Verloren..? (Teil 2)

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Meine Augen öffneten sich und ich wurde langsam wach. Bin ich tot? Bin ich nun endlich in Walhalla bei den anderen? Aber um mich herum befand sich nur Dunkelheit. Ich konnte meinen Körper sehen und auch den schwarzen Boden unter meinen Füßen, aber alles andere war dunkel so als würde nur ich leuchten. Aber so war es nicht. Es fühlte sich auch nicht wie in einem normalen Raum an. Ich blickte nach oben und erkannte keine Decke. Es gab nur einen Boden. Kein Lüftchen wehte hier. Als ich aufstand ging ich ein paar Schritte, aber ich sah nirgends eine Treppe oder eine Tür. Einfach ein endloser schwarzer Boden. Ich konnte nicht einmal sagen ob es Holz oder Metall war, als ich dagegen klopfte. Es fühlte sich komisch glatt, sogar ziemlich glatt, wie Glas, aber das war es auch nicht. Ich drehte mich mehrmals um meine eigene Achse, aber da war kein weiteres Licht. Dann überkam mich eine leichte Wut und ich schleuderte meine zu Fäusten geballten Hände gegen den Boden und vergrub meinen Kopf in den Armen. Walhalla hatte ich mir anders vorgestellt. Kann ich den nicht endlich von allem Leid und Schmerz befreit werden? Ich schluchzte leise vor mich hin. Meine Tränen perlten vom Boden ab und verschwanden dann, aber dem schenkte ich keine Beachtung. Ich raunte mir ein leises "Ich bin so allein" zu und legte mich krampfhaft auf den Boden. "Oh nein, das bist du nicht und das warst du auch nie". Ich erschrak und machte die Augen auf. Hinter mir war ein starkes Licht wahrzunehmen, doch ich musste nicht lange Überlegen, um zu wissen wo es herkam. Ich erkannte ihre Stimme sofort. Zögerlich richtete ich mich auf und drehte mich in die Richtung des Lichtes. Ihr blondes Haar, ihre atemberaubend blauen Augen, es war alles noch genauso wunderschön wie in meiner Erinnerung. An ihrem Ringfinger blitzte noch derselbe Ring, wie ich ihn hatte. Dennoch sah sie anders, vielleicht sogar fremd aus, denn ihr Körper zierte ein helles, leuchtend weißes Gewand, von dem sich cremefarbene Schleier um ihre Arme wickelten und herunter hingen. Sie hatte auch keine Stiefel an, sondern kleine, zierliche, weiße Schuhe. Aber es war immer noch meine geliebte Astrid. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten und meine Augen füllten sich erneut mit Tränen. Sachte begann sie mir zuzulächeln und sagte:"Hallo, mein Schatz.". Ich stand mit leicht geöffnetem Mund da, weil ich so unvorbereitet darauf war, sie zu sehen und betrachtete sie still. Und doch hatte ich ja das immer erwartet, sie alle nach dem Tod wiederzusehen.. Nach einer Weile konnte ich mich nicht mehr halten und rannte stürmisch auf sie zu, um sie in meine Arme zu schließen. Ich umarmte sie so fest, wie ich schon lange nicht mehr jemanden umarmt habe. Mein Leiden hatte jetzt endlich ein Ende. Ich konnte wieder bei ihr, bei ihnen sein. In ihrem festen Griff fühlte ich mich so wohl, so geborgen. "Ich hab dich so vermisst..", flüsterte ich ihr zu. Ich ließ meine Tränen ungehindert fließen und wollte den ganzen Schmerz, der sich im letzten Jahr angesammelt hatte, einfach in ihren Armen loswerden. "Ich vermisse dich auch sehr, Hicks." - "Versprich mir, dass du mich nie wieder loslässt, Astrid. Du kannst dir nicht vorstellen wie ich gelitten habe..", schluchzte ich, immer noch in unsere lange, emotionale Umarmung eingehüllt. Ich weiß nicht, wie lange wir so da standen, aber es war auf jeden Fall das schönste auf der Welt und ich wollte sie wirklich nie mehr loslassen. Zuerst war sie still. "Es tut mir leid, aber das kann ich nicht..", antwortete sie mir. Sie trat eine Schritt zurück und trennte sich von mir. Ich wollte das nicht. Ich will, dass sie bei mir bleibt. Aber in ihrem Blick erkannte ich nur wenig Trauer. Sie strahlte Ruhe und etwas Gelassenheit aus. Hinter ihr bemerkte ich, dass sich dort etwas bewegte. Mein Vater und meine Mutter kamen aus einem hellen Licht hervor und stellten sich hinter meine Frau. Ich konnte es nicht fassen. Da stand mein Vater, meine Mutter und nach ein paar Sekunden auch Grobian in weißer Kleidung vor mir und betrachteten mich leise. Zu dem Zeitpunkt konnte ich aber nicht lächeln. Mir war eher zum weinen zumute. Ich blickte in Vaters noch immer vertrautes Gesicht. Zwei Jahre hatte ich ihn nun nicht mehr gesehen, nachdem er von Ohnezahn getroffen wurde. In mir kamen alle Gefühle wieder hoch. Ich hatte ihm so viel zu sagen, was ich damals nicht mehr sagen konnte. Wie anstrengend es doch sein kann, ein Oberhaupt zu sein und wie seine Enkelin aussieht und sich entwickelt, wie ich Berk wieder erfolgreich aufgebaut hatte. Aber er schaute mich ernst an. "Ich bin stolz auf dich, mein Sohn.". Mehr brachte er nicht heraus? Nach so langer Zeit? Durch diese ganzen Gefühle, musste ich unwillkürlich lachen. Plötzlich fiel es mir aus irgendeinem Grund leicht, nicht zu weinen. Als wäre alles einfach von mir genommen. So kann es bleiben. Ein bisschen erinnerte ich mich selbst in dem Moment an Astrid, die immer wieder Stimmungsschwankungen hatte während der Schwangerschaft. Meine Mutter war in ein ähnliches Gewand gehüllt wie Astrid. Allerdings waren ihre Haare noch geflochten,so wie sie es immer hatte. Gerade als ich die Arme hochnehmen und auf meinen Vater zugehen wollte,um ihn zu umarmen und mich fast erdrücken zu lassen, fing Astrid an zu sprechen:"Es tut mir so leid Hicks, aber wir haben nicht viel Zeit." - "Was soll das heißen? Bin.. bin ich nicht..", ich schluckte und machte eine sehr lange Pause. "Bin ich etwa nicht.. tot?". Ihr Gesichtsausdruck wurde traurig und sie senkte ein wenig den Kopf. Meine Mutter ergriff das Wort und legte ihre Hände auf Astrids Schultern:"Das liegt jetzt einzig und allein bei dir..". Wie, wie können sie mir nur so etwas antun? Langsam kam in mir die blanke Wut hoch und das friedliche Gefühl der Kontrolle verschwand. "Was soll ich denn noch dort? Ich habe keinen Grund mehr, auf Berk zu bleiben und noch mehr Leid zu ertragen!", begann ich zu schreien, "Ich kann nicht verstehen wieso..", dann hörte ich abrupt auf. Astrid schlug sich die Hände vors Gesicht und drehte sich weg. Sie schluchzte. Meine Mutter flüsterte ihr etwas zu. Ich stand da wie vom Blitz getroffen. Grobian und mein Vater blickten mich traurig an und kamen zu mir herüber. "Mein Sohn, wir alle wissen genau wie schwer es für dich ist, aber du darfst niemals vergessen, dass wir dich nie verlassen haben und immer bei dir waren.", sprach er mit ruhiger Stimme. Mittlerweile flossen meine Tränen wieder ungehindert. Ich fragte sie mit zittriger Stimme:"Wie- Wieso fühle ich mich dann so alleine? Die ganze verdammte Zeit?" - "Hicks, du musst eine wichtige Sache noch lernen: Man darf nie aufhören, sich nach den Menschen umzuschauen und sich gerade um die kümmern, die einen lieben.", brachte mir Grobian bei. Ich war sehr verwirrt. Kapieren sie etwa nicht, dass niemand mehr da ist? Ich war erneut kurz vor dem Schreien und meiner Wut freie Bahn zu lassen. Aber meine Mutter und mein Vater legten ihre Hände auf meine Schultern und schauten mich an. "Hicks, du musst verstehen, dass du nicht alleine bist. Sieh!",sagte Valka und zeigte auf einen hellen Fleck, der wie aus dem Nichts hervorkam. Plötzlich erkannte ich Bilder darin. Bekannte Bilder. Mein Haus. Vor meiner Hütte standen unzählige Wikinger. In ihren Gesichtern sah man Trauer. Einige Kinder weinten. Andere hatten Brot oder Milch dabei. "Hinter dir steht dein ganzes Dorf. Was sollten sie nur ohne dich machen? Du bist ihr Oberhaupt. Glaubst du etwa, dass das alles spurlos an ihnen vorbei geht und sie sich keine Sorgen machen?",redete sie weiter. In der Menschenmenge erkannte ich meine Freunde. Fischbein heulte leise vor sich hin und Rotzbakke stand mit den Zwillingen im Kreis. Das war ein ziemlich schockierender Anblick. Sonst sind sie immer so behämmert drauf, rennen sich einander die Köpfe ein, aber sie standen nur da und keiner sprach ein Wort. Sogar Eret, den ich in letzter Zeit sehr zu mögen begann, stand einige Meter weit weg und starrte mit dem Boden traurig um die Wette. "Willst du sie wirklich alle alleine lassen?", sagte jetzt wieder mein Vater. Dann verschwand mein Haus und mein Zimmer kam zum Vorschein. Ich hörte meine Kleine weinen. Sie lag in ihrem Bettchen, schrie und wollte nicht mehr aufhören. Sie sah so hilflos aus, dass mir immer mehr Tränen kamen. Ich konnte sie nicht allein lassen. Langsam wurde es mir klar. Was wäre ich denn für ein schlechter Vater und ein noch schlechterer Mensch? Dann nahm jemand meine Kleine in den Arm und wiegte sie sachte hin und her. Sie hörte mit dem Weinen auf und fing an zu lachen. Die Person trug sie zu meinem Bett hinüber. "Ach Hicks, bitte...". Weiter kam sie nicht, denn Tränen tropften auf meine Bettkante. Ich konnte nicht direkt erkennen wer es war. Alles war verschwommen. Die Person sprach weiter:"Das kannst du doch jetzt nicht machen.. Bei Thor, bitte wach wieder auf..". Mehr Tränen rannten ihre Wangen hinunter und ich erkannte nun doch wer es war: An meinem Bett stand Heidrun und wiegte meine Tochter sanft im Arm. Ich konnte es nicht fassen. Sie war extra her gekommen, nur wegen mir? "Siehst du, du bist nicht alleine und die Leute, die dich lieben, brauchen dich jetzt umso mehr. Du hast mir dein Versprechen gegeben Hicks..". Hinter mir stand jetzt nur noch Astrid. Ich sah, dass sie geweint hatte und ich sah, wie sie jetzt wieder milde lächelte. Verwundert blickte ich mich um. "Wo sind denn Vater, Valka und Grobian?", fragte ich sie. Gerade eben habe ich noch ihre Hände auf den Schultern gespürt. Tränen schossen mir erneut in die Augen und ich brach zusammen. Nicht weil sie mich schon wieder verlassen hatten, sondern weil ich zu dumm war, die Leute zu erkennen, die mich wirklich brauchen. Meine Frau kniete sich zu mir nieder, nahm meine Hände in ihre und hob meinen Kopf an. Ihre Wärme machte sich sofort in mir breit. Langsam sagte sie zu mir:"Dieses Versprechen, was du mir damals gegeben hast, wirst du doch nicht brechen?". Ich blickte in ihre himmelblauen Augen und schüttelte leise den Kopf. "Das kann ich nicht..". Dann half sie mir hoch und nahm mein Gesicht in ihre Hände. "Ich werde immer bei dir sein. Das werden wir alle. Und falls du mich nicht findest, nimm deine Tochter in den Arm. Wenn du bei ihr bist, bist du auch gleichzeitig bei mir. In ihr lebe ich weiter.". Ich schloss sie noch ein letztes Mal in meine Arme. Spürte ihre Nähe und ihre vertraute Wärme. Ich spürte auch wie ihre Tränen meine Rücken hinunter kullerten, nur um danach auf magische Art und Weise wieder zu verschwinden, kurz bevor sie den Boden berühren. "Vergiss das bitte nicht.", flüsterte sie nach einer Weile. "Ich liebe dich." - "Ich liebe dich auch Astrid.". Das brachte ich gerade noch so heraus. Als letztes spürte ich noch einmal das wohlige Gefühl, geborgen zu sein, dann war ich weg.

Mein Kopf tut weh. Ich fasse mir ins Gesicht und reibe ein Auge wach. War das etwa alles ein Traum? Ich befinde mich in meinem Zimmer, im Bett. Vorhin hab ich doch.. "Hicks! Du bist wach!", schreit eine nur zu bekannte Stimme. Stürmisch rennt sie auf mich zu und umarmt mich noch im Liegen. "Heidrun.. Du bist hier?", sind die einzigen Worte, die mir im Moment einfallen. Aber sie ist still. Meine alte Freundin steht halb gebückt da und umarmt mich. Oft hat sie das ja noch nie gemacht. Plötzlich lässt sie mich ruckartig los und steht scheinheilig vor mir. Ich falle unsanft auf mein Bett. "Au!" - "Oh Thor! Tut mir leid.". Ich muss unwillkürlich lächeln. Sie hat sich wirklich kaum verändert. Ihr schwarzes Haar hat sie nach hinten geflochten und die Kampfrüstung wurde gegen eine normalere Kluft ausgetauscht. Dennoch blitzt ein kleines Messer aus einer Tasche hervor. Sie setzt sich auf die Bettkante und ich mich neben sie. Plötzlich wird mir schwindelig und ich muss mich mit beiden Händen stützen um nicht um zufallen. "Woh, wie lange war ich denn weg?", frage ich. Sie blickt mich ernst an. "Du warst drei Tage weg. Gestern Morgen hat mich die Nachricht erreicht und ich bin sofort hergekommen. Jeder hatte die Befürchtung, du würdest nicht mehr aufwachen..". Ich blicke starr auf meine Schenkel. Drei Tage? Das kam mir gar nicht wie drei Tage vor. "Aber nun bist du ja wieder wach und.. nun ja ich habe von den Jüngsten Ereignissen gehört. Das tut mir unsagbar leid.". Ich unterbreche sie:"Nein schon okay.." - "Nichts ist okay! Hicks, du hast so viel verloren in letzter Zeit. Jetzt bist du zusammengebrochen. Glaubst du, du kannst einfach so weiter machen wie bisher?". Stille. "Es tut mir leid.. Ich wollte dich nicht daran erinnern.. Das war dumm.", sagt sie nach einer Weile. "Schon gut.",antworte ich wieder. Wir sitzen immer noch stumm auf meinem Bett. Der Schwindel lässt allmählich nach. Heidrun wollte mich eigentlich schon nach Astrids Tot besuchen, aber zu der Zeit wüstete ein schwerer Sturm über ihre Insel und so hat sich ihr Besuch immer weiter aufgeschoben. Sie hat nur per Post von den Unglücken erfahren. "Hast du nicht genügend Zuhause zu erledigen, als hier mein Bett zu bewachen?" - "Hicks! Tu nicht so als wärst du mir nicht wichtig!". Sie seufzt. "Du weißt nicht wie besorgt wir alle um dich waren. Sogar auf meiner Insel war schnell nichts mehr von der Geburt der Drillinge zu spüren, nachdem uns die Nachricht erreichte.". Ich muss schon wieder lachen. "Ihr habt jetzt Drillinge dort? Hoffentlich werden sie nicht wie Taffnuss und Raffnuss.", scherze ich. Sie lacht und stimmt mir zu. Dann hören wir Gepolter, das auf die Tür zu kommt und Dagur platzt herein. Als er bemerkt,dass ich wach bin stürmt auch er auf mich zu und drückt mich fest. Allerdings zu fest. "Oh Dagur.. *wurgs* nicht so fest, mir gehts ja gut..", versuche ich ihn vergebens von mir zu entfernen. Dann ist er endlich fertig und lächelt mich herzlich an. "Hicks! Bruder! Schön dass du wieder da bist! Wir hatten schon Angst um dich, nach dem ganzen..". Heidrun stößt ihm in die Seite, der zeigt sich zwar unbeeindruckt, aber hört auf zu reden. Stattdessen läuft er jetzt quer durch das Zimmer. "Hast du eigentlich deine Tochter schon begrüßt? Ich fürchte sie mag ihren Onkel Dagur nicht sonderlich..", sagt er, während er meine Kleine in den Arm nimmt und sie begrüßt. Die zeigt sich aber nicht sehr kontaktfreudig und schreit und wehrt sich was das Zeug hält. Ich lache los und scherze, während Heidrun sie ihm schnell abnimmt und zu mir bringt:"Woran wird das wohl liegen?". Dann übergibt sie sie mir und ich erinnere mich daran, was Astrid im Traum zu mir gesagt hat. Wenn ich bei unserer Tochter bin, bin ich auch bei ihr. Zum ersten Mal spüre ich sie ganz deutlich. Sie sind alle hier. Meine Kleine versucht sich spielend meine Nase zu schnappen. Ich halte sie ganz nah und sie nuckelt verträumt an ihrem Daumen. Die beiden Besucher beobachten mich dabei. Heidruns Hand liegt auf meinem Bein und beinahe denke ich, es wäre Astrid, der gerade Tränen die Wange hinunter kullern. Meine eigenen können sich im Moment aber auch nicht mehr halten. Vielleicht war das alles ja doch kein Traum?

-Ende-


Wow.. 2549 Wörter..uff.. O-O

One-Shots (Httyd)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt