South Island Ecotours
Am nächsten Morgen zogen die meisten schon wieder weiter zu den nächsten Stationen auf ihrer großen Reise. Für mich galt es nun endlich, mich wieder auf meine eigentliche Mission zu konzentrieren. Ich hatte vor meiner Abreise aus Christchurch Ted Brabyn, den Eigentümer von South Island Ecotours, noch schnell kontaktiert, um ihm den genauen Termin meiner Ankunft in Queenstown anzukündigen. Wie es sich für einen ordentlichen Kiwi geziemt, hatte er mich natürlich eingeladen sein Gast zu sein. Er habe mehr als genug Platz in seinem Haus und würde sich freuen, mich für ein paar Tage beherbergen zu dürfen, sagte er mir am Telefon. Ich nahm seine Einladung nach einigem Zögern gerne an, da ich es als unhöflich empfunden hätte, sie auszuschlagen. Außerdem kam es mir natürlich sehr gelegen, dass ich so mein schmales Reisebudget ein bisschen schonen konnte. Und da er mir auch gleich angeboten hatte, mich am Backpacker Hostel abzuholen, konnte ich genüsslich das letzte gemeinsame Frühstück mit meinen neuen Freunden genießen, bevor ich die meisten von Ihnen wohl nie wieder sehen würde. Aber das war ich ja schon gewohnt.
Als ich vor dem Hostel auf Ted wartete blätterte ich noch einmal in meinen Unterlagen und den Notizen, die ich mir im Rahmen meiner Research über South Island Ecotours gemacht hatte. Generell konnte man über die Reiseveranstalter im Bereich des ökologischen Tourismus sagen, dass es sich eher um kleine Unternehmen handelt, die oftmals nur vom ihrem Besitzer oder manchmal mit Hilfe der Unterstützung einiger weniger Mitarbeiter geführt werden. Oftmals sind diese Mitarbeiter Familienmitglieder, um die Lohnkosten im überschaubaren Rahmen zu halten. Dennoch ist die Insolvenzrate unter diesen meistens von Idealisten geführten Unternehmen überdurchschnittlich hoch. Das liegt zum einen daran, dass sie das Geldverdienen nicht als oberste Priorität ansehen und in der Regel auch nicht das notwendige betriebswirtschaftliche Rüstzeug mitbringen. Zum anderen haben die meisten Unternehmensgründer auch kein besonders ausgeprägtes finanzielles Polster, wenn sie das Abenteuer Unternehmensgründung wagen. Dass sie aufgrund ihrer fehlenden wirtschaftlichen Kenntnisse und Erfahrungen auch nicht gerade zu den Lieblingskunden der neuseeländischen Banken gehören, macht die Sache auch nicht gerade einfacher. Ihre fehlenden Kenntnisse müssen sie daher oft durch das Prinzip „Versuch und Irrtum" auszugleichen versuchen, was in vielen Fällen leider ziemlich kontraproduktiv ist.
Im Grunde genommen waren diese Männer und Frauen ja wirklich für ihren Mut und ihren Selbstverwirklichungsdrang zu bewundern. Wozu es führte, sein Leben lang nur die Vorzüge des Angestelltendaseins genießen zu wollen, hatte mir ja gerade erst Wolfgangs Beispiel recht drastisch vor Augen geführt. Und was war so falsch daran zu versuchen, aus einem seinem Hobby einen Beruf zu machen, den man dazu noch mit einer Art Mission verbinden konnte? Und so war es tatsächlich oftmals so, dass sich unter den Unternehmensgründern Biologen, Zoologen und Umweltaktivisten jeglicher Couleur befanden. Vielleicht sollte ich nach Beendigung meines BWL-Studiums nach Neuseeland zurückkehren, um eine Unternehmensberatung für diese enthusiastischen Unternehmensgründer ins Leben zu rufen. Oder ich würde gleich selbst einen kleinen aber feinen Veranstalter im Bereich des ökologischen Reisens aufbauen. Aber Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Vielleicht sollte ich erstmal mein Studium beenden, bevor ich mich auf die gefährliche Fährte des Ikarus begab.
Die ersten 3 bis 5 Jahre nach der Unternehmensgründung sind in der Regel die Schwersten und Entbehrungsreichsten. Wie ich auf der Internetseite von South Island Ecotours erfahren hatte, war Ted bereits seit 6 Jahren im Geschäft und so stand zu hoffen, dass er bereits aus dem Gröbsten heraus war und nun endlich die Früchte seiner harten Arbeit ernten konnte. Das große Haus, das er mir gegenüber erwähnt hatte, sprach zumindest für einen gewissen Lebensstandard. Und ich war schon gespannt, mit was für einem Auto er mich abholen würde. Allerdings war das wohl wieder eine sehr deutsche Denkweise. In Neuseeland schienen Autos bei Weitem nicht den Stellenwert als Statussymbol zu haben wie bei uns. Die meisten Kiwis sahen ihre Autos nur als möglichst kommodes Fortbewegungsmittel an und schenkten ihnen darüber hinaus wenig Beachtung. Das in typischen deutschen Wohngebieten an sonnigen Wochenenden immer wieder zu beobachtende hingebungsvolle Wienern und Aussaugen der geliebten Karossen hatte ich hier jedenfalls nicht ein einziges Mal beobachtet. Und ein Lackkratzer oder eine kleine Beule zierte hier auch mindestens jedes zweite Auto, ohne dass das gleich zu Ohnmachtsanfällen zu führen schien. Und so war ich mir sicher, dass Ted eher ein praktisches als ein pompöses Auto fahren würde. Ich sah einen der riesigen Pick Ups vor meinem geistigen Auge und somit ein Exemplar aus einer Autokategorie, der wohl niemals ein durchschlagender Erfolg auf bundesdeutschen Straßen beschieden sein würde.
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The Big OE- Begegnungen in Neuseeland
AdventureThe Big OE ist in Neuseeland ein geflügeltes Wort und steht für die mehrmonatige Auslandreise mit entsprechenden Erfahrungen und Erlebnissen, die jeder Neuseeländer mindestens einmal im Leben unternehmen sollte, bevor er sich endgültig in der idyll...