12. Der Vorletzte

296 19 7
                                    

Hallo meine Lieben, es gibt ein neues Kapitel. Viel Spaß dabei <3

-----

"Sie hat ihn mir vor Monaten schon geschickt. Lies ihn ganz in Ruhe, das musst du nicht jetzt gleich machen", meint Hilde, streichelt mir kurz über den Rücken, mein Herz ist unendlich schwer und ich wünsche mir, ich könnte vor diesem Brief flüchten. Ich kann das nicht mehr. Diese Erinnerungen kosten zu viel Kraft. Tränen sammeln sich in meinen Augen und ich hadere mit mir, weil jeder sehen kann, wie sehr meine Hand zittert, als ich den Brief vom Tisch nehme. Da spüre ich Marcos Hand auf meiner, die auf meinem Oberschnekel liegt. Er streicht zärtlich über meinen Handrücken, in seinen Augen steht eine ungewohnte Wärme. Lange hat mich keiner mehr so angesehen. So als könnte er verstehen, was ich fühle, wie sehr ich leide. Kein einziges Wort verlässt seine Lippen, was diesen Moment nur noch angenehmer macht für mich, mein Herz.

Hilde verlässt die Küche, sagt nichts dazu, ich hätte es aber vermutlich eh nicht mitbekommen. Ich hänge wie paralysiert an Marcos Augen und frage mich, wieso ich erst Josie verlieren musste, um ihm zu begegnen. Denn irgendwie fühlt es sich besonders an. Weshalb diese Emotion ausgerechnet jetzt zu meinem geschundenen Herzen vordringt, bleibt mir verborgen. Eigentlich will ich es auch nicht hinterfragen. Marcos Hand, seine Berührung sorgt dafür, dass ich sitzen bleibe, nicht davonlaufe und nicht verzweifelt in Tränen ausbreche. Die Trauer zerrt zwar wie verrückt an meinem Herz, überspannt die Fasern beinah - doch Marco lässt mich stark genug sein, es auszuhalten.

"Ich lese ihn draußen", flüstere ich und erhebe mich. Marco bleibt sitzen, schaut mir hinterher. Es tut gut, dass ich ihm nicht erklären muss, dass ich einen Augenblick für mich allein benötige. Nur einen kurzen, in dem ich Josies Worte lesen werde. Seufzend trete ich durch die Hintertür, in Hildes üppigen Garten hinaus. Es ist ebenso schön wie früher. Tausende von Blumen, die Luft wird geschwängert von ihrem süßlichen Duft und rufen Erinnerungen wach. Erinnerungen an gute Zeiten. An die Zeiten, in denen Josie und ich hier so glücklich waren. Auch die Hollywoodschaukel steht noch da, wo ich es erwarte. Selbst die Kissenbezüge sind die selben wie damals. Mit einem mulmigen Gefühl setze ich mich, wippe vorsichtig hin und her. Mit klammen Fingern ziehe ich das dicke Briefpapier aus dem Umschlag. Dieses Mal ist es nur eine einzige Seite und es sind nur wenige Zeilen. Den Atem anhaltend lese ich, was Josie mir geschrieben hat.

"Liebste Summer,

dies ist die vorletzte Station, der vorletzte Brief, den ich für dich geschrieben habe. Einen letzten gibt es noch, du wirst ihn finden, wenn du ihn am Meisten brauchen wirst. Woher ich wusste, dass du zu Hilde fahren wirst? Weil ich es auch getan hätte. Wir waren unzertrennlich, unsere Herzen, unsere Seelen waren eins und ich werde mich nach meiner starken Summer sehnen, mich danach verzehren, dein Lachen wieder zu hören, das Glitzern in deinen Augen erspähen zu können, wenn du das Meer vor dir siehst.

Das Meer und wir. Eine mächtige und ebenso zärtliche Verbindung. Geh an den Strand, spüre den weißen Sand unter deinen nackten Füßen, wärme deine Haut in der Sonne und lass deine Seele frei, lass sie fliegen, in die Höhe steigen und mit den Möwen tanzen. Befreie dich aus deinem Käfig, den du dir geschaffen hast. Auch wenn ich nicht mehr bei dir sein kann, so lebe für uns beide weiter, bitte.

Schlägt dein Herz wieder etwas leichter? Hast du vielleicht schon den Menschen getroffen, der dich von der Trauer heilen kann, der dich wieder frei atmen lässt? Es ist das Einzige, was ich mir für dich wünsche. Ich muss dich verlassen, kann es nicht mehr erleben, aber ich bete dafür, dass du lieben wirst. Dass du nicht an der Trauer um mich alles andere aufgibst und nicht hinsiehst.

Vergiss bitte nie, frei wie ein Vogel, das wollten wir sein. Sei frei, sei du selbst und habe keine Angst. Wir bleiben zusammen, ich bin immer bei dir. Für immer und ewig.

In Liebe,

deine Josie"

Nun bahnen sich doch große Tränen ihen Weg über meine Wangen, ich kann sie nicht aufhalten. heftig reißt der Schmerz an mir, der Schmerz um den Verlust meiner besten Freundin. Mit einem leisen Quietschen wird die Hintertür aufgestoßen, Marco tritt in den Garten, weicht aber sofort erschrocken wieder zurück. "Oh, entschuldige. Ich gehe wieder", sagt er schnell. Schnell schüttle ich den Kopf. "Nein, bleib ruhig hier." Es auszusprechen, fühlt sich besser an als erwartet. "Darf ich?", fragt er und deutet auf den freien Platz neben mir. "Klar", murmle ich, breite Josies Brief auf meinem Schoß aus. "Alles klar bei dir?", will er sanft wissen, ich weiß es aber nicht so genau. Deshalb schweige ich und schaue auf das Blumenmeer vor mir.

"Du musst mit mir darüber nicht sprechen, wenn du nicht willst - aber du könntest, wenn du es möchtest", erklärt er mir und ich hebe den Blick, sehe ihm direkt in die Augen. Wieder streicht er mt dem Daumen über meine Wangen, wischt sie trocken. "Danke", flüstere ich, möchte meinen Blick nicht abwenden, ich bin gefesselt von dem, was ich sehe und will mich nicht fragen, ob ich mir das gestatte. Lieber denke ich daran, dass Josie sich darüber gefreut hätte. Das beruhigt mich und so verliere ich mich gern in Marcos grünbraunen Augen, die warmherzig funkeln und es scheint, als würde Marco in meinem kaputten Herzen seinen eigenen kleinen Platz finden und es damit ein Stück weit wieder zusammensetzen.

-----

Ein wenig Gefühl und Seelenfrieden zum Ende der Woche... Das brauchen wir doch alle, nicht wahr?

Josies Briefe quälen und heilen Summer gleichzeitig, doch dass Marco bei ihr ist, scheint ihr zu helfen.

Ich hoffe, euch hat das kleine Kapitel gefallen.

Fühlt euch umarmt,

eure Floraly <3

Klatschmohn & Lilien [Marco Reus] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt