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------------- Lea's Sicht -------------

Ein neuer Tag beginnt, ich bin gut gelaunt und mir fällt ein, dass wir heute das Thema "Wie Vögel sich unterhalten" haben.
Ich liebe Vögel und wie sie sich gegenseitig Lieder vorsingen, ist einfach nur faszinierend.

Nachdem ich mich kurz frisch gemacht habe, gehe ich in unsere kleine Küche, in der fast alle Möbel aus geflochtenem Holz bestehen. Außer die Theken. Die sind aus Stein. Sonst würde noch das ganze Haus abfackeln.
Meine Tante Belle hat mein Essen schon vorbereiten. Es gibt zum Frühstück Blaubeermus mit selbst gebackenem Brot.
Wir essen oft Mus aus verschiedenen Früchten mit Brot.
Belle kann sehr gut kochen und backen, ein Wunder, dass ich nicht übergewichtig bin.
Aber ich renne auch viel rum, da manche Tiere ziemlich schnell sind, müssen wir jeden Tag 10 Minuten laufen gehen. Sonst könnten wir auf keinen Fall mit ihnen mithalten.

"Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?", fragt meine Tante mich. Sie ist immer gut gelaunt und jeden Morgen schenkt sie mir Motivation und Freude. Ich bin ihr so dankbar für alles!
"Ja, aber du weißt ja. Ich würde gerne noch länger schlafen, aber Unterricht und die Tiere gehen vor", erwidere ich.

Es ist ganz wichtig, dass wir uns um die Tiere kümmern, denn würden wir unsere Arbeit langfristig vernachlässigen und der Rat das mitbekommen, dann müssten wir Monatrium verlassen.
Niemand, der hier lebt, weiß, was außerhalb Monatrium ist. Das macht mir irgendwie Angst und deshalb gehe ich immer zur Arbeit, selbst wenn es mir mal nicht so gut geht. Ich möchte nicht die Schuld dafür tragen, dass Belle und ich verband werden.
Sie ist für die Insekten zuständig und meine Altersgruppe lernt eigentlich fast den ganzen Tag verschiedene Bereiche und Themen, damit wir uns, wenn wir 17 sind, auf eins beschränken können.

Am besten gefallen mir bis jetzt die Vögel. Sie wirken so frei und können überall hinfliegen. Es ist jedes Mal wunderschön, wenn man sie singen hört und deswegen freue ich mich noch mehr über den Unterricht heute.

Nach dem Essen verabschiede ich mich und gehe zum Unterricht. Wir treffen uns heute an einem Bach, er ist nur ungefähr 5 Minuten von unserem Haus entfernt.
Ich bin früher oft dorthin gegangen, mit meiner Freundin Marie. Doch jetzt ist sie weg und ich werde sie nie wieder sehen. Nie wieder umarmen können, nie wieder ihr Lachen hören, ihre Nähe spüren, ihre süßen Sommersprossen zählen oder mit ihr zusammen die Natur und die Tiere bewundern.
Jedes Mal, wenn ich an sie denke, dann schießen mir die Tränen in die Augen. Ich fühle mich so leer ohne sie, denn ich glaube, sie ist der einzige Mensch, der je so viel über mich wusste als irgendjemand anderes. Sie kannte mich manchmal besser, als ich mich.

Am Bach angekommen, in Gedanken immer noch bei Marie, sehe ich Miss Leo und noch einige andere Schüler bereits dort warten. Ich schaue auf meine Uhr, um mich zu versichern, dass ich nicht zu spät komme. Nein, genau pünktlich.

"Guten Morgen. Wie wir gestern schon besprochen haben, werden wir heute das Thema Vögel durchnehmen. Wir spezialisieren uns auf ihre Kommunikation und was die Melodien, die sie singen, genau bedeuten. Bildet bitte Zweierpaare und folgt mir!", sagt Miss Leo.
Ich schaue mich um und suche nach Matt. Wahrscheinlich ist er mal wieder zu spät, so wie fast jeden Tag. Ein Glück, dass Miss Leo das irgendwie nie mitbekommt.
"Hey Lea!", höre ich jemanden hinter mir sagen. Ich drehe mich um und vor mir steht Matt. War ja klar, er ist zu spät!
"So wie jeden Morgen. Matt, wenn Miss Leo das irgendwann merkt, dann bekommst du so Ärger. Steh doch einfach früher auf!", motze ich ihn an. Er ist mein bester Freund, vielleicht sogar schon mehr als das. Für mich jedenfalls, ist er mehr als nur das.
"Ich pass schon auf. Mach dir nicht immer so viele Sorgen!", meint Matt. Er nimmt meinen Kopf in seine Hände und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Ich lächle ihn an und erkläre ihm, dass wir Zweierpaare bilden müssen.
Dann folgen wir Miss Leo und den anderen.
Ich kenne mich hier so gut aus, dass ich sofort weiß, wohin wir gehen.
Tiefer im Wald gibt es mehr Vögel und außerdem halten sich an einer Stelle, an einem anderen Bach, sehr viele verschiedene Arten von Vögeln auf.

Ich hatte Recht. Wir stoppen direkt an dem Bach und wenn man nach oben schaut, sieht man überall Vögel und auf fast jedem Baum hier sind Nester.
"Es ist so wunderschön hier", flüstert Matt mir ins Ohr. Sein Atem kitzelt ein bisschen und ich muss lachen.
Ich weiß nicht, was genau mit Miss Leo nicht stimmt, aber sie bekommt einfach nichts mit.
Hier könnte jetzt ein riesiger Tiger vorbeirennen und ich wette, sie würde es einfach nicht merken. Erst wenn man sie antippt, oder ganz nah bei ihr steht, dann versteht sie, was man sagt.
Irgendjemand muss doch mal was erfinden, was Schwerhörigen hilft.
Es gibt ja auch Brillen, die einem bin Sehen helfen. Vielleicht sind wir aber einfach noch nicht so weit.
"Schaut euch bitte mal diesen Vogel hier links von euch genauer an. Dann achtet bitte auf die Melodie, die er singt. Notiert Beobachtungen und versucht diese zu erläutern!" Miss Leo lässt uns sehr viel selbst machen, das gefällt mir sehr an ihr. Sie behandelt uns unserem Alter entsprechend und nicht wie Dreijährige. Im Gegensatz zu einem unserer anderen Lehrer.

Wir schauen den Vogel lange an und verfolgen genau, wie er sich bewegt und was er macht. Dann achten wir auf die Melodie und und fällt auf, dass er immer das Gleiche singt, außer am Ende. Da ändert sich jedes Mal die Melodie.
"Das ist wirklich merkwürdig, aber auch sehr interessant. Kannst dir vorstellen, wieso er das macht?", fragt mich Matt und ich bin genauso beeindruckt, wie er.

Nach einer guten Stunde, wissen wir deutlich mehr und haben viele Notizen gemacht. Wir besprechen sie mit Miss Leo und wir sind,mit einer weiteren Gruppe, die einzigen, die das mit der Melodie gemerkt haben. Es war aber auch nur eine minimale Veränderung.

Um 14 Uhr beendet Miss Leo den Unterricht, wir dürfen jetzt nach Hause gehen, oder Arbeiten gehen. Normalerweise mache ich Letzteres, aber Matt und ich haben uns heute frei genommen.
Wir gehen auf eine große, wunderschöne Lichtung. Dort verbringen wir einen großen Teil unserer freien Zeit.
Miss Leo hat uns aufgegeben, einen weiteren Vogel zu finden, der genau das Selbe macht wie der rote. Ich habe schon vergessen, wie er hieß.
Nach wenigen Minuten lauschen, höre ich hinter mir einen Vogel singen, der seine Melodie ebenfalls ändert. Ich drehe mich langsam um und sehe einen gelben, kleinen Vogel auf einem Stein sitzen.
"Du bist also der Sänger, von dieser schönen Melodie! Wieso änderst du sie am Ende?", frage ich eher mich als ihn. Er wird mir sowieso nicht antworten. Ich kam nicht mit Tieren sprechen. Tante Belle kann das, da ist sie aber auch nicht die einzige. Viele hier in Apriol können das. Es ist auch sehr praktisch, wenn man mit ihnen Arbeitet.
Meine Fähigkeit habe ich noch nicht entdeckt. Es gibt nur wenige in meinem Alter, die schon wissen, was sie können. Matt weiß es auch noch nicht. Spätestens mit 17 zeigt sich das aber bei allen.
Ich würde mir wünschen, dass ich auch mit Tieren reden kann, denn ich liebe Apriol und es ist einfach sehr praktisch das zu können, wenn man hier lebt.

Nachdem ich meine Beobachtung mit dem gelben Vogel notiert habe, wandern meine Gedanken zu Kacie. Ich denke oft an sie, denn ich würde mich so sehr freuen, wenn ich ihre Gedanken endlich wieder hören könnte. Ich vermisse es, mich mit ihr zu unterhalten und ihre Welt ist so anders, als meine. Ich habe das Gefühl, dass viel mehr dahinter steckt, als ich eigentlich vermutet habe.
Ich meine, wir leben in verschiedenen Welten, wir kommunizieren über Gedanken. Wir kennen - naja, nicht mal das eigentlich - beide nur ein Elternteil, haben dieses Zeichen auf unseren Händen und das muss ja alles irgendwie zusammenpassen. Aber die weiteren Puzzleteile, können wir nur finden, wenn wir uns unterhalten.
Also müssen wir so lange warten, bis ich sie wieder höre. Dann dürfen wir nicht lange zögern, sondern müssen so viel, wie nur möglich rausfinden. Wer weiß, wann wir sonst das nächste Mal miteinander reden?
Ich habe bis jetzt, noch keinem etwas darüber erzählt. Vielleicht sage ich es Matt irgendwann, aber jetzt noch nicht. Ich weiß selbst noch so wenig und es ist nicht sicher, dass es sie wirklich gibt.

Was, wenn Sam nicht mehr aufwacht? Die Ärzte müssen doch irgendwas tun können! Verdammt nochmal, wieso musste das alles passieren?

Da ist sind sie wieder, ihre Gedanken.
Doch jetzt ist sie auf einmal weg. Ich drehe noch durch. Wieso können wir uns nicht einfach ohne Unterbrechung unterhalten?
Aber viel wichtiger ist jetzt, wer ist bitte Sam und was ist da passiert?

Voice inside my headWo Geschichten leben. Entdecke jetzt