Kapitel 1

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OC Marie
Wie immer komme ich ins Stadion und begleite die Mädels bei jedem Länderspiel, das Zuhause stattfindet, als Fan natürlich. Immer wieder sitze ich weiter vorn, bin oft relativ früh da und schaue sehnsüchtig zu, wie sie trainieren. Jedes mal denke ich mir, ich will das auch können. Aber so kann ich es nicht einmal Ansatzweise. Ich kann es kaum, obwohl Fußball schon immer ein Kindheitstraum war. Nun bin ich 18 und konnte es bis auf ein bisschen bolzen nicht verwirklichen. Warum? Ich blicke auf meine Beine hinunter und denke nach. Mein Handicap, darum. Optisch sehen sie unversehrt aus und eigentlich kann ich laufen und Sport treiben. Aber noch nie konnte ich mit den anderen mit halten. Es war zum einen die körperliche Einschränkung und vor allem auch eine psychische Blockade. Nie habe ich mich getraut. Aber ich bin jetzt hier und feuere bald die Mädels an. Ich schaue ihr immer wieder beim Training zu, so eine intelligente und authentische Spielerin und vor allem eine fröhliche Person. Sie bemerkt wohl meinen Blick und dreht sich um. Wie immer sitze ich da, schaue ihr zu und winke, wenn sie zu mir rüber schaut und das ist heute nicht das erste Mal. Ihr Dutt und ihre Tattoos, wie ich ihre Merkmale liebe, sie ist einfach ein Vorbild. Ja, Anja Mittag ist ein großes Vorbild und das, obwohl ich kein Fußball spiele. Diese Tatsache macht mich wieder traurig und ich schweife den Blick von weg. Hat sie bemerkt, dass ich nachdenklich bin?
Ein erneter Blick zu ihr verrät mir, dass sie nun lächelt und sich wieder ihrer Übung widmet.

Langsam füllen sich die Reihen und es geht gleich los. Alle Daumen sind gedrückt, damit sie heute gegen England gewinnen. Es ist wieder ein schnelles, aggressives, aber faires Spiel. Keine der beiden Mannschaften lässt was herschenken. Nun aber ein sneller Konter der Engländer. Saskia und Tabbi kommen nicht hinterher und auch Natze muss jetzt leider dem Ball nachsehen. 0:1, verdammt! Egal, weiter kämpfen! Aber irgendwie will das nicht so ganz klappen.
Poppi, Anja und sogar Lena versuchen es, doch der Ball will einfach nicht rein.
In der 2. Hälfte ist nicht wirklich was passiert. Doch in der 86. Minute kommt Simone mit einem wundervollen Pass auf die freie Anja, die den Ball einfach frech platziert und den Ausgleich rettet. Freude kommt auf, bei den Fans, bei den Mädels und ganz besonders bei Anja und Simone. Kämpfen und nicht aufgeben, das ist das, was Anja immer ausstrahlt

Pov Anja
Eigentlich war das Spiel ja nicht so gut, aber wir haben am Ende noch mal alles gegeben und zusammen den Ausgleich erzielt. Es ist ein gutes Gefühl. Ich lasse mich auf den Rasen fallen und genehmige mir eine ordentliche Portion Wasser.
Die Tribünen leeren sich schon langsam und es sticht immer eine heraus. Wer ist dieses eine Mädchen, das mich immer wieder beobachtet und bei fast jedem Heimspiel dabei ist? Sie ist bereits beim Aufwärmen da und geht meistens sehr spät. Und immer wieder dieser sehnsüchtige Blick, den sie ausstrahlt, was hat das zu bedeuten. Es interessiert mich wirklich, sie ist geheimnisvoll und kommt sehr schüchtern rüber, hat dennoch eine sympathische Erscheinung. Am liebsten würde ich fragen, was ihr an mir so gefällt, denn ich werde immer wieder von ihr beobachtet, was mich nicht stört, aber diese Sehnsucht und Unsicherheit in ihren Augen macht mich einfach neugierig.

Pov Marie
Ich sitze noch da und schaue in die verschiedenen Gesichter. Es sind gemischte Gefühle, aber trotzdem sind alle stolz auf das Ergebnis. Wieder vertiefe ich mich in meine Gedanken und schau einfach ins Leere.
Wie gerne würde ich im Sturm spielen, vorne die Kontrolle über den Ball haben, Tore machen, Tore vorbereiten, jubeln, trauern, siegen, verlieren, so wie Anja. Ja, so will ich sein. Kämpferisch und bodenständig. Das erste beherrsche ich bereits, fehlt nur noch das andere.
"Hallo."
"Ha, Anja?", sage ich aus Reflex, ohne zu gucken wer hier ist. Und...es...es IST ANJA.
"Anja, A.."
"Tut mir furchtbar leid, ich wollte dich nicht erschrecken"
"Anja..", hallo, Marie! Komm wieder zu dir! Ich kann es immer noch nicht fassen, wer hier vor mir steht.
"Ja, so heiße ich und du?", sie lächelt mich an und wartet auf meine Antwort.
"M..Marie", oh nein! Nicht jetzt, nicht weinen, nicht vor meinem Liebling. Aber zu spät, sie hat meine Tränen bemerkt, schaut besorgt und setzt sich zu mir.
"Marie? Ist alles in Ordnung?"
"Ich kann es nicht glauben, dass du mich ansprichst, du, mein Vorbild, mein Liebling."
"Bin ich das? Spielst du auch?", hiermit trifft sie ins Schwarze und ich weiß nicht warum, aber ich habe das Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen und los zu weinen. Sie reagiert sofort, streift mir über den Rücken und beruhigt mich.

Mein Wegbegleiter Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt