Stunde der Wahrheit

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"Wo ist die Toilette?", krächzte ich ziemlich erbärmlich. Lukes Augen verdüsterten sich nachdenklich und er deutete mit der Zigarette zwischen den Fingern hinter die Bar, welche die Tür mit dem eindeutigen Toilettenzeichen verdeckte. Ich eilte dorthin, drückte die schwere Tür auf und verschwand in der kleinen Kabine mit dem Männchen mit Kleid darauf.

Als ich mir die Hände wusch, spritzte ich mir ein paar kühle Tropfen des Wassers ins Gesicht und hoffte nicht allzu erschrocken auszusehen.

Vorsichtig tupfte ich es wieder ab und atmete tief durch. Ich kniff mir in die Wangen um nicht so blass auszusehen und verließ die kleine, altmodische Toilette wieder.

Luke stand auf, als er mich sah und sprach etwas zu Tony. Ich blieb mehr als verwirrt neben ihm stehen.

"Kommst du kurz mit raus?", fragte er, "Ich wollte dir die Werkstatt zeigen."

Ich nickte verwirrt und folgte ihm. Er hielt mir die Tür auf.

Im Hof selbst war es stockfinster. Eine Straßenlaterne vor der Einfahrt leuchtete schwach und war, neben den hell erleuchteten Fenstern, die einzige Lichtquelle. Lukes Gesicht leuchtete auf, als er sich eine neue Zigarette anzündete und er einen klimpernden Schlüssel zückte, um eine Tür aufzuschließen.

"Da ich nicht davon ausgehe, dass du mich hierhergebracht hast um mich zu überfallen und mir die Zunge in den Hals zu stecken, wüsste ich gerne, warum wir hier sind", schlussfolgerte ich.

Luke führte mich wortlos ins Innere der Werkstatt, schaltete eine Schreibtischlampe auf einem Tisch an, die den Raum in geheimnisvolles Licht tauchte. Ein altes Auto war direkt auf uns gerichtet und schien uns aus seinen leeren Scheinwerfern anzustarren. Der Geruch nach Autowerkstatt war hier drin übermächtig.

"Du sahst eben so aus, als könntest du frische Luft gebrauchen", meinte er leichthin, "Und als wolltest du reden."

"Ich will nicht reden", warf ich ihm schnell eingeschnappt entgegen.

"Tja, dann kann ich dich ja auch überfallen", witzelte er und machte Anstalten auf mich zuzugehen. Ich hob abwehrend meine Hände.

"Schon gut", japste ich, "Schon gut, ich rede ja schon."

Die Panik die mich ergriffen hatte, schluckte ich schnell herunter. Na, als ungeküsst würde ich mich jetzt nicht direkt bezeichnen. Aber ich war mir nicht sicher, inwieweit die Definition von "Ungeküsst" sich von der unterschied, die man hatte als man zwölf oder dreizehn war. Die freundschaftlichen Küsschen mit Leah zählten selbst meiner Meinung nach nicht. Flaschendrehenküsse schon. Schlabbrige Zungenküsse - Fehlanzeige. Ich war in der Hinsicht wirklich ein unbeschriebenes Blatt. Wenn Gott mich zur unbefleckten Empfängnis erwählen würde, so würde es mich nicht wundern, wenn mir ein Engel erschien und mir das verkündete.

"Also?", forschte Luke nach, da ich einige Sekunden geschwiegen hatte.

"Was willst du denn überhaupt wissen?", fauchte ich.

Ich verschränkte meine Arme und lehnte mich trotzig gegen die Werkzeugbank. Ohja, reife Reaktion.

"Ich habe mich gefragt, worüber du eben nachgedacht hast, als du so blass wurdest. Ich glaube, Tony hat es nur nicht bemerkt, weil er schon einige Biere gezwitschert hat", raunte Luke und lehnte sich, unheimlich dicht neben mir, ebenfalls gegen die Arbeitsplatte. Sein Ellenbogen berührte meinen Oberarm und ich zuckte zusammen.

"Okay, ich rate ja schon", lachte er beschwichtigend, "Also, du bist keine Spionin des FBI, davon gehe ich nicht aus, aber es würde seine unsoziale Art erklären."

Ich schnappte empört nach Luft.

"Du hast mal was von dem Ende der Nahrungskette gesagt", bemerkte Luke und traf beinahe zielgenau. Meine Reaktion bestätigte seine Vermutung.

Nicht nichts...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt