Viel zu früh hörte ich, wie die Lichtwelt aufwachte. Tuschelnde Stimmen, kein Regen mehr. Hitze. So viel viel viel viel viel viel viel viel viel
zu warm und doch im Herzen so kalt.
Wir leben nach den Regeln, nach den Vorschriften, die ein alter Mann einführte und die keiner zu stürzen wagt. Sie haben Angst, sich an nichts mehr festhalten zu können. Sie brauchen jemanden, der ihnen befiehlt, was sie tun und was sie lassen sollen, wissen noch nicht einmal, dass diese Angst in ihnen lebt.
Sie brauchen ihre Vorschriften fast genauso sehr, wie ich die Freiheit brauche. Schon seit einigen Jahren kam mir mein Käfig zu klein vor, ich wollte mehr als das, was sie von uns verlangten. So viel mehr.
Noch nie hatte ich diese Welt verstanden. Ob sie einfach den Horizont meiner Vorstellungskraft überschritt ?
Mit müden Gelenken rappelte ich mich aus jenem Bett, in das ich mich vor wenigen Stunden verkrochen hatte. Die Zeit, mich auszuruhen, konnte ich mir nicht erlauben.
So streifte ich mir lediglich eine helle Bluse über, von welcher ich jeden Knopf schloss, und trug dazu einen gepunkteten schwarzen Rock mit anständigen Schuhen, die sowohl elegant als auch praktisch waren.
Früher gab es etwas, was sie Schule nannten. Die wurde durch die Benehm-und Verhaltenslehre ersetzt, in denen uns beigebracht wurde, wie wir uns zu kleiden und zu Benehmen hatten.
Also noch mehr Vorschriften.
Ich verließ mein Zimmer mit einem wehleidigen Seufen.
Wie gern wäre ich in meinem Bett geblieben. Doch nun musste ich mir das Gerede einer alten Dame anhören, welche mir vorschrieb, was ich wann anzuziehen und was ich wie zu sagen hatte. Als hätte ich keine eigene Meinung. Sie versuchten es uns einzureden, ja. Aber der Zweifel in mir wuchs von Jahr zu Jahr.
Und mit dem Zweifel wuchsen auch die Angst und die Hoffnung.
Die Angst vor dem einen Tag, doch die Hoffnung auf Freiheit.
Die Angst vor diesem einen Tag war so groß. Sie würden mir das kleine bisschen Freiheit, dass mir bis jetzt verlieb, nehmen.
Mein Herz hatte keine Wahl mehr.
Denn sobald der Tag kam, würden sie ihm die Wahl abnehmen.
Sie würden mir vorschreiben, wen ich zu lieben habe. Sie würden mir sagen, wer ich zu sein hab.
Würden mir eine neue Identität wie einen Mantel überstreifen.
Ich würde nicht mehr ich sein,
sondern einfach nur einen Namen tragen. Ohne das meine Gedanken mich verließen, schlich ich die Treppe hinunter. Bei jedem Schritt war ein Rauschen meines Rockes zu hören, worauf ein leises Klackern meiner Schuhe folgte.
Rauschen, Klackern.
Rauschen, Klackern.
Rauschen, Klackern.
Zwanzig mal ein und dasselbe Rauschen, dasselbe Klackern. Eine monotone Reihenfolge von Geräuschen, die leicht überhört hätten werden können, jedoch in der Stille, die in unserem Haus im Gegensatz zu dem Lärm draußen herrschte, mehr einem überflüssigen Lärm glich. Aus unserer Küche war ein süßer Geruch zu vernehmen, ich vermutete, meine Mutter backte wieder einmal. Das tat sie gerne.
Es war ihre Art, dem Alltag zu entkommen. Schokokuchen. Den mochte ich am liebsten. Ich folgte der Spur des Geruches.
Nahm einen tiefen Atmenzug, sog die Luft und den Duft des Kuchens in meine Lungen.
Konzentrierte mich auf die verschiedenen Aromen.
Schokolade war die Hauptnote.
Dann war da noch etwas Vanillearoma.
Natürlich gefolgt von dem üblichen Geruch, den Kuchen verbreitete.
Ich setzte ein Lächeln auf, als wäre es eine Maske. Gewissermaßen war es dies auch. Meine Mutter drehte sich um, vermutlich hatte sie das Rauschen-Klackern samt Wiederholung gehört, bevor sie mich überhaupt hätte sehen können.
Vielleicht hätte ich doch ein anderes Schuhwerk wählen sollen.
Aber dieses war das einzige, was mir zu tragen erlaubt war.
Die zerbrechliche, einst schöne und anmutige Frau, welche mir gegenüber stand, schenkte mir ein gebrechliches Lächeln, was jeden Moment zu verschwinden drohte. Doch es hielt stand, lediglich die Mundwinkel meiner Mutter zuckten noch, doch das Lächeln ließ sich nicht unterkriegen, so schwach es auch wirkte.
Ich hoffte, dass die Bürden, die die Welt mir noch so auferlegen würde, mich nicht unterkriegten.
Wollte stark sein.
Für mich.
Für die Hoffnung.
Mit demselben Lächeln auf dem Gesicht wendete sich meine Mutter erneut dem Backofen zu, um den Kuchen (tatsächlich Schokoladenkuchen) herauszuholen.
Gerne hätte ich ein Stück gekostet, doch ich musste los. Musste raus.
In die Hitze.
Inmitten der Menschen,
die sich alle selbst belügten und ein Schatten ihrer selbst waren.
Doch das schlimmste war, dass ich noch immer tun musste, als wäre ich eine von ihnen.
Ob wohl wir alle wussten, dass ich es nicht war.
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Und wenn ihr fragen an mich habt oder Probleme, zu denen ihr einen Rat braucht, bin ich für euch da <3
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The devil within
Genç KurguSie weiß, dass er ihre Gnade sein könnte. Ihre Hoffnung. Ihre letze Hilfe. Er ist Engel oder Dämon. Gut oder böse. Leben oder Tod...