Halloween

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Ding Dong

„Süßes oder Saures!“

Klingt es durch das alte Haus an der Mason Street.
Es war Halloween.
Halloween in Amerika. Unter normalen Umständen hätten die Masons das vielleicht mehr gefeiert. Vielleicht hätten sie eine aufwendigere Dekoration mit künstlerisch gestalteten Kürbissen, gruseligen Geistergirlanden und mit ein paar Pappfiguren veranstaltet. Aber dieses Halloween nicht.

Jack wusste nicht direkt, was er falsch gemacht hatte. Vielleicht hatte er seine Frau Alice zu sehr mit seinem Kinderwunsch bedrängt. Wahrscheinlich war es das. Alice mochte Kinder schon immer sehr, sie liebte es auf die Kinder ihrer Großcousine aufzupassen. Aber… sie wusste nicht ob sie für ein eigenes Baby bereit war.

Auf jeden Fall ignorierte Alice Jack nun schon eine ganze Weile. Manchmal behandelte sie ihn, als wäre er nicht da. Jack wurde dann oft wütend. Einmal hatte er das Bild von ihr und ihm auf den Boden geworfen, so dass der Bilderrahmen in tausend kleine Teile zerbrach. Er wusste noch, wie sie darauf vollkommen verängstigt vor ihm die großen Scherben aufgesammelt hatte, mit Tränen in den Augen.
In dem Moment verflog Jacks unglaubliche Wut und er empfand nur noch bittere Schuldgefühle und tiefstes Mitleid. Er wollte sie umarmen, sie trösten, doch sie drehte sich von ihm weg und verließ den Raum. Seit dem wurde es nicht besser. Sie wurde immer kälter zu ihm, so oft er sich auch
für sein Temperament entschuldigte. Aber er liebte sie. Er wollte sie nicht verlassen und er hoffte nur, dass sie immer noch das Gleiche für ihn empfand.

Während ihm all diese Gedanken durch den Kopf gingen, starrte er auf die mit Süßigkeiten gefüllte Plastikschüssel. Sie war wahrscheinlich aus irgendeinem Billigladen gekauft, doch hatte sie in dieser Situation etwas Faszinierendes an sich. Jack fiel erst aus seiner Starre, als Alice sich an ihm vorbei drängte um die Schüssel zu greifen. Ihr blondes Haar roch nach Kokos und war unter einem leicht kitschigen, aber dennoch irgendwie charmanten Hexenhut versteckt. Er blieb weiter stehen, doch sein Augenmerkmal lag nun auf seine Freundin, die er so sehr liebte und doch momentan für ihre Kälte so verabscheute.

„Es tut mir Leid.“, flüsterte er. Keine Reaktion, sie drängte sich wieder an ihm vorbei, ging zur Tür und begrüßte die Kinder.

Er folgte ihr, schaute zu, wie sie die Schokoriegel, Bonbons und die anderen Süßigkeiten an die kleinen „Monster“ verteilte. Sie war immer ein geduldiger Mensch gewesen. Warum konnte sie nur so gütig zu den Kindern und nicht zu ihm sein?

Die Kinder gingen wieder weiter, setzten ihren Streifezug durch die Nachbarstraßen fort. Alice schaute ihnen noch eine kurze Weile nach und Jack legte seine Hand auf ihre Schulter. Als sie das bemerkte drehte sie sich hastig um und starrte ihn an. Keiner von ihnen sagte auch nur ein Wort. Jack blickte noch ein Moment in ihre meerblauen Augen, bevor er sie sanft auf ihre mit schwarzem Lippenstift geschminkten Lippen küsste. Für einen Moment schien es, als ob die Wärme sie beide wieder eingeholt hätte, als ob es den ganzen Streit nie gegeben hätte.

Dann klingelte es wieder an der Tür.

„Süßes oder Saures.“, ertönte es gedämpft.

Sie starrte ihn für einen Moment weiter an. „Kümmere dich nur um die Kinder.“, seufzte Jack.

Wieder öffnete sie die Tür, wurde von einem kleinen Frankenstein, zwei Geister und drei Hexen begrüßt. Die zwei Eltern standen ein paar Meter weiter weg und redeten miteinander über alltägliche Elterndinge, wie Jack wohl annahm.

Die nächste Stunde verlief recht gut im Vergleich zu den letzten Tagen. Alice und Jack schauten zusammen einen Film.
Nichts Spektakuläres, ein typischer Halloweenfilm nun mal, der eine komische Mischung aus Komödie, Horror und Liebesgeschichte darstellt.

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