6 Ben

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Was hatte sie geglaubt, würde ich tun, als ich sie wieder ins Bett verfrachtet hatte?
Ich betrachtete die nun schlafende Ganesha.
Sie hatte doch wohl nicht geglaubt, ich würde sie vergewaltigen wollen?
Allerdings hatte es stark danach ausgesehen.
Das komischste daran war aber, das sie plötzlich aufgehört hatte, sich zu wehren.
Als hätte sie aufgegeben.
Ich beschloss, die auf dem Teppich schlafen zu lassen, und holte ihr eine Decke.

Was sollte ich jetzt unternehmen?
Ich wollte nicht über sie nachdenken. Über Frauen sollte man nicht zu viel nachdenken, bringt eh nichts.

Die Wohnungstür wurde aufgerissen. Tim. Den hatte ich ganz vergessen. Das kahm jetzt ziemlich ungelegen. Aber er hatte schon immer ein Talent dafür gehabt, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.

"Heeeeey" brüllte er, und kam Grinsend auf mich zugestürmt. "Hey" brummte ich. Er schlug mir kräftig auf die Schulter "Was ziehst du für ein Gesicht, Kumpel? Habe ich dich bei etwas unterbrochen?" Er wackelte vielsagend mit den Augenbrauen und riss meine Zimmertür auf.

Ungläubig schaute er auf die schlafende Ganesha runter. Sie sah friedlich aus, wenn sie schlief. "Was hast du denn mit der gemacht, dass sie mitten am Tag schlafen muss? Und warum ist ihr Gesicht so verkratzt? Und vorallem, warum liegt sie auf dem Boden?"
Ich zog ihn aus dem Zimmer.
"Sei still sonst weckst du sie auf" fuhr ich ihn an.
Kurz sah er nachdenklich aus, aber dann grinste er wieder.
"War es gut?"
"Halt die Klappe" knurrte ich und marschierte an ihm vorbei in die Küche.
So musste ich wenigstens nicht selber etwas erfinden.

Ich hatte ihn eindeutig nicht vermisst.

Er laberte mich die nächsten paar Stunden darüber voll, wie cool sein Trip gewesen seie, wo sie überall gewesen waren, wieviel Gras er geraucht, und wieviele Typen er im Bett gehabt hatte.

Das gemeine war, ich konnte nirgendwo hin flüchten. Ich konnte nicht ewig auf der Toilette bleiben, und ich wollte nicht in mein Zimmer, irgendwie hatte ich Angst, dass wieder so etwas wie vorher passieren würde.

Es kam mir also sehr gelegen, als ich hörte wie Ganesha aus meinem Zimmer kam. Das hiess, ihr ging es wieder gut genug, dass sie selber laufen konnte. Ich hoffte, sie konnte auch wieder klar denken.

"Übrigens" unterbrach ich Tim mitten in einer Eskapade über den Bus, mit dem sie herumgefahren waren, "deine Theorie vorhin war falsch, also komm bloss nicht auf die Idee, sie darauf anzusprechen"

Sie kam auf wackligen Beinen in die Küche gestackst. Zuerst warf sie Tim nur einen kurzen blick zu, aber als sie sich ein Glas Orangensaft eingeschenkt hatte, musterte sie ihn genauer. Sie sah nicht aus, als ob ihr gefallen würde, was sie sah.

"Ist es, weil ich schwul bin?" fragte Tim, dieser Idiot, völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Woher sollte sie wissen, dass er schwul war? Seine ewigen verallgemeinerungen gingen mir auf den Wecker.
"Deine sexuelle Orientierung interessiert mich nicht im Geringsten" gab sie zur Antwort.

Ich hatte sie schon vorher nicht schlecht gefunden, aber jetzt war sie mir richtig symphatisch.

Mein Leben, Mein TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt