"Nun sag doch was dazu!", forderte mich Desdemona auf. Anklagend blickte sie zu Liam. Hatten die wieder gestritten?
Liam grinste Desdemona provozierend an. "Sie wird sowieso mir zustimmen, gibt auf. Du musst akzeptieren, dass du verloren hast."
Beide bekriegten sich mit einem Blickduell. In der Zeit, in der sie beide böse um die Wette starrten, aß ich schnell mein Brötchen auf, schob den Stuhl zurück und erhob mich schnell. Beide waren viel zu vertieft in ihr Wettstarren, um es zu bemerken.
So schnell ich konnte, verließ ich den Saal. Ich hörte noch, wie beide meinen Namen riefen und sich von ihren Plätzen erhoben, doch da hatte ich die Tür hinter mir schon zugeworfen.
Okay, was hatte ich nun? Ein Blick auf den Stundenplan verriet mir, dass ich hinaus in den Schlossgarten musste, zum Kräuterhaus.
Ich irrte ein wenig in dem riesigen Gemäuer umher, doch schließlich fand ich die Tür, die hinaus in den Garten führte.
Der Garten war wirklich groß und es herrschte hier eine düstere Atmosphäre. Schwarz und bedrohlich ragten die knorrigen Bäume des Waldes in die Höhe. Wie eine gewaltige dunkle Mauer, umgab der Wald den Garten. In der hintersten Ecke des Gartens war ein kleines Gewächshaus zu sehen. Vorne an der Tür war ein Schild mit der Aufschrift Kräuterhaus angebracht worden.
Noch war niemand hier, also hatte ich erst einmal Ruhe. Leider waren Desdemona, wie auch Liam wohl in meiner Klasse, da die beiden Schatten waren.
Dunkle, schwere Wolken hingen schwerfällig am Himmel, ließen das Licht der Sonne nicht hindurch. Es sah ziemlich nach Regen aus.
Und leider dauerte es auch nicht allzu lange, bis sich alle versammelt hatten. Insgesamt erblickte ich hier zwei Klassen. Nämlich meine, die Ghost und Schatten, wobei es vermutlich um einiges mehr Schatten als Ghosts waren und dann waren da noch andere. Wohl die andere Klasse, denn sie standen alle in einer Gruppe zusammen. Unter ihnen konnte ich das Silberhaar des Mädchens ausmachen. Was sie wohl für eine Elementary war?
Eine alte, etwas molligere Frau schritt gemächlich auf uns zu. Sie trug einen dunkelgrünen Mantel und ihr graues Haar steckte unter einer dunkelbraunen Mütze. Durch die dicken Gläser ihrer runden Brille sahen ihre Augen riesig aus.
Mit einem gut gelaunten Lächeln kam sie auf uns zu. "Guten Morgen alle miteinander!", begrüßte sie uns und ihr Blick schwebte über die Menge. - Und blieb an mir hängen. Ihr Lächeln wurde breiter und ließen Grübchen zum Vorschein treten. "Ah!", sagte sie erfreut, "Dann musst du wohl unsere neue Schülerin Lune James sein!" Sie streckte mir ihre Hand entgegen. "Ich bin Professor Planta, schön dich kennenzulernen." Ohne mir auch nur eine Chance zu geben, auch etwas zu sagen, ging sie schon auf die Tür des Kräuterhauses zu und öffnete sie. "Ich werde gleich Zweierteams einteilen und die Teams werden bitte nicht getauscht!" Gutmütig schaute sie in die Runde. "Tretet doch bitte ein."
Im Kräuterhaus war es warm und überall standen Pflanzen und Kübel herum. In der Mitte des Hauses befand sich ein langer Tisch, der ziemlich vollgestellt mit Pflanzen war, die in den Kübeln steckten. Die Pflanzen sahen aus wie normale Geranien, doch mir sollte das Gegenteil bewiesen werden.
"Okay.", sagte Professor Planta und sah lächelnd in jedes einzelne Gesicht, "Ich werde nun Namen aufrufen und ihr geht zusammen mit eurem Teampartner zu einem Arbeitsplatz." Sie räusperte sich und fing an, fremde Namen zu rufen. Desdemona musste mir Liam in ein Team. Das würde nicht gut ausgehen, das wusste ich bereits jetzt schon.
Am Ende waren nur noch zwei Personen übrig und Professor Planta lächelte. "Ah! Dann seid ihr jetzt wohl in einem Team!" Sie lief nach ganz vorne, wo alle sie sehen konnten.
Ich sah zu dem Mädchen mit dem Silberhaar. Sie sah ebenso zu mir. Wir beide gingen auf den letzten freien Arbeitsplatz zu.
Sie grinste. "Du bist Lune James." Sie hatte eine merkwürdige Ausstrahlung. Ich sollte mich nicht von ihr täuschen lassen. Ihr Auftreten war katzenhaft und irgendwie beunruhigend. Als ob von ihr Gefahr ausgehen würde. "Ich sage dir nur eines, Lune." Ihre Stimme war leise. "Ich hasse es, unterschätzt zu werden." Ich nickte nur.
"Verständlich. Ich werde auch nicht gerne unterschätzt."
Sie grinste, wobei ihre kalten Augen wie Eis funkelten. "Dann denke ich, dass wir uns verstehen." Sie reichte mir ihre bleiche Hand. "Mein Name ist Ariadne Glacial."
Ich ergriff ihre Hand. Sie war eiskalt. "Lune James."
Ariadne nickte. Das wusste sie ja bereits. Sie fixierte mich mit ihren eiskalten Augen, die sich scheinbar in meine Seele bohrten. Allein ihr kalter Blick ließ mir einen eisigen Schauer den Rücken hinabkriechen.
Ihr Blick schien mir wie ein Versprechen, das bedeutete: "Ich finde alles heraus."
Es machte mir keine Angst, es ließ mich nur nachdenklich werden. Bei ihr sollte ich aufpassen. Etwas stimmte nicht mit ihr. Irgendetwas schien sie zu wissen, oder zu vermuten.
"So!", Professor Planta klatschte einmal gut gelaunt in die Hände, "Vor euch seht ihr Geranien. Doch ich habe sie ein wenig verändert, sodass sie wenn man sie richtig benutzt, auch einige Krankheiten heilen können." Ihr Blick fiel auf mich. "Die meisten von euch wissen ja, dass ich eine Grüne Elementary bin, eine Abspaltung der Earth Elementary. Anders als diese kann ich keine Erdbeben oder sonstiges hervorrufen, sondern kann Pflanzen beeinflussen und verändern."
Alle verdrehten die Augen. Scheinbar hatten sie das schon oft gehört.
Professor Plantas Augen funkelten vor Vorfreude auf. "Diese Geranien sind wie gesagt verändert worden und gehören nun zu den 'Beißenden Geranien' an. Eure Aufgabe ist es, sie aus ihren Töpfen zu entfernen und ich die Blüten abzunehmen. Also, an die Arbeit!"
Beißende Geranien? Das klang nicht sehr gut. Was sollte ich mir darunter vorstellen?
Ariadne zog sich die bereitgelegten Handschuhe über. Ich tat es ihr gleich. Jedes Team hatte genau zwei Geranien. Auf mich sahen sie ganz normal aus. Aber man sollte nichts auf dem ersten Blick beurteilen.
Ariadne packte die Blume fest und zog mit einem Ruck. Sofort öffneten sich die zweite Farbe der Blüten und spitze Zähne erschienen. Aus großen Augen sah ich die Pflanze an. Ach du Scheiße!
Was war das denn bitte? Die Blüten sahen so aus, als konnten sie einem die Hand abbeißen!
"Na aber! Wozu habt ihr denn eure Fähigkeiten?", rief Professor Planta empört.
Ariadne erhob ihre freie Hand und ehe ich mich versah, war die komplette Pflanze eingefroren. Überlegen grinsend brach sie eine Blüte nach der anderen ab. Die Blüte hatte gerade eben noch nach ihr schnappen wollen. Ariadne war wohl eine Eis Elementary.
Ihr Blick fiel auf mich. "Du bist dran." Es klang wie eine Herausforderung nach de Motto "Mach es doch besser!".
Finster sah ich die ruhige Pflanze in dem Topf vor mir an. Ariadne würde schon sehen. Anscheinend schien sie sich ziemlich auf eine peinliche Vorstellung meinerseits zu freuen. Doch die Gelegenheit würde ich ihr nicht geben.
Herausforderung angenommen.
DU LIEST GERADE
Obscura
FantasyFünf Elemente. Eine Schule. So heißt es zumindest. Was kaum einer weiß: Auf dieser Welt gibt es so viel mehr. Und es hängt mit der Vergangenheit der fünf Elemente zusammen. Mika lebt bei ihrer Mutter und führt ein wohlbehütetes und gewöhnliches Leb...