Dicke Luft in Rotorua

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Dicke Luft in Rotorua

Die Busfahrt nach Rotorua dauerte gut zweieinhalb Stunden, die ich damit verbrachte, aus dem Fenster zu schauen und meinen Gedanken nachzuhängen. Zu meinem Glück hatte ich dieses Mal eine ganze Sitzreihe für mich allein, so dass mich niemand bei dieser Beschäftigung stören konnte. Nach einer Weile schnappte ich mir dann wieder mein schlaues Buch und las darin, was mich alles an Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten in Rotorua erwarten würde.

Mein schlaues Buch wusste zu berichten, dass Rotorua eine Art Kurort mit ungefähr 55.000 Einwohnern ist. Das neuseeländische Bad Salzuflen liegt am Rande des zentralen neuseeländischen Vulkanplateaus, das ich als nächste Station auf meiner Reise mit einer Stippvisite beehren wollte. Im Zusammenhang mit diesem Vulkanplateau steht auch der Umstand, dass sich in und rund um Rotorua einige geothermale Aktivitäten von erstaunlichen Ausmaßen abspielen. So gibt es dort zum Beispiel Geysire, aus denen heißes Wasser bis in Höhen von bis zu 30 Metern hervor schießt.

Der Name der Stadt hat wie so viele andere Ortsbezeichnungen im Land der Kiwis seinen Ursprung in der uralten Sprache der Maori. Er setzt sich aus den beiden Wörtern „rotu", was so viel wie „See" bedeutet, und „rua", was „zwei" beziehungsweise „zweiter" bedeutet. Frei übersetzt bedeutet Rotorua also „Zweiter See". Das könnte wiederum daran liegen, dass Rotorua am Lake Rotorua liegt, dem zweitgrößten See auf der Nordinsel nach dem Lake Taupo. Die Sprache der Maori war auch ein interessantes Forschungsfeld für mich. Sie hatte zwar nicht besonders viel mit dem Thema meiner Diplomarbeit zu tun, aber ich wollte meine Zeit in Neuseeland auch dazu nutzen, so viel wie möglich über die Menschen und ihre kulturellen Besonderheiten zu erfahren. Dazu gehörte aus meiner Sicht natürlich alles, was ich über die Ureinwohner und ihre Sitten und Gebräuche erfahren konnte.

Mein schlaues Buch wusste natürlich auch einiges über die Sprache der Maori zu berichten. Weil die Maori aus Polynesien nach Neuseeland gekommen waren, gehört auch ihre Sprache zur polynesischen Sprachgruppe. Interessanterweise war die Sprache der Maori, die ebenfalls Maori genannt wird, bis zur Ankunft der ersten Europäer eine rein orale Sprache, die somit auch nur mündlich überliefert wurde. Es waren schließlich Missionare aus Europa, die die Sprache der Maori zum ersten Mal schriftlich zum Beispiel in Form von Bibelübersetzungen festhielten und Schulen für die Ureinwohner gründeten.

Später war der Gebrauch der Sprache der Ureinwohner für lange Zeit unter Strafe gestellt, damit sich das Englische als dominierende Sprache durchsetzen konnte. Im Laufe der Zeit ging die Anzahl der Menschen, die Maori sprechen konnten, dadurch mehr und mehr zurück. Vor allem die jungen Leute kommunizierten immer häufiger nur noch auf Englisch, so dass Ende der 1970er-Jahre nur noch circa 70.000 Maori ihre eigene Muttersprache sprechen konnten. Das war natürlich erschreckend wenig, wenn man bedenkt, dass die Anzahl der Maori zu dieser Zeit bei weit über 500.000 lag. Eine kleine Renaissance erlebte die Sprache dann Ende der der 80er-Jahre bis Anfang der 90er-Jahre. Damals wurde damit begonnen Maori bereits in der Vorschule zu unterrichten. Darüber hinaus gab es auch bilinguale Klasse und Grundschulen, auf denen nur Maori gesprochen wurde. Im Rahmen all dieser Entwicklungen wurde Maori im Jahr 1987 auch die zweite offizielle Amtssprache in Neuseeland neben dem Englischen.

Ich überlegte kurz, ob man dieses Modell nicht auch in Deutschland kopieren sollte, um zu verhindern, dass das Plattdeutsche oder andere Mundarten eines Tages vollkommen von der Bildfläche verschwinden würden. Bei Dialekten wie dem Schwäbischen und dem Sächsischen war ich mir aber selbst nicht ganz darüber im Klaren, für wie erhaltenswert die meisten Deutschen außerhalb dieser Sprachräume sie wirklich halten würden. Daher beschloss ich, diese Entscheidungen anderen Leuten zu überlassen, wie zum Beispiel den gut bezahlten Kultusministern in unserem schönen Land, die sicher eine breit angelegte Studie zu diesem Thema von ihren Staatssekretären in Auftrag geben lassen würden.

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