»Ja, bitte?«, sagte Miss Johnson und die Tür wurde geöffnet. Herein trat der schwarzhaarige Junge namens Will. Seine sturmgrauen Augen blickten in die meinen.
»Will. Was für eine Überraschung.«, sagte Miss Johnson freundlich. Ja. Was für eine Überraschung. Gerade eben hatte ich noch an ihn gedacht. »Ich habe interessante Neuigkeiten für dich. Du wirst den Westturm nicht mehr alleine bewohnen.«
Wie bitte? Den Westturm? Soweit ich mich erinnerte, stand auf dem Stundenplan, dass der Westturm nicht betreten werden durfte. Die Direktorin schien meinen verwirrten Blick zu bemerken.»Ja, den Westturm.«, bestätigte mir die Direktorin mit einem geheimnisvollen Lächeln. Sie deutete auf Will. »Wie du ist er ein Geistelementar. Nur war es bei ihm so, dass alle ihn von Anfang an für einen Luftelementar hielten. Also kam er in die Klasse der Luftelementare. Es fiel niemandem auf, dass er gar keiner von ihnen ist. Bis auf mir. Daraufhin bekam er ein Zimmer im Westturm, der vor vielen Jahrhunderten, als die Geistelementare noch nicht wegen ihrer Macht gejagt wurden, für die Geistelementare war. Zwar geht er immer noch in die L-Klasse, aber niemand außer mir weiß, was er wirklich ist. Es fällt auch nicht auf, dass er gar nicht bei den anderen im Flügel schläft.«
Ich konnte nichts anderes tun, als Will anzustarren. Er war wie ich. Ich war nicht allein. Hatte er mich deshalb beobachtet? Weil er geahnt hatte, was ich war?»Und woher wussten Sie, dass er keiner der Luftelementar ist?«, wollte ich wissen. Daraufhin lächelte Miss Johnson bedrückt. »Eine meiner Freundinnen in meiner eigenen Schulzeit ist ein Geistelementar gewesen. Auch sie wurde für einen Luftelementar gehalten. Mir jedoch fiel jedes mal auf, wenn sie etwas zum Schweben brachte, dass ein lila Flimmern auftrat.«, erklärte die Direktorin. »Genau wie bei Will.« Sie seufzte schwer. Ein zutiefst trauriger Ausdruck verdunkelte ihr Gesicht wie ein schwarzer, halbdurchsichtiger Schleier. »Leider wurde ihre Familie gefunden und seither ist sie untergetaucht. Zumindest hoffe ich, dass sie nur untergetaucht ist.«
»Soll ich sie in den Westturm bringen?«, fragte Will.»Ja, bitte.«, sagte Miss Johnson. »Und bringe ihr in eurer freien Zeit bitte bei, das Element zu beherrschen und kennenzulernen.«
»Natürlich.«, erwiderte Will und wandte sich an mich. »Komm.« Er ging voran, ohne sich noch einmal zu vergewissern, ob ich ihm auch folgte. Hastig versuchte ich mit ihm Schritt zu halten. Er hatte ein ganz schönes Tempo drauf.
»Und was ist mit meinen Sachen?«, fragte ich Will zögerlich und fing an zu joggen, um nicht zurückzufallen.
»Die werden auf dein neues Zimmer gebracht.«, sagte Will, ohne anzuhalten oder sich zu mir umzudrehen. Er bog ab, in Richtung des Erdelementar-Flügels. Urplötzlich blieb er stehen, sodass ich beinahe in ihn rein lief. Er sah sich um als wollte er sich vergewissern, dass wir beide auch alleine waren.
Abgesehen von uns beiden war der Gang menschenleer. Und er befand sich auch eher in einer Ecke des Schlosses, in der sich ohnehin nicht viele Schüler aufhielten. Die Klassen- und Freizeiträume befanden sich alle auf der anderen Seite des Schlosses. Dementsprechend gab es keinen Grund, hierher zu kommen. Zumal dieser Teil des Schlosses, im Gegensatz zum Rest, alt und verlassen wirkte. Außerdem war er nicht so prunkvoll gestaltet. Es war ein einfacher steinerner Gang. Durch die Fenster fielen die Schatten der Bäume, sodass alles noch eine Spur verlassener wirkte, als es wirklich war. Da halfen auch die altersschwachen Lampen nicht aus, die wie Fackeln an den Wänden befestigt worden waren.
Keinerlei Verzierungen waren zu sehen. Keine Gemälde, keine Deckenmalereien. Nichts. Es wirkte so anders als der Rest des Schlosses. Wenn das hier schon immer der Flügel der Geistelementare gewesen war, war es dann Absicht, dass hier keinerlei Prunk und Verzierungen aufzufinden waren? Waren die Geistelementare dann schon immer verachtet worden?
Will wandte sich der Wand zu und seine Hand legte sich auf einen der leicht heraus ragenden Steine in der Wand. Er drückte leicht dagegen und plötzlich tat sich die Wand auf. Der Blick auf eine Tür aus dunklem, schweren Holz wurde frei gegeben. In der Tür war wieder das Wappen der Elementare zu sehen. Der Kreis, der in vier Farben eingeteilt war. Nur, dass dieses Wappen anders war. In der Mitte des Kreises, dort wo sich alle vier Farben hätten treffen sollen, war ein Kreis. Ein Kreis, der die anderen Farben miteinander verband. Eine neue, zusätzliche Farbe. Dunkles lila. Beinahe schwarz.
»Das ist die Farbe für unser Element.«, erklärte mir Will kurz, dann öffnete er auch schon die Tür und vor uns erschien eine Steintreppe. Er ging voran. Ich ihm hinterher. Die Treppe war eine Wendeltreppe aus Stein. Im Gegensatz zu allem was ich in diesem Schloss schon gesehen hatte, wirkte dieser Teil uralt. Will stieg ohne zu zögern hinauf. Wir kamen immer höher und höher. In die Wand der Treppe waren Fenster eingelassen, sodass Licht auf die Treppe fiel. Plötzlich war die Treppe zu Ende und wir waren oben angekommen.
»Willkommen im Westturm.«, sagte Will feierlich und grinste. Ich konnte nicht anders als zu staunen. Vor uns lag ein runter, großer Raum. Es gab einen Kamin, in dem das Feuer fröhlich knisterte. Darüber hing ein großer Fernseher. Davor wiederum stand ein gemütliches, schwarzes Sofa und zwei dunkle Sessel. Am Fenster stand ein Tisch, der an einer Seite rundlich war, damit er auch genau an die Wand des runden Turmzimmers passte. Neben dem Tisch standen mehrere Bücherregale, die gut gefüllt waren. Ganz anders als der Aufenthaltsraum der Luftelementare wirkte die Einrichtung hier nicht wahllos zusammengewürfelt, sondern aufeinander abgestimmt und gemütlich. Es gefiel mir.
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Obscura
FantasíaFünf Elemente. Eine Schule. So heißt es zumindest. Was kaum einer weiß: Auf dieser Welt gibt es so viel mehr. Und es hängt mit der Vergangenheit der fünf Elemente zusammen. Mika lebt bei ihrer Mutter und führt ein wohlbehütetes und gewöhnliches Leb...