Ein Tourguide aus Münchhausen

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Ein Tourguide aus Münchhausen

Für Christchurch hatte ich 2 Übernachtungen eingeplant. Da ich hier keinerlei Verpflichtungen hatte, wollte ich mich einfach nur treiben lassen und in den Tag hinein leben.

Als der InterCity-Bus langsam durch die Vororte Richtung Innenstadt fuhr, schaute ich wie immer mit großem Interesse aus dem Fenster, um mir einen ersten Eindruck von der nächsten Zwischenstation auf meiner Reise durch den Süden Neuseelands zu machen. Und ich konnte sehr gut nachvollziehen, warum Christchurch als die englischste aller neuseeländischen Städte galt. Die Architektur der Wohnhäuser in den Vororten und der Gebäude und Kirchen im Zentrum der Stadt erinnerte auch mich sehr stark an das Mutterland des Fußballs. England hatte auf mich eigentlich nie eine besonders starke Anziehungskraft ausgeübt, was vermutlich an der Ablehnung lag, die die meisten Engländer leider noch immer gegenüber uns Deutschen hegen. Und die kommt vor allem immer wieder zum Ausdruck, wenn es im Rahmen einer Fußball-Welt- oder Europameisterschaft zu einem Duell zwischen unseren Jungs und den englischen Löwen kommt. Die Boulevardpresse des Inselreiches bedient sich dann ja immer wieder gerne einer martialischen Sprache und kramt in der untersten Klischeeschublade. Da werden unsere Spieler gerne mal mit Pickelhaube auf der ersten Seite platziert und als alles überrollende Panzer tituliert. Zum Glück haben die Engländer seit ihrem umstrittenen Sieg im WM-Finale von Wembley im Jahr 1966 nicht mehr allzu viel zu lachen gehabt, wenn es gegen eine Deutsche Nationalmannschaft ging. Und so lassen sich die unschönen Aktionen des englischen Boulevards dann auch immer wieder irgendwie verschmerzen. Außerdem hatte ich ihn meinem Leben so viele nette Engländer kennen gelernt, dass ich mir davon nicht meine positive Grundeinstellung gegenüber unseren angelsächsischen Freunden vermiesen lassen wollte.

Die Heimeligkeit englischer Städte und die Atmosphäre in ihren typisch britischen Pubs hatte mich aber von je her begeistert. Der viktorianische Stil vieler englischer Städte wurde mit den vielen englischen Siedlern, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts hier niedergelassen hatte, mit nach Neuseeland gebracht. Sie wollten sich wohl ein Stück Heimat in der weiten Ferne bauen, um nicht zu sehr vom Heimweg gepiesackt zu werden.

Da es in der Innenstadt eine Vielzahl von Backpacker Hostels gab, entschloss ich mich nach unserer Ankunft, mir ein paar davon anzuschauen und dann ganz spontan zu entscheiden, wo ich mich für 2 Nächte einmieten würde. Nach einer relativ kurzen Suche fand ich ein entsprechendes Haus, das meinen Vorstellungen von einem günstigen Preis-Leistungsverhältnis entsprach. Die Stadt erfüllte aber auch ansonsten alle Erwartungen, die ich im Vorfeld an sie gehabt hatte und so genoss ich dort eine angenehme Zeit. Das das Wetter ziemlich bescheiden war, hatte ich auch nicht das Gefühl irgendetwas zu verpassen, wenn ich nicht wie ein aufgezogenes Duracell-Männchen den ganzen Tag durch die Straßen dieser schönen Stadt hastete. So zog ich es vor viel Zeit in den zahlreichen, gemütlichen Cafés zu verbringen und weitere Notizen für meine Diplomarbeit zu verfassen. Außerdem hatte ich vor von Christchurch nach Queenstown nicht mit dem Intercitybus zu fahren. Ich hatte stattdessen geplant, an einer organisierten Tour mit einem Kleinbus teilzunehmen, der der Garant für eine zahlenmäßig nicht zu große Reisegruppe sein sollte. Touren dieser Art lassen sich in der Regel bequem in allen Backpacker Hostels buchen, die nebenher als kleine Reisebüros fungieren.

Die Broschüre eines der lokalen Anbieter hatte meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil die die Streckenführung der Tour ziemlich deckungsgleich mit der war, die ich mir selber auch vorgenommen hatte. Von Christchurch sollte es durch die neuseeländischen Alpen zunächst rüber zur Westküste gehen, wo die beiden weltberühmten Gletscher besucht werden sollten, die als Fox Glacier und Franz Josef Glacier bekannt geworden sind. Die Abfahrt war für den Morgen des nächsten Tages um 9 vorgesehen und sah eine Übernachtung vor, bevor man am nächsten Tag gegen 21 Uhr in Queenstown ankommen würde. Ich war schon gespannt auf die Leute, mit denen ich die beiden kommenden Tage verbringen sollte und genoss die letzten Stunden in Christchurch bei einem gewohnt kostengünstigen Abendessen, einem kühlen Bier und mit vielen Gedanken and den nächsten Tag.

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