Was sich im ersten Moment anhören, wie eine gewöhnliche Helden- und Monstergeschichte, war eigentlich keine. Bei Saimons Worten lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Vor allem, dass Saimon alles so monoton sagte, machte das Ganze noch unheimlicher.
" ... und das kleine Mädchen verwandelte sich vor ihm in ein Monster mit seelenlosen, tiefschwarzen Augen, die nur so nach Tod und Verderben schrien. Sie streckte ihre zierliche Kinderhand nach ihm aus. Doch er wusste, dass er nicht auf ihren äußerlichen Schein hereinfallen durfte. Mitleid würde keine Option sein. Durfte keine Option sein. Denn es war egal, dass sie ein kleines Kind war. Sie war ein Monster, das sich in der Gestalt eines Menschen versteckte und nur darauf wartete, zusehen zu können, wie das Leben aus den Augen des Monsterjägers wich. Allerdings würde er das nicht zulassen. Er war dazu geboren worden, um die Welt von diesen Monster zu befreien. Also schob er das Schwert so weit in ihren Körper, dass er bereits ihren Atem spüren konnte. Das Monster schrie nicht. Denn es wusste, dass es ebenso wie der Monsterjäger seinem Schicksal zu folgen hatte. Es war kein fühlendes Geschöpf wie der Monsterjäger. Es war seelenlos. Und Monster waren dazu geboren, zu sterben.", murmelte Saimon für die anderen kaum vernehmbar vor sich hin. Seine Stimme hatte überhaupt keinen Ausdruck. Sie war leer und monoton. „Monster waren dazu geboren, zu sterben.", wiederholte Saimon ausdruckslos. „Monster sind dazu geboren, zu sterben. Sie werden vernichtet werden. Immer wieder. Bis sie sich nicht mehr erheben können. Bis die ganze Welt von ihnen befreit sein wird." Saimon wirkte wie eine Maschine. Leblos. War das überhaupt noch Saimon? Oder war der echte Saimon schon vor langer Zeit diesem Saimon gewichen? „Monster müssen sterben.", murmelte Saimon wie in einem Mantra. „Monster müssen sterben." Das wiederholte er noch einige male, bis er etwas sagte, das mich erschrocken zusammen zucken ließ. „Ich muss sterben.", sagte er plötzlich. „Ich muss sterben. Alle müssen sterben. Da wir alle Monster sind. Und Monster dürfen nicht leben." Und wieder. „Ich muss sterben." Doch dieses mal fügte er noch neue Sätze hinzu. „Mum muss sterben. Dad muss sterben. Nawin muss sterben."
Er zählte noch ein paar weitere Personen auf. Ich bemerkte, wie Nawin in seinem Schluchzen verharrte und seinen Bruder mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen anstarrte. Anscheinend hatte er alles mitbekommen. Unwillkürlich wich er etwas von Saimon zurück. Er war vollkommen Fassungslos. „Saimon.", flüsterte er, doch Saimon fuhr mit seinem Gemurmel fort. „Wir Monster müssen sterben.", sagte Saimon. Er war vollkommen abwesend.
Und dann begann die ganze Geschichte von vorne. Er murmelte das, was ich zuerst für eine gewöhnliche Helden- und Monstergeschichte gehalten hatte nun wieder von Anfang an vor sich hin. Allerdings war es keine. Wer hatte ihm das alles so eingetrichtert? Warum wiederholte Saimon das die ganze Zeit über? Immerhin sprach er davon, dass es gerechtfertigt war, dass die Jäger die Ghosts, oder auch Obscura - wie auch immer -, umbrachten.
Nawin, der bisher bloß ein Häufchen Elend gewesen war, sprang nun wutentbrannt auf und drehte sich zu Desdemona um. "Er wird schon keiner Gehirnwäsche unterzogen worden sein!", schrie Nawin Desdemona an. "Es wird schon alles wieder gut!" Seine Augen funkelten gefährlich als er auf Desdemona zuging.
Für einen kurzen Augenblick glaubte ich, dass sich seine Augen schwarz verfärbten. Desdemona, die das anscheinend auch gesehen hatte, wich erschrocken zurück.
Auch Nawin blieb das nicht unbemerkt. Kalt lachte er auf. „Hast du etwa Angst vor mir? Sag mir nicht, dass du den Dreck glaubst, den die Frau uns da erzählt hat!"
Desdemona, die trotz ihrer kurzen Verunsicherung einen kühlen Kopf bewahrte, reagierte ruhig. „Im Gegensatz zu dir weiß ich mehr als du über die Sache. Denn anders als du habe ich Beweise, dass das was Manou sagte, nicht von ungefähr kommt." Sie sah kurz zu mir. Nawin entging das nicht.
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Obscura
FantasyFünf Elemente. Eine Schule. So heißt es zumindest. Was kaum einer weiß: Auf dieser Welt gibt es so viel mehr. Und es hängt mit der Vergangenheit der fünf Elemente zusammen. Mika lebt bei ihrer Mutter und führt ein wohlbehütetes und gewöhnliches Leb...