zurück und spähte durch die Scheibe nach draußen auf das dämmrige Feld. Etwas verwirrte ihn, allerdings konnte er nicht genau sagen was.
Die Vogelscheuche!

Sie war näher gekommen, keine 10 Meter mehr vom Haus entfernt, stand sie, immernoch mit ihrem kranken Grinsen im Gesicht. Im schwächer werdenden Licht sah ihr knolliger Schädel noch hässlicher aus als sonst. Verdammte Gören!
Jack hasste diese Art von Halloweenstreichen.
Er wunderte sich als er merkte, dass er eine Gänsehaut bekam. Elendes Teil!
Er schüttelte den Kopf und zog die Vorhänge zu.
Es klingelte erneut.
Jack ignorierte das mulmige Gefühl, griff sich die Süßigkeitenschale und ging zur Tür.

Er öffnete, in Erwartung auf das typische „Süßes-oder-Saures“, doch die Veranda war leer.
Er schaute sich irritiert um, doch da war niemand.
Seine Nackenhaare stellten
sich auf und es durchzuckte ihn eiskalt. Hatte er da nicht gerade ein leises, hämisches Kichern gehört?
Er entdeckte allerdings keine Menschenseele. Er ging zurück ins Haus. Wahrscheinlich waren es diese kleinen Bälger gewesen. Doch schon nach wenigen Sekunden klingelte es wieder.
Der Klingelstreich war mit Abstand das nervtötendste Ritual an Halloween!
Wütend riss er die Tür auf.
Wieder stand dort niemand, nur die Kürbislaterne lag auf der Schwelle, böse und hinterhältig grinsend. Seufzend stellte er den Kürbis zurück und sah sich nochmals um.
Die Kinder von heute wurden auch immer hartnäckiger!
Jack knallte die Tür zu und stellte die Schale wieder auf den Tisch.

Plötzlich zuckte er zusammen. Die Vogelscheuche war wieder näher gekommen und stand nur noch etwa 5 Meter von seinem Haus entfernt. Und was Jack noch viel mehr verängstigte, war die Tatsache, dass die Vorhänge wieder geöffnet waren!
Das Unbehagen in ihm wurde größer. Er setzte sich in den Sessel neben dem Fenster, um etwas abzuschalten.

Er schloss die Augen.
Nur fünf Minuten. Da pochte etwas dumpf gegen die Scheibe! Jack fuhr hoch und drehte den Kopf, als ihn der Schlag traf:
Die Vogelscheuche stand direkt vor seinem Fenster!
Zu Tode erschrocken fiel Jack aus dem Sessel.
Keuchend rappelte er sich auf. Das war ein Streich zu viel gewesen!
Widerliches Drecksteil!
Er nahm sich ein Feuerzeug und ging zur Tür. Er riss sie auf und wollte hinausgehen.
Doch er wurde bereits erwartet.

Jack war wie gelähmt. Dort stand sie, mit ihrem scheußlichen Grinsen und den grausamen, kalten Augen!
Die Scheuche öffnete ihren Mund und brach in wahnsinniges Gelächter aus.
Dann stach sie zu...

Das große Messer drang in seinen Kopf ein, wie in Butter.
Nur noch das rechte Auge fehlte. Drei Schnitte und sie war fertig. Die Vogelscheuche betrachtete ihr Kunstwerk:
Jack’s ausgehöhlter Kopf, die leeren Augenhöhlen und den offenen, zu einem Schrei verzogenen Mund.
Dunkelrot tropfte es aus der zerstörten Mundhöhle.
Die Vogelscheuche lachte gackernd, griff hinein und riss mit einem schmatzenden Geräusch die schlaffe Zunge heraus.
Sie warf das tote Fleisch achtlos hinter sich, wie jedes Jahr.

„Nur noch ein glühendes Stück Kohle fehlt, was Jack O.?“ lachte die Vogelscheuche.

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