Sitzen gelassen

205 9 0
                                    

Trey lotste uns zu einem freien Tisch mit Sitzbänken. Leah setzte sich dicht zu ihm. Gott, es war so ätzend wie glücklich sie wirkten. Selbst Trey. Ich hatte nie erwartet, dass hinter seinem Aussehen doch ein sanfter Riese steckte. Doch er war womöglich ein Einzelfall, denn Luke und Evan schienen genau das Gegenteil zu sein. Ich konnte sie nicht einschätzen. Zumindest Luke nicht. Evan war nett. Er war Anwärter, also ein Prospect und deswegen hatte er nicht besonders viel zu sagen. 

Zum Glück war Evan von sich aus gesprächig und ich war nicht gezwungen mir irgendetwas einfallen zu lassen, worüber ich mit Luke reden konnte. Tja, Trey und Leah fielen aus. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt sich vor allen anderen aufzufressen.

Ich blies meine Wangen auf, als die beiden ernsthaft aufstanden und Trey sich bei seinen Freunden entschuldigte. Er würde ihr das obere Stockwerk zeigen. Mir wurde kotzübel, wenn ich darüber nachdachte, was sie nun tun würden.

"War klar", brummte Luke beinahe schon selbstzufrieden, "Da hat Trey mal eine und schleppt sie direkt in sein Zimmer."

Evan lachte und nahm einen letzten Zug aus seinem Bier.

"Ich mach mich", verkündete er, "Ich muss morgen früh raus. George hat einen Auftrag für mich."

Luke klatschte seine Hand ab und schon verließ Evan das Clubhaus. Durch die Fenster sah ich, wie er auf ein Motorrad stieg und es startete. Mein einziger Lichtblick an dem Abend verschwand einfach.

"Ihr wohnt hier?", fragte ich beiläufig, "Alle, meine ich."

"Nein", wehrte Luke amüsiert ab, "Nur Trey, ich, George und seine Frau."

Ich runzelte die Stirn. Wollte ich tiefer gehen und fragen weshalb? Nein. Hatte ich ein anderes Thema, über das ich reden konnte? Ebenfalls nein.

"Dann seid ihr die Bosse hier?", riet ich ins Blaue hinein. Mein Gegenüber lachte auf.

"Na, schön wäre es", entgegnete er, doch ließ sonst nichts durchscheinen.

"Hm", machte ich nur und starrte wieder nach draußen. Wie konnte Leah mich einfach so sitzen lassen? Die konnte sich morgen was anhören, ich war stinksauer.

"Und du bist Leahs beste Freundin?", fragte Luke. Wow, der Unnahbare stellte auch eine Frage. Ich nickte und versuchte nicht allzu begeistert auszusehen. Ich konnte genauso gut geheimnisvoll sein.

"Du erinnerst dich an das Atlanta Rocks nicht mehr", stellte er provokant fest, "Du warst ziemlich dicht, hm?"

Ich stierte ihn wütend an. Natürlich war ich das gewesen.

"Habe ich mir gedacht", schmunzelte er, "Da warst du nämlich ganz witzig gewesen. Und nicht so verklemmt."

Verklemmt. Ein Stichwort, bei dem man mich immer schnell aufstacheln konnte. Ich war nicht verklemmt. Sozial unfähig, ja, vielleicht, aber verklemmt nicht. Es hatte nur nie einen Typen gegeben, der mich länger interessierte als ein paar Tage, denn die meisten waren vom gleichen Schlag.

Ich holte schon Luft um etwas zu erwidern, doch rief mich zu Raison. Was blieb ich überhaupt noch hier. Ich erhob meinen Mittelfinger, ließ ihn jedoch schnell sinken, weil mir einfiel, dass ich in einem Clubhaus voller potenziell bewaffneter Mörder saß, deren Mitglied ich gerade beleidigte. Ich stand auf und stolzierte einfach zur Tür hinaus. Beinahe wollte ich mir auf die Schulter klopfen, für diese überaus erwachsene Reaktion. Ich war nicht ausgeflippt und hatte vor allen die Zicke gemimt. Die verklemmte Zicke, wenn man es so wollte.

Ich fischte mein Handy aus der Jackentasche und rief aus einer Eingebung heraus meinen Bruder an. Der würde nicht so ausrasten, wie meine Eltern wenn ich ihn mitten in der Nacht anrief. Genauer, um zwei Uhr sechsundzwanzig.

Nicht nichts...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt