Ankunft am anderen Ende der Welt

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Ankunft am anderen Ende der Welt

Die Durchsage meiner Lieblingsstewardess auf dem Flug von Hongkong nach Auckland klang zuckersüß in meinen Ohren. „Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden in Kürze den Landeanflug auf Auckland beginnen. Bitte stellen Sie nun ihre Sitzlehnen aufrecht und legen Sie die Sicherheitsgurte an", hauchte sie im typischen Stewardessen-Sing-Sang ins Mikrofon. Ich habe mich immer gefragt, warum so gut wie alle Stewardessen dieser Welt diesen typischen Tonfall an sich haben, den man im alltäglichen Leben nie zu hören bekommt.

Letztlich werde ich das vielleicht genau so wenig ergründen, wie die Ursache für den Umstand, dass es Heerscharen von Fluggästen, sobald sie in der Luft sind, nach Tomatensaft mit Salz und Pfeffer dürstet, obwohl sie dieses Getränk nur noch mit Nichtachtung strafen, sobald sie wieder festen Boden unter den Füßen haben. Die Theorie besagt, dass sich unter den Druckverhältnissen in gut 10.000 Meter Höhe die Geschmacksnerven komplett neu orientieren und daher diese merkwürdigen Geschmacksverirrungen produzieren. Tatsache ist, dass viele Speisen in Verkehrsflugzeugen anders gewürzt werden müssen, um in etwa den gleichen Geschmack wie am Boden zu entfalten. Die Fliegerei kennt halt ihre eigenen Gesetze und das liebe ich ja auch so sehr an ihr.

Ihre Worte fielen aber auch deshalb auf so fruchtbaren Boden in meinen Gehörgängen, weil ich am Ende der langen Reise von Deutschland über Hongkong nach Neuseeland ziemlich müde war. Meine Beine verlangten nach Bewegung, um das in die Füße gesackt Blut endlich wieder in höhere Körperregionen pumpen zu können. Natürlich hatte ich fleißig die Übungen zu Thrombosevermeidung gemacht, die ich der kleinen Schautafel entnehmen konnte, die sich in der Sitztasche meines Vordersitzes befand. Dabei musste ich allerdings sehr vorsichtig zu Werke gehen, um zu vermeiden, dass die ältere Dame neben mir mich dabei ertappte.

Mit meinen 27 Jahren standen mir diese Übungen meiner Meinung nach noch nicht wirklich gut zu Gesicht. Andererseits war ich aber schon immer sehr vorsichtig in allen gesundheitlichen Dingen und wollte daher kein unnötiges Risiko eingehen. So kreisten nun also meine Füße so geschickt unter dem Vordersitz, dass ich mich gänzlich in Sicherheit wähnte. Umso größer war der Schreck als ich auf einmal die Stimme meiner Nachbarin mütterlich fürsorglich vernahm. „Na, junger Mann, dass finde ich aber wirklich vorbildlich, dass sie auch schon in ihren jungen Jahren etwas zur Vermeidung einer Thrombose unternehmen. Die jungen Leute sind ja ansonsten heutzutage komplett beratungsresistent!"

Ich spürte wie sich das Blut, das gerade noch an meinen Fußknöcheln festzusitzen schien, ruckzuck in meinen Kopf geströmt war und ihn rot zum Leuchten brachte. Auch eine Art von Thromboseprophylaxe, dachte ich peinlich berührt. Ich lächelte sie kurz verlegen an und drehte meinen Kopf schnell zur anderen Seite, um zu sehen, ob die junge Frau auf der anderen Seite des Ganges etwas von meiner kleinen Peinlichkeit mitbekommen hatte. Sie mochte so Anfang 20 gewesen sein und sah mit ihren von der Sonne gebleichten Haaren und ihrem Surferlook wirklich super süß aus. Als wir in Hongkong eingestiegen waren, meinte ich auch kurz ein Auge von ihr bekommen zu haben. Dieser Eindruck ließ sich aber leider im weiteren Verlauf des Fluges nicht verfestigen, da es trotz mehrfacher Anläufe von meiner Seite zu keinen weiteren Blickkontakten kam.

Na ja, wenigstens blieb es mir erspart, dass sie etwas mitbekommen hatte. Sie hatte den Kopfhörer aufgesetzt und schien einen Film mit Jonny Depp zu schauen. Ich entzog mich dann noch fluchtartig den Blicken meiner mütterlichen Sitznachbarin, in dem ich mich schnell auf die Toilette zurückzog, um ein wenig Gras über die Sache wachsen zu lassen. Als die Durchsage meiner Lieblingsstewardess zu vernehmen war, war seit meinem kleinen Malheur auch schon wieder so viel Zeit vergangen, dass sich mein roter Lebenssaft wieder in den Regionen unterhalb meiner Knie verfestigt hatte.

The Big OE- Begegnungen in NeuseelandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt