Von Schotten und gelbäugigen Pinguinen
Danach schnappte ich mir mein schlaues Buch, um mich ein bisschen vertrauter mit meinem Reiseziel Dunedin zu machen. Ich hatte schon gehört, dass Dunedin eine Art schottischer Hochburg in Neuseeland war. Und tatsächlich war der Name der Stadt die verenglischte Form des gälischen Namens „Dùn Èideann" für die schottische Stadt Edinburgh. Diesen Namen hatten wohl die schottischen Presbyterianer mitgebracht, die im Jahre 1844 auf der Otago-Halbinsel an Land gingen. Es schien ihnen dort gleich so gut zu gefallen, dass sie beschlossen, den ortansässigen Maori dieses idyllische Stück Land abzukaufen. Und als sie die gut 1.600 Quadratkilometer große Halbinsel für 2.400 britische Pfund erworben hatten, mussten sie sich ungefähr so gut gefühlt haben wie die Amerikaner als sie im Jahre 1867 den Russen Alaska für 7,2 Millionen Dollar abgekauft hatten – obwohl sich der wahre Wert dieses Investments ja erst im Jahre 1896 mit Beginn des Klondike-Goldrauschs und der dazugehörigen Goldfunde zeigen sollte.
Laut meines schlauen Buches sollte die Stadt ein reiches kulturelles Leben bieten, was unter anderem der großen Zahl an Studenten aus aller Herren Länder zu verdanken war. Überhaupt war Dunedin einstmals die größte und reichste Stadt Neuseelands. Das hatte sie ebenfalls einem Goldrausch zu verdanken, der im Jahr im Jahr 1861 seinen Anfang nahm als ein gewisser Aussie namens Gabriel Read Gold in der Region Otago fand, deren Hauptstadt Dunedin auch heute noch ist. Was dann geschah erinnerte mich stark an die Geschichte der kleinen Stadt Thames auf der Coromandel-Halbinsel, der ich im Februar auf meinem Weg von Auckland nach Wellington einen Kurzbesuch abgestattet hatte. Denn auch Dunedin profitierte extrem davon, dass alle Goldsucher über Dunedin zu den Goldminen reisen mussten. So wurde es schnell ein großer Warenumschlagplatz, der die Bedürfnisse von immer mehr Menschen decken musste.
In den ersten 6 Jahren nach dem ersten Goldfund kamen allein aus Australien über 50.000 Goldschürfer und ähnliche Glücksritter über Dunedin ins Land, um sich ihren Teil vom großen Glück zu sichern. Die Stadt wuchs dadurch rasend schnell an und konnte mit diesem Tempo im Bezug auf ihre Infrastruktur kaum mithalten. Aber wen interessierte das schon so lange die Dollars und Nuggets reichlich flossen. Dunedin verdankte dem Goldrausch jedenfalls, dass es innerhalb weniger Jahre zum wichtigsten Handelsplatz in Neuseeland aufgestieg. Und wenngleich es manche Defizite im Bezug auf die Entwicklung der Infrastruktur gegeben haben mochte, so war Dunedin doch bereits ab dem Jahr 1863 auch nachts beleuchtet, da man dort noch vor Auckland eine entsprechende Straßenbeleuchtung installiert hatte.
Rückblickend kann man sagen, dass die Zeit vom Beginn des Goldrauschs bis zur Jahrhundertwende die erfolgreichsten Jahre der Stadt waren. Dunedin war während dieser Zeit nämlich nicht nur das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes sondern auch Sitz der größten und wichtigsten neuseeländischen Unternehmen. Weitere Highlights während dieser für die Stadtentwicklung sehr wichtigen Zeit waren im Jahr 1882 der Bau der ersten Cable-Car-Linie nach dem Vorbild San Franciscos und der erstmalige Export von gefrorenem Fleisch per Schiff nach England. Der Export von gefrorenem Fleisch wurde daraufhin ebenso zu einem weiteren wichtigen wirtschaftlichen Standbein wie die Wollverarbeitung.
In diese Boomzeit fiel im Jahre 1869 auch die Gründung der University of Otago als erste Universität des ganzen Landes. Darauf waren die Einwohner natürlich mächtig stolz. Wenngleich der Beginn des ersten Studienjahrgangs im Jahre 1871 mit gerade mal 3 Professoren und 81 Studenten eher sparsam ausfiel. Aber immerhin war es die erste Universität im gesamten britischen Empire, in dem bekanntlich die Sonne niemals unterging, an der Frauen Zugang zu sämtlichen Studienfächern hatten. Alice Schwarzer würde sicher meine Begeisterung für diese Fortschrittlichkeit teilen.
DU LIEST GERADE
The Big OE- Begegnungen in Neuseeland
AdventureThe Big OE ist in Neuseeland ein geflügeltes Wort und steht für die mehrmonatige Auslandreise mit entsprechenden Erfahrungen und Erlebnissen, die jeder Neuseeländer mindestens einmal im Leben unternehmen sollte, bevor er sich endgültig in der idyll...