Kapitel 50.2 - Zurück in die Kerker

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Dylan konnte seinen Blick nicht von der Szene, die sich ihm bot lösen. Mit großen Augen starrte er seine drei Schwestern an. Sein Mund öffnete sich, als wollte er etwas sagen, doch dann entschied er sich anders und schloss ihn wieder. Ich konnte sehen, wie er sich verkrampfte. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt und er rührte sich nicht. Seine Miene war undurchdringlich. Was jetzt wohl in ihm vorging?

"Was hat der denn jetzt?", brummte Desdemona mir leise zu, wofür sie dieses mal von Liam einen Stoß in die Rippen bekam. Dafür bekam er von ihr einen finsteren Todesblick. Doch sie beließ es bei dem Blick.

Nun schien wieder Leben in Dylan zu kommen und er schritt mit festen Schritten auf seine Schwestern zu. Diese bemerkten ihn nun und ich konnte Ariadnes Unsicherheit sehen, als sie Dylan auf sich zukommen sah. Ich konnte sehen, wie sie schluckte und sich aus den Armen ihrer Schwestern löste. Natürlich hing ihr der Gedanke an ihre Begegnung vorhin noch im Kopf und auch ihre Reaktion. Vermutlich kam sie sich nun vollkommen blöd vor. Ich kannte Ariadne zwar noch nicht lange, falls ich denn überhaupt von mir sagen konnte, dass ich sie kannte, aber ich konnte sagen, dass Ariadne niemand war, der vor anderen gerne schwach aussah. Und in ihren Augen, hatte ihre Reaktion gezeigt, dass sie schwach war. Doch das war sie nicht. Nicht in meinen Augen.
Ariadne stellte sich unbewusst ein wenig gerader hin und hob ein wenig ihr Kinn an. Sie versuchte eisern Blickkontakt zu halten, doch ihre Augen zeigten ihr gespaltenes Inneres. Einerseits wollte sie stark sein, aber andererseits hatte sie Angst und kämpfte dagegen an, sich ihr nicht hinzugeben. Dylan schien das auch zu sehen, denn ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen und machte seine Gesichtszüge automatisch weicher. Ohne auf Grace und Imogen zu achten, schob er die beiden unbeabsichtigt grob beiseite und schloss Ariadne ohne ein einziges Wort zu sagen in seine Arme. Beide sagten keinen Ton. Auch nicht, als Ariadne begann, die Umarmung zu erwidern.

"Wir sollten gehen.", flüsterte Liam mir zu. "Wir sollten ihnen etwas Zeit geben." Merkwürdigerweise war es Desdemona, die zu aller erst und ohne irgendeinen Kommentar zustimmte. Ich nickte nur.
Als Grace und Imogen sahen, dass wir sie nun allein lassen wollten, lächelten sie uns dankend zu und bedankten sich.
"Danke, dass ihr uns zu unserer Schwester gebracht habt!", sagte Imogen.
Grace wandte sich an mich. "Danke, dass du sie uns zurück gebracht hast, Lune."
Nun lösten Ariadne und Dylan sich. Er sah zu uns, nickte Liam und Desdemona dankend zu, doch mich bestrafte er mit einem bösen Blick. "Du weißt, was ich von dir halte. Und das hat sich nicht geändert. Du kannst tun was du willst, aber das wird nichts an meiner Meinung von dir ändern." Seine Stimme klang düster und abwertend. Jeder der hier Anwesenden sollte nun gemerkt haben, dass Dylan mich nicht mochte, oder wie es eher klang, mich hasste.
Grace zog eine Augenbraue hoch und sah Dylan tadelnd an. Imogen sah aus wie ein einziges großes Fragezeichen, während Ariadne nachdenklich die Augenbrauen zusammenzog.
Dylans Augen bohrten sich eisig in die meinen. Dieser Hass in seinen Augen war ungeheuerlich. Etwas in mir zog sich zusammen. Ich hatte gedacht, dass er nicht mehr ganz so abstoßend auf mich reagieren würde, wenn ich Ariadne dazu bringen könnte, mit mir zu ihren Geschwistern zu kommen. Schließlich hatte ich ihm gesagt, dass ich das in Ordnung bringen würde. Und ich hatte nicht gedacht, dass er vor seinen Geschwistern so offensichtlich zeigen würde, dass er einen Hass gegen mich hegte, den ich nicht verstehen konnte. Doch was hatte ich bitte schon erwartet? Dass er sich bedankte und entschuldigte? Wohl kaum. Das zeigte doch nur wieder, wie naiv ich war. Ich wusste nicht was Dylans Problem war. Er kannte mich nicht. Und ich hatte ihm nichts getan. In Zukunft würden sich unsere Wege wohl nicht mehr kreuzen. Und ich wäre zufrieden, wenn es so kommen würde.
Ruhig trat ich einen Schritt auf Dylan zu, meine Augen hart und kalt. Sie blickten in Dylans, der unter meinem Blick merklich zusammenzuckte. Das entging niemandem. Alle sahen fragend zwischen Dylan und mir hin und her. "Und du weißt, was ich dazu gesagt habe. Außerdem ist es mir egal, was du von mir denkst. Nach alle dem wirst du nur noch ein mickriger Geist meiner Erinnerung sein.", sagte ich kühl. Eigentlich sollte ich mich wegen meiner eigenen Worte erschrecken, doch es war mir gleichgültig. So war es nun einmal. Grace und Imogen sahen mich aus geweiteten Augen an, während Liam mich musterte und Desdemona Dylan mit Todesblicken strafte. Desdemona war anders. Das hatte ich an unserer ersten Begegnung bemerkt. Obwohl wir beide einen schlechten Start hatten, war sie nun die, die am meisten hinter mir stand und nun auch die einzige war, die Dylan böse ansah, denn anders als die anderen ahnte sie, dass wohl etwas zwischen uns passiert war. Und das war nichts Gutes. Klar, die anderen müssten das mittlerweile auch denken, doch sie waren schockiert von meiner Wortwahl und nicht von Dylans. Wieder einmal war ich der Sündenbock. Wie ich das verabscheute. Ohne noch ein einziges Wort zu sagen, kehrte ich den Geschwistern den Rücken zu und ging. Es brauchte nicht lange, da setzte sich auch schon Desdemona in Bewegung und rannte mir hinterher. Und da sie mir hinterher rannte, rannte Liam ihr hinterher. Ich vernahm noch, wie Grace und Imogen auf Dylan einredeten, um zu erfahren, was passiert war, doch dieser schweig.

Ich war die Erste, die wieder in den offiziellen Gängen ankam und in Richtung Turm verschwand. In den selben Turm, in dem sich Ariadne zurück gezogen hatte. Hinter mir schloss ich die Tür und trat in die Mitte des verstaubten Raumes. Ich ging auf den alten, roten Ohrensessel hinten im Raum zu, nahm die Brettspiele und legte sie auf den Boden. Ich setzte mich in den Sessel. Obwohl er schon so alt war, war er noch weich und hatte keine kaputten Stellen. Ich versank ein wenig im Polster und wischte mit meinen Händen ein wenig den Staub von den Armlehnen. Der Stoff, der den Sessel überzog war gleichzeitig rau und doch weich.
Dylan war nicht mein einziges Problem. Es gab da noch die Jäger und alle anderen Leute, die auf der Suche nach Mika Lunar-Eclipse waren. Und dann war da noch die Sache mit Liam. Ihm hatte ich versprochen von meinem Geheimnis zu erzählen, wenn wir Ariadne und ihre Geschwister wieder vereint hatten. Dieser Zeitpunkt war nun gekommen. Ariadne war bei ihren Geschwistern, die entweder hierbleiben oder Ariadne dazu bringen würden, mit ihnen zurück nach London zu kommen. Doch da Ariadne noch etwas vorhatte, würde sie darauf bestehen, dass ihre Geschwister mit ihr hier blieben, wo sie sie auch beschützen konnte, währen sie wer weiß was mit mir vorhatte.

Als die Tür knarzend aufging, steckte Desdemona ihren Kopf hinein und entdeckte mich im Sessel. Sie warf kurz einen Blick hinter sich und kam dann auf mich zu. Sie lächelte mich tröstend an, obwohl sie überhaupt keine Ahnung hatte, was passiert war. Hinter ihr tauchte nun auch Liam im Raum auf und sah sich erstaunt um. Er war wohl noch nie hier oben gewesen.
"Der hat vorhin schon die Wappen bestaunt.", informierte Desdemona mich grinsend. Liam ignorierte ihre Worte und betrachtete weiterhin den Raum. Desdemona setzte sich vor mir auf den Boden und sah mich an. "Na los. Erzähl. Ich schwöre dir, hat er dir irgendetwas getan, wird er sich wünschen, nie hier her gekommen zu sein!" Sie sagte das mit so einer Ernsthaftigkeit in ihrer Stimme, dass ich beinahe lachen musste. Doch ich verkniff es mir.
"Es war, nachdem Ariadne weg gerannt ist und ich zu Dylan gegangen bin.", erzählte ich Desdemona. "Er meinte erst, dass alles seine Schuld wäre, doch dann hat er auf einmal meinte er dann, dass ich nur Unheil bringen und alles schlimmer machen würde." Ich schüttelte bei den Gedanken an das Gespräch mit ihm meinen Kopf. "Du hättest ihn dabei sehen müssen. Nie hat er Ariadne mehr geähnelt, als in diesem Moment."
Desdemona verzog ihr Gesicht. "Ich kann mir denken, wie er gewirkt haben muss. Ich hoffe, du hast ihm die Meinung gesagt!"
Auf meine Lippen zog sich ein Grinsen. "Habe ich."
Desdemonas Miene hellte sich auf. Ein leicht diabolisches Grinsen legte sich auf ihre Lippen. "Hast du? Und? Wie hat er reagiert?" Sie klang so neugierig wie ein kleines Kind.
"Nun ja.", begann ich und kratzte mich am Kopf. "Ich habe ihn ziemlich überrascht, auch mit meinem Verhalten und-" Ich unterbrach mich selbst und schielte zu Liam herüber. Doch dieser war viel zu sehr damit beschäftigt, jeden der alten Gegenstände, die er in die Finger bekam anzufassen.
"Und was?" Desdemona klang ungeduldig.
Ich seufzte. "Und ich glaubte, er hatte sogar ein wenig Angst vor mir.", beendete ich meinen Satz.
Desdemonas Grinsen wurde immer breiter. "Das ist gut.", sagte sie mit einem beinahe irrem Grinsen auf den Lippen. "Das ist sehr gut. Mich wundert es nur, dass er dich dann noch einmal indirekt darauf angesprochen hat." Ich zuckte mit meinen Schultern. Es war mir egal, weshalb er es noch einmal angesprochen hatte. Es zählte nur, dass er mich soweit in Ruhe ließ.
Nun wandte sich Liam zu uns. Seine Miene war undurchdringlich. In der Hand hielt er ein altes Buch, dessen Titel ich nicht lesen konnte.
"Was hast du denn jetzt auf einmal?", fragte Desdemona ihn, doch Liam gab ihr keine Antwort. Seine Augen schienen mich zu durchbohren und ich kam mir so vor, als wäre es zwischen Liam und mir wieder so wie es war, bevor wir aufgebrochen waren um Ariadne zu helfen. Es kam mir vor wie der schmerzhafte Einschlag eines Blitzes, als ich begriff, weshalb Liam sich nun so merkwürdig verhielt. Er wollte, dass ich mein Versprechen nun einlöste. Er wollte wissen, was es mit mir auf sich hatte. Und ich wusste nicht, wie er auf die Wahrheit reagieren würde.

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