Kapitel 4

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,,Ich heiße Lana. Wie heißt du? ",fragte ich. ,,Janina ",antwortete sie.,,Willst du mir erzählen, was passiert ist? ",fragte ich vorsichtig. Sie holte tief Luft und begann zu erzählen. Es war eine wirklich traurige Geschichte. Ihr letzter Satz ging sogar unter ihren Tränen und schluchztern unter. Das rüttelte meinen Mutterinstinkt wach. Ich schloss sie in meine Arme und streichelte ruhig über ihren Rücken und Kopf. ,,Alles wird gut ",sagte ich leise und immer wieder zu ihr. Als sie sich wieder beruhigt hatte fragte ich sie nach ihrem Alter. Ich schätzte sie auf 16. In Wirklichkeit war sie 15. So jung und trotzdem schon so ein Erlebnis....
Grauenhaft. Auch wenn meine Eltern selber nicht mehr die jüngsten waren, konnte ich mir trotzdem nicht vorstellen wie es wäre einen von ihnen zu verlieren . Der Tod ist schrecklich und so hoffte ich, dass die Familie von Janina ihre Verletzungen überstand.

Drei Stunden saß ich mit Janina im Wartebereich. Kein Wort verließ ihre Lippen und ihr Blicke huschte immer wieder zur Uhr, die an der Wand hang und Minuten wie Jahre vergehen ließ. Auch wenn sie nichts sagte, konnte man in ihrem Gesicht stets die Worte ,,Warum dauert das solange ? Gibt es Komplikationen? Sind sie vielleicht schon tot?" lesen.Wenig später kam eine Ärztin auf uns zu. Sie hatte einen entschuldigenden Blick aufgesetzt und ich ahnte nur, was sie sagen würde. ,,Dein Bruder hat es leider nicht geschafft. Wir haben alles , in unserer Macht stehende getan aber die Kugel war bereits gewandert und hat zuviel zerstört . Es tut mir leid ",sagte sie, legte dem Mädchen ihre Hand auf die Schulter, verweilte einen kurzen Moment und ging wieder. Janina fing wieder an zu weinen. Ihre braunen Augen waren rot und ihr braunes Haar klebte in ihrem Gesicht. Es schien als spiegel ihr Gesicht ihre innerliche Zerstörung. Ich nahm sie wieder in der Arm und hoffte so sehr, dass mindestens einer ihrer Eltern überlebte. Es vergingen fast zwei Stunden, in der Janina sich wieder erholte, nur um dann zu erfahren, dass auch ihre Mutter es nicht überstanden hatte. Als ich Janina wieder über den Rücken streichelte fragte ich mich , ob sie sich jeh von diesem Tag erholen könnte. Ich betete, dass wenigstens ihr Vater es überlebt hatte. Es vergingen zwei weitere Stunden und die Ungewissheit, was mit Janina Vater war,machte nicht nur ihr zu schaffen. Schließlich kam eine Ärztin, die uns mitteilte, dass ihr Vater es geschafft hätte. Er war stark geschwächt und befand sich auf der Intensivstation. Gemeinsam gingen wir dort hin.Auch wenn sich heute soviel Trauer dieses Mädchen ermächtigt hatte, so hegte sie noch Hoffnung .Janina nahm die Hand ihres Vaters und sagte ihm alles , was ihr auf der Seele brannte und geschehen war. Ich war mir unsicher, ob ich nciht viellleicht hätte draußen verweilen hätte sollen, doch meine Entscheidung sollte sich noch als garnicht so falsch entpuppen...

Ich war froh , dass wenigstens er überlebt hatte . Doch das Schicksal schien es nicht gut mit Janina gemeint zu haben. Denn kaum hatte sie ihm alles gesagt, sagte ihr Vater stark geschwächt und kaum hörbar:,,Janina, ich liebe dich und deine Mutter tat es mir gleich. Vergiss das nie". Als wäre es ein Stichwort gewesen,begann der Monitor, der die Herztöne aufzeichnete, still zu stehen. Augenblicklich betätigte die Schwester im Beobachtungszimmer einige Knöpfe und stürmte mit Ärtzten und Helfern in das Zimmer zu meinem Vater. Die Ärzte versuchten ihn wiederzubeleben, doch vergebens. Um punkt 7.20pm verstarb ihr Vater an Herzversagen. Es war wie ein schlechter Scherz doch es war real. Zum vierten Mal an diesem Tag nahm ich Janina in den Arm und versuchte sie zu trösten.

Janina pov:

Ich fühlte mich begraben unter meinen Gefühlen. Der ganze Schmerz schnürte mir die Luft ab und ich hatte das Gefühl zu ersticken. Die Wut und der Zorn, den ich gegen die Ärzte hegte, entkraftete mich. Schuldgefühle nagten an mir und machten mich verrückt. Ich fragte mich , wie mein Nervensystem noch stand halten konnte und nicht zusammenbrach. Die Tränen flossen ununterbrochen über mein Gesicht. Ein Teil von mir wollte sich plötzlich von mir losreißen,während der andere nur in Leid zu versinken drohte. ,,Äschern Sie sie ein. Alle zusammen in eine Box", sagte ich mit fester Stimme. Ich war selbst darüber überrascht. Der versinkende Teil war entsetzt. Er wollte seine Familie nicht einfach einäschern, er wollte ihren Anblick solange wie möglich erhalten. Der andere Teil wollte die Asche seiner Familie so schnell wie möglich, um abschließen zu können. Eine Stunde kämpfte ich gegen mich selbst . Weitermachen oder nicht? Am ende gewann der Teil in mir, der weitermachen wollte. Trotz meiner Entschlossenheit konnte ich den anderen Teil nicht ganz auslöschen . So ging ich mit unsicheren Schritten zur Rezeption. Dort übergab mir eine Angestellte eine Tüte mit drei Dosen . Lana hatte mich begleitet. Sie sah mich mitleidig und zugleich misstrauisch an. ,, Es ist schon spät...",begann ich und wandte mich an sie, ,,Kann ich heute Nacht bei dir schlafen?" Sie nickte. Ohne zu reden gingen wir zum Auto und fuhren zu ihrem Haus. Sie öffnete die Haustür. Wir betraten den Eingangsbereich. Erst jetzt bemerkte ich wie hungrig ich eigentlich war. Ich zog meine Schuhe aus und stellte sie auf eine dafür vorgesehene Matte.,,Kann ich was essen?", fragte ich schüchtern.,, Natürlich", erwiderte Lana freundlich und lächelte mich an. Neugierig folgte ich ihr, bis wir die Küche erreichten. ,,Was möchtest du essen? Joghurt? Brot ? Müsli?", fragte Lana und öffnete einen großen Kühlschrank. ,,Joghurt.",antwortete ich . Im Radio lief leise ,,Take me home" . Dieses Lied hatte es mir von Anfang an angetan . Es ließ das Dopamin nur so durch meinen Körper strömen, ebenso wie es das Adrenalin einige Stunden zuvor getan hatte. Für einen Moment vergaß ich alles Vergangene und lauschte einfach nur der Musik. Ich befand mich für einen Moment in einer glücklichen Welt, in der mich nichts erschüttern konnte. Doch genauso schnell , wie ich die Welt betreten hatte, verließ ich sie wieder, als Lana zu mir sprach: ,,Erdbeer oder Pfirsich-Maracuja?" Es war wie eine Seifenblase , die platzte. ,,Hm? Was?", fragte ich perplex. Lana wiederholte die Frage . Ich entschied mich für Pfirsich-Maracuja. Auch Lana hatte hunger und nahm sich einen Erddbeer Joghurt. Sie holte noch zwei Löffel und stellte dann alles auf eine Kücheninsel , vor der fünf Barstühle standen. Schweigend setzte ich mich auf einen der Stühle und aß meinen Joghurt. ,,Um halb neun gibts Abendessen...",sagte Lana nebenbei. Ich nickte , um zu zeigen, dass ich es zur Kentniss genommen hatte. ,,Glaubst du , sie sind weg?", fragte ich unsicher. Sie schaute fragend in meine Augen. ,,Die... die... die dunkel gekleideten Männer...", ein Klos bildete sich in meinem Hals und ein dunkler Schatten legte sich über meine Gefühle. ,,Ich weiß nicht... Aber ich denke schon... Wieso?", antwortete Lana und aß den letzten Löffel aus ihrem Becher. Ich starrte in meinen leeren Becher und antwortete mehr an mich selbst gerichtet, als an Lana:,, Meine Kleidung... , mein Koffer... , es ist alles noch da. Genau wie wahrscheinlich etliche Leichen..." Den letzen Teil murmelte ich nur noch, sodass nur ich es verstand und fügte in Gedanken ,,wo ich jetzt am liebsten auch wäre" hinzu.

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