Kapitel 12

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Die nächste Woche verstrich wie eine zäh fließende Gummimasse. Die meiste Zeit hatte ich das Gefühl, sie würde stillstehen.

Olivia und ich hatten Sam bei den Vorbereitungen für die Party geholfen, die morgen steigen würde. Und ich hatte mittlerweile sogar meine Hausarbeit fertig geschrieben, weil ich ja sonst nichts zu tun hatte. Außer Noah zu seinem Prothesen-Kurs zu fahren, da Mum so gut wie gar nicht mehr aus dem Keller hoch kam.

Gerade saß ich in Bio. Ein Fach, das ich leider ohne Liv hatte, die mir die Zeit vertreiben könnte.

Zwei Reihen hinter mir saß Logan, dessen Blick ich in meinem Nacken spürte. Wir hatten seit unserem Streit nicht mehr miteinander geredet. Und gesehen hatte ich ihn auch nur morgens, wenn er mit seiner Gang unten am Parkplatz stand, sowie in den Fächern, die wir gemeinsam hatten. So wie Biologie.

Wann war mein Leben eigentlich so aus dem Ruder gelaufen?

Ich war mit meinem besten Freund verstritten und hatte Liebeskummer wegen einem Typen, den ich kaum kannte und der es scheinbar nicht für nötig hielt, sich bei mir zu melden.

Mittlerweile war es acht Tage her. In acht Tagen konnte man doch irgendwann mal die Zeit finden, eine SMS zu tippen, oder nicht?

Ich konnte mich kaum auf den Unterricht konzentrieren, immer wieder schweiften meine Gedanken zu ihm ab. Zu ihm, dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf. Der Drang, nach La Push zu fahren, war seit meinem letzten Besuch dort nicht verflogen, im Gegenteil. Ich hatte das Gefühl, ich zerriss in zwei Teile. Unterbewusst kritzelte ich auf meinem Block herum, während ich so tat, als würde ich zuhören.

Plötzlich flog ein Zettel auf meinen Tisch. Unauffällig drehte ich mich um, um zu sehen, woher er kam. Logan zog seine Augenbrauen erwartungsvoll nach oben und starrte dann auf den Zettel.

Das hätte ich mir auch denken können.

Ich wusste nicht, ob ich Lust hatte, wieder normal mit ihm zu reden. Ich war immer noch sauer auf ihn. Aber da ich sonst nichts zu tun hatte und der Unterricht heute ätzend langweilig war (vielleicht lag es auch daran, dass es Biologie war), machte ich den Zettel schließlich auf.

„Gehst du morgen auf die Party?", stand da in Logans krakeliger Schrift.

Wieder drehte ich mich unauffällig um. Das Mädchen hinter mir sah mich schon schief an. Logan hatte seitdem seinen Blick nicht von mir abgewandt und sah mich erwartungsvoll an.

Ich nickte nur. Logan schenkte mir ein strahlendes Lächeln.

Ich wusste, dass das Logans Weg war, sich wieder mit mir zu versöhnen. Ich wollte auch nicht verstritten mit ihm sein, im Gegenteil, es machte mich sogar fertig. Aber das Wissen, dass dieser Ian mit in irgendwelche krummen Geschäfte ziehen könnte, nagte an mir. Ich wollte ihm helfen, aber das wollte er ja nicht - er hatte selbst gesagt, dass er das „brauchte".

Also drehte ich mich wieder zur Tafel und versuchte diesmal wirklich, der Stunde zu folgen.

~

Am Ende des Schultages, der sich unendlich lang hingezogen hatte, wartete ich vor meinem Spind auf Liv, die mich mit zum Einkaufen nehmen wollte.

„Immerhin brauchen wir für morgen ja noch ein abgefahrenes Outfit", hatte sie bedeutungsvoll gegrinst. Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass mein Outfit nicht so abgefahren ausfallen würde wie Livs. Und dass ich heute erst ziemlich spät nach Hause kommen würde, was mir eine willkommene Ablenkung war.

Etwa zehn Minuten nach dem Klingeln kam sie auch schon strahlend auf mich zugeeilt. Wir gingen nach draußen, wo noch alle zusammenstanden, um das Wochenende - und vor allem die Party morgen - zu planen. Ich entdeckte auch Logan, der bei seinen Jungs stand. Bei ihnen war auch Ian.

this is lycanthropy (Embry Call)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt