13. Vergessen.

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Hallo meine Lieben, es hat wieder gedauert, bis ich die Ruhe für ein neues Kapitel hatte... Ich hoffe, euch gefällts <3

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Marco und ich verbringen ein paar Tage auf der Insel, mit der ich so viele Erinnerungen verbinde, mit der ich mich mit Josie verbunden fühle. Es ist schön, wenn er am Strand einfach nur neben mir sitzt, wir schweigend dem Rauschen der Wellen lauschen und nicht alles zerreden. Marcos Anwesenheit lässt mich ein wenig zur Ruhe kommen, lässt es mich ertragen, dass meine vollkommen hysterische Mutter mich anruft und in Tränen ausbricht, als ich ihr erkläre, wo ich bin. Er ist dieser Fels in der Brandung, der Strohhalm, an dem ich mich festhalten kann, seitdem ich die Person verloren habe, die mir früher all das gegeben hat - meine beste Freundin Josie.

Es sind zögerliche, vorsichtige Annäherungen, die wir austauschen. Manchmal berühren sich wie zufällig unsere Hände im Sand, manchmal sehen wir uns nur etwas länger als nötig in die Augen, lächeln uns an. Er bedrängt mich nicht, versucht nicht mich zu küssen, mir zu nah zu kommen. Die Zeit, die er mir gibt und dabei trotzdem nicht von meiner Seite weicht, machen mein Herz mit jeder Stunde etwas leichter, die ich mit ihm verbringe. Noch traue ich mich nicht wirklich, dieses Gefühl wirklich in mein Herz zu lassen, noch zweifle ich, ob es dafür nicht noch zu früh wäre. Ob ich das schon kann.  Aber Marco hinterfragt meine Zurückhaltung nicht, er akzeptiert sie, wortlos und mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.

Die Tage vergehen, wir reden nicht viel, was mir gut tut. Ich will das nicht. Ich will nicht ununterbrochen erklären müssen, was in mir vorgeht, was mit mir geschehen ist, seit ich Josie verloren habe. Gefühlt war es alles, was ich hatte. Alles, was mich ausmachte. Sie ließ mich unvollständig, mit zerrissenem Herzen und einer vor Schmerz in Flammen aufgehenden Seele zurück auf dieser schrecklich kalten, einsamen Welt. So geht es mir. Allerdings scheint sich dieser Schmerz allmählich zurückzuziehen, je länger ich hier auf Rügen bin, je länger ich mich in Marcos Nähe aufhalte. Die gute Seele Hilde kümmert sich ungefragt mehr als gut um Marco und mich. Schon immer tat sie das und ihr Essen, ihre köstlichen Backwaren, die sie auftischt, lassen ebenfalls gute Momente in meinem Herzen aufleben, gute Momente, die ich früher mit Josie teilte.

Müde liege ich in meinem Bett, immer wieder fallen meine Augen zu. Eigentlich will ich noch nicht schlafen, schon den ganzen Tag begleitet mich dieses unangenehme Bauhgefühl, wie eine Ankündigung, wie eine Warnung. Seit ich hier auf der Insel bin, habe ich keinen einizgen Albtraum mehr gehabt. Das ist eine Wohltat, für meinen von zu viel Alkohol, Drogen und Schlafentzug gebeutelten Körper. Unruhig wälze ich mich hin und her, plötzlich wünsche ich mir, dass Marco neben mir liegen würde., dass er meine Hand halten und mich so etwas beruhigen könnte. Aber Marco schläft auf der Couch, von Anfang an, obwohl ich ihm angeboten habe, dass er mit mir gemeinsam in dem großen Doppelbett von Hildes Gästezimmer schlafen könne. Er lehnte ab, mit der Begründung, das sei nicht richtig, dass er mich nicht in eine für mich schwierige Situation bringen wolle. Jetzt gerade verfluche ich seinen Anstand, weil ich mich mit einem Mal davor fürchte einzuschlafen.

Schließlich kann ich mich nicht mehr dagegen wehren, ich verliere den Kampf gegen die bleierne Müdigkeit in meinen Knochen, die mich immer heimsucht, wenn ich die Seeluft in meine Lungen lasse. Anfangs können sich meine Seele, mein Körper erholen, doch dann... Dann kehren die Bilder zurück. Josie, wie sie in das Feld der Blumen wankt, wie sie ihren Kopf in meinen Schoß legt, ihre blauen Lippen, wie sie ihre letzten Worte spricht und schlussendlich, wie sich ihre Brust ein allerletztes Mal hebt und senkt. Mit voller Wucht werde ich von den dazugehörigen Emotionen überrollt, sie zerren an mir, katapultieren mich zurück in dieses schwarze Loch und ich schreie leidend auf, als Josie sich in meinen Armen nicht mehr regt, als sie für immer von mir gegangen ist. So laut ich kann, mit allem, was ich habe, brülle ich meinen Schmerz in die Welt hinaus, mein Körper verkrampft sich schmerzhaft.

"Summer, wach auf!" Vorsichtig rüttelt jemand an meiner Schulter, japsend, halb schluchzend setze ich mich auf, hinter meinem Tränenschleier erkenne ich Marco, der sich besorgt über mich beugt. Heiß brennen die Tränen auf meinen Wangen, ich muss erst einmal durchatmen, um zu begreifen, dass es doch wieder nur ein Traum war. "Beruhige dich, bitte", redet Marco leise auf mich ein, ich merke gar nicht, dass ich seine Hand so fest halte, dass ich sie beinah breche. Wie wild galoppiert mein Herz in meiner Brust, alles tut weh - aber am meisten lodert mein Herz, welches ein weiteres Mal zu brechen scheint, weil dieser Traum so real wirkte, so echt und damit so grauenvoll. Es scheint mir unmöglich mich zu beruhigen, wieder zu mir zu kommen. Denn die letzten Sequenzen dieser herzerreißenden Erinnerung wirkten verzerrt, wirkten als würden die Farben verblassen, als würde ich beginnen zu vergessen.

"Ich darf sie nicht vergessen", murmle ich, "Ich darf sie nicht vergessen!" "Wovon redest du?", will Marco wissen, den ich kaum wahrnehme, ich bin gefangen in meiner Furcht. Die Angst, die mich ebenso seit Josies Tod begleitet - die schreckliche Sorge, dass ich sie jemals vergessen könnte. Das würde ich weder zulassen, noch mir verzeihen. Sie ist und war meine beste Freundin, meine Seelenverwandte, die vergisst man nicht. Die darf man nicht vergessen. Fast schon panisch klettere ich aus dem Bett, werfe wild meine Klamotten in die Tasche, lasse mich nicht aufhalten, höre nicht, was Marco sagt. Dieser packt mich irgendwann etwas unsanft am Arm, zwingt mich dazu inne zu halten, ihn anzusehen. "Summer, beruhige dich! Was soll das denn?!" Laut dröhnt seine Stimme in meinem Kopf, ich reiße mich los, fauche ihn an: "Lass mich! Ich darf sie nicht vergessen! Du verstehst doch rein gar nichts! Wenn ich sie vergesse, werde ich das nicht überleben! Ich will das nicht! Ich muss hier weg! Ich muss zu ihr! Ich muss jetzt zu ihr!" Überhöht kippt meine Stimme, bricht immer wieder, klingt genauso schwach, wie ich mich fühle. Gebrochen, verletzt und am Boden. Dieser Traum hat mich wieder dorthin gebracht, wo ich schon war. In dieses schwarze Loch, welches mich verschlingt und mich niemals vergessen lässt, dass ich den wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren habe. Den allerwichtigsten Menschen.

Blind stürme ich hinaus, ohne mir vernünftige Klamotten anzuziehen. Planlos schaue ich vorm Haus umher, ich muss hier weg, ich muss nach Berlin. In Josies und meine Heimat.

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Gerade hatte Summer selbst den Eindruck, dass sie mit dem Schmerz, mit der Trauer umgehen könne, da kehrt alles zurück...

Wird sie tatsächlich nach Berlin fahren? Was will sie dort? Und vor allem - wird Marco sie begleiten oder wird ihm das allmählich zu dumm?

Ich hoffe sehr, dass das Kapitel euch gefallen hat?

Wie findet ihr das neue Cover???

alles Liebe,

eure Floraly <3

Klatschmohn & Lilien [Marco Reus] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt