Alec

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"Was tust du denn da?" zischte leise eine Stimme vor mir. Ich hätte ja geantwortet, hätte ich nicht zu hundert Prozent gewusst, dass die Person nicht mich meinen konnte. "Was schon? Ich mache sie los." murmelte eine ebenfalls männliche Stimme, die jedoch einen Hauch höher klang, als die erste. Ich kannte beide Stimmen nicht, was mich unwillkürlich darauf schliessen lässt, dass sie nicht hierher gehörten. "Mach sie nicht los, wir sind nicht hier, um Mädchen zu befreien." zischte die erste Stimme wieder. Meine Augen waren geschlossen und selbst wenn sie offen wären, hätte ich wegen meinen dunklen Haaren, die über mein Gesicht fielen, eh nichts erkannt. "Was schlägst du vor, Alec? Sollen wir sie einfach hier lassen?" Alec... ein merkwürdiger Name. "Nein, aber wir nehmen bestimmt keine Verrückte mit..." "Jungs, egal was ihr tut, tut es schnell, lange werden wir nämlich nicht mehr alleine bleiben!" Eine dritte Stimme, eine weibliche Stimme, gesellte sich dazu. Schnell wurde mir klar, wer hier das sagen hatte. Das Mädchen. Meine Sympathie für sie wuchs, obwohl ich nur einen Satz von ihr gehört hatte. Sie war stark, Männer dachten immer, sie hätten die Kontrolle über die Welt, über die Frauen, doch wir Frauen beherrschen eine Kunst, die sie nicht verstanden. Wir zogen die Fäden, wir regierten, Männer waren nur die Marionetten, die unsere Befehle ausführten, unbewusst, dass das vielleicht gar nicht ihr eigener Wille war. "Sie ist eine Gefangene von Valentine... eine Verbündete..." "Sieh sie dir doch mal an, es sieht nicht so aus, als könnte sie überhaupt noch klar denken, lebt sie überhaupt noch?!" Wow, wie unhöflich... so schlecht sah ich nun auch wieder nicht aus. Klar, meineü zusammengesunkene Körperhaltung, mein Kopf, der nach unten hing und meine, ein wenig, verfilzten Haare, machten vielleicht einen anderen Eindruck, aber dennoch... persönlich musste er ja nicht gleich werden....

Nun eigentlich war es besser so, unterschätzt zu werden ist so ziemlich das grösste Geschenk, dass man einem machen konnte. Dieser Blick, den sie tragen, wenn sie dir flehend und verzweifelt in die Augen starren, bereuend, dass sie mich nur für ein harmloses, unschuldiges Mädchen gehalten hatten.

"Oh Scheisse!" zischte eine der Stimmen und laute Schritte erklangen. "Wen haben wir denn hier? Schattenjäger aus dem Institut, wenn ich mich nicht irre..." Wie ich diese Stimme doch liebte. Fast jeden Tag hörte ich sie und fast jeden Tag amüsierte ich mich prächtig dabei zuzusehen, wie er dachte, dass er der Sieger war und ich aufgegeben hätte. Jeden Tag fragte er mich, ob ich ihm nun erzählte, wieso ich hier war und so frei kam oder ob ich hier weiter "herumhängen" wollte. Tolles Wortspiel, mit herumhängen meinte ich leider tatsächlich hängen. Meine Handgelenke waren in Eisenketten an die Wand gekettet, meine Füsse berührten zum Glück noch den Boden, sitzen konnte ich nicht wirklich, dafür waren die Ketten zu kurz, aber ehrlich jetzt, es könnte schlimmer sein. Keine Sekunde hatte ich daran gedacht, ihm zu erzählen, wieso ich hier war, ich war definitiv nicht dämlich genug um zu glauben, er könnte mich danach frei lassen. Die Zeit hier, mittlerweilen vielleicht eine Woche, hatte mir genügend Zeit gegeben, um nachzudenken. Um Pläne zu schmieden.

"Wolltet ihr etwa die Kleine hier befreien?" Niemand der anderen antwortete. Die Schritte kamen näher zu mir, ich kannte die unterschiedlichen Schritte langsam gut genug, um zu wissen, wem genau diese schweren, hohlen Schritte gehörten. Raue Finger zogen meinen Kopf hoch, sodass meine Haare aus meinem Gesicht fielen und ich jede einzelne Person in diesem Raum genau erkennen konnte. "Ihr wolltet tatsächlich unsere kleine Irre hier befreien?" lachte er und zerquetschte beinahe meine Wangen mit seinen dreckigen Fingern. "Nun, da habt ihr aber nicht genau beachtet, dass diese Kleine hier so gut wie tot ist. Eine handvoll Tage ohne Essen und selbst die wildesten Tiger werden zu zarten Lämmchen, ist es nicht so ?" Er blickte mich fragend an. Ich brummte irgendetwas und so gab er sich mit der Antwort zufrieden. "Seht ihr, je schöner, desto verrückter sind sie Frauen." Innerlich kotzte ich gerade über sein Kompliment, liess mir äusserlich jedoch nichts anmerken. Meine Augen verdrehten sich und wieder verliess irgendein Brabeln meine Lippen. Der Typ grinste, strich mir über den Kopf und beobachtete, wie seine Kollegen die Eindringlinge wie mich an die Wand ketteten. "Wir haben also tatsächlich unser Leben für eine Irre riskiert." brummte einer der Eindringlinge, welchen ich nun zu mustern begann. Dunkle bis schwarze Haare, blaue Augen und gross, er sah einfach verdammt gut aus, wäre da nicht dieser scheiss Charakter, könnte ich mir sogar vorstellen, etwas mit ihm anzufangen, aber naja, man kann nicht alles haben.

Ømega (Alec Lightwood)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt