Kapitel 33 (Lavinia)

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Sirius staunte nicht schlecht,  als er mich aus meinem Zimmer abholte. Ich hatte eins meiner so verhassten Kleider ein wenig umgeändert, so,  dass es doch ganz gut aussah. Das knallige Rot war sanftem Dunkelblau gewichen und die grässlichen Spitzenapplikationen waren zu hübschen Stickereien am Saum geworden. Es war nicht mehr bodenlang, sondern bedeckte gerade nicht mehr meine Knie und flatterte aufgeregt um meine Oberschenkel. Es war Silvester und die Potters hatten gefühlt die halbe Zaubererwelt eingeladen. Wir waren vor drei Tagen von Hogwarts aus zum Anwesen der Potters gefloht, wir,  dass waren James, Sirius, Remus und ich. Peter war erst gestern gekommen, er meinte,  es sei ein Wunder, dass seine Mutter ihn schon vorher hatte gehen lassen. Euphemia Potter war eine herzensgute Frau, auch wenn sie manchmal zu fürsorglich wurde. Sirius und ich genossen dieses Gefühl,  umsorgt zu werden, in einer herzlichen, warmen Umgebung. Sie war es auch,  die uns Jugendliche damit beauftragt hatte, uns zeitig genug fertig zu machen. Ich war ihr sehr dankbar dafür, weil ich nach dem Quidditchspielen im Garten der Potters nicht wirklich vorzeigbar aussah. (Ich hatte Erfahrung in diesem Bereich, glaubt mir, niemand sieht es auf Reinblütertreffen gerne,  wenn man vollkommen durchgeschwitzt in Quidditchmontur aufkreuzt.)
Sirius Black hatte sich einfach nur den Festumhang übergelegt,  darunter trug er immer noch Jeans und ein ACDC-Shirt. Als Euphemia uns erblickte, blieb ihr Blick an Sirius hängen.
"Sirius! Are you kidding?", fragte sie  leicht erbost und fuhr, noch bevor Sirius mit seinem "No, I'm serious!" antworten konnte, zu dem er gerade ansetzen wollte, fort: "Go upstairs to your room and get ready! The robe doesn't count. Lavinia - Oh excuse me, Vinia,  could you help him? That would be very nice of you,  thank you!"
Also geleitete ich Sirius nach oben,  wo ich ihm erst mal ein weißes Hemd raussuchte.
"Here, it's okay if you wear your Jeans but please don't wear your ACDC-Shirt!" Er seufzte melodramatisch, tat dann aber doch, was ich sagte. Bevor ich mich umdrehen konnte. Man konnte nicht sagen, dass Sirius nicht gut aussah, eher im Gegenteil. Das harte Quidditchtraining als Treiber hatte ihm ordentliche Muskeln verpasst, insgesamt sah er einfach verdammt gut aus. Und bevor ich auch nur rot werden konnte (ich hatte die Geistesgegenwärtigkeit besessen,  nach dem Hemd zu greifen), drückte ich es ihm in die Hand und sah ihn abwartend an. Nach einem kurzen Moment des Zögerns machte er dann auch endlich Anstalten, das Kleidungsstück anzuziehen.
"Hey, Padfoot? Where are you? I can't find you!", drang eine Stimme auf einmal aus Sirius' Koffer.
Mein Ex-Verlobter holte einen Spiegel heraus und aus dem Spiegel starrte das Gesicht von James zurück.  Erst verwirrte mich dieses Bild, aber dann ging mir auf, dass es sich wohl um einen Zwei-Wege-Spiegel handeln musste.
"I'm in my room, your mum sent me here. Oh- and Vinia is with me, too! We're coming downstairs, okay?", vereinbarte Sirius und packte den Spiegel wieder in den Koffer.

Unten war alles festlich geschmückt und Euphemia war gerade dabei, die Tabletts zu verzaubern, damit sie in der Gegend umher schwebten und Getränke an die Leute anbieten sollten. Als ich ihr anbot zu helfen,  sah sie mich fassungslos an.
"But students are not allowed to perform magic outside of Hogwarts! Did nobody told you so?"
"Oh, yes, the boys mentioned that! But at home in Germany we're allowed to perform magic, no dark magic of course!" Ich demonstrierte das Gesagte, indem ich ein paar Funken aus meinem Zauberstab sprühen ließ.
Euphemia starrte mich für einen Augenblick lang an, dann zuckte sie resigniert mit den Schultern und verhexte ein weiteres Tablett. Ich fixierte den Rest der Tabletts und dachte daran, wie sie fliegen würden. Prompt erhoben sich die restlichen Tabletts in die Luft und umkreisten Euphemia, damit sie die Tabletts beladen konnte.
Unterdessen hatten die Rumtreiber das Feuerwerk vorbereitet. Die vier mussten auf normale Raketen zugreifen, die James' Vater, Fleamont, mit ein paar Zaubertränken aufgepimpt hatte.

Bald schon kamen die ersten Gäste. Ich erspähte ein paar bekannte Gesichter (vor allem welche, die ich länger nicht gesehen hatte), darunter auch die zwei Riedl-Schwestern, die Tanten wievielten Grades auch immer von mir waren, und die Schwester von Oncle Niclàs, Jeanette, samt Anhang in Form von Nadine, die sich die Gelegenheit zum Rebellieren wohl nicht hatte nehmen lassen, und Jeanettes muggelstämmigen Ehemannes. Bis ungefähr dreiundzwanzig Uhr verlief die Feier wie jedes gewöhnliche Großfest, das ich miterlebt hatte, mit dem Zusatz, dass ich die vier Rumtreiber im Gepäck hatte. Nach dreiundzwanzig Uhr lief die Feier jedoch ein wenig aus dem Ruder. Die Tabletts hatten munter ausgeschenkt und deshalb dauerte es nicht lange, bis man im gesamten Haus die keifenden Stimmen der Riedl-Schwestern hörte, die sich lauthals zankten. Das Thema dieses Streites hatte wohl niemand mitbekommen, was auch verdammt schwer war, weil sich die beiden in einer Mischung aus Deutsch, Französisch und Niederländisch anschrien. Wie sie dabei ernst bleiben konnten, war mir ein Rätsel. Nachdem die gesamte Feiergesellschaft die Schwestern ein paar Sekunden lang fasziniert angestarrt hatte, zerrten ein paar mir unbekannte Männer die beiden auseinander und griffen schlichtend in die Situation ein.
Aber der Abend wurde noch unvergesslicher. Ich unterhielt mich im Garten gerade angeregt mit Nadine über nonverbale Magie, als Sirius atemlos angerannt kam.
"Lavi, come! Hurry! Ya won't believe it!... James uncle... he's dancing..." Verwirrt sahen Nadine und ich den vor Lachtränen vollkommen aufgelösten Sirius an, beschlossen dann aber über einen Blick, ihm zu folgen. Das stellte sich als sehr gute Idee heraus, da James' Onkel wirklich tanzte. Er tanzte eigentlich sogar recht gut, für jemanden, der mehrere Gläser Feuerwhiskey intus hatte. Was aber am erstaunlichsten war, war, dass er nicht vom Tisch fiel, auf dem er tanzte. Nadine sah mich schockiert an.
"Is that...?", fragte sie fassungslos.
Ja, das war eine limonengrüne Perücke, die da schief auf seinem Kopf saß. In diesem Moment beschloss ich, nie so viel zu trinken, wie er (was ich dann aber irgendwann doch gemacht habe, es war den Kater übrigens nicht wert).

Die Ferien endeten viel zu schnell und bald fuhren wir wieder nach Hogwarts. Es war schön, wieder im Schloss zu sein und mit den Jungs die Sessel vor dem Kamin in Anspruch zu nehmen. In Hogwarts konnte ich mich richtig entspannen, musste mich nicht verstellen, konnte ich ich sein. Ich verbrachte mehr Zeit mt Hope, freundete mich sogar ein wenig mit Ginger und Lily an, die beiden waren eigentlich sogar sehr nett. Ginger konnte Wortspiele über ihre Haarfarbe und ihren Namen übrigens nicht leiden, Lily wollte nicht über James reden, sie fand, er wäre zu kindisch und aufgeblasen (ersteres konnte ich bestätigen, zweiteres nicht). Hope experimentierte wieder öfter mit Tränken, was sich manchmal als interessant, manchmal als lustig oder absurd, aber häufiger als sehr explosiv herrausstellte. Einmal fabrizierte sie ein Gemisch, das wir im Nachhinein als Freezer bezeichneten, welches die Grundlage mehrerer Streiche, Explosionen und Entdeckungen bildete. Der Freezer war im Gegensatz zu dem Heiltrank für Furunkel ein sehr gefährlicher Trank. Eine Berührung mit dem Trank in konzentrierter Form und man erlitt heftige Unterkühlung an den betroffenen Stellen. (Es stellte sich im nächsten Sommer heraus, dass, wenn man seine Kleidung wusch und zusätzlich zu dem Waschmittel ein wenig von Freezer hinzugab, die Kleidung immer leicht kühl blieb. Was im Sommer aber eine sehr angenehme Erfrischung war.)

Ich liebte Hogwarts, für seine Verrücktheit, für die Magie, die in jedem Stein, jedem Balken, jeder Tür, jedem Bild und jedem Flur steckte. Nein, wirklich! Aber es war manchmal echt nervig, wenn sich auf dem Weg zu Verwandlung auf einmal die Treppe versetzte und man sich in einem Korridor befand, in dem man noch nie gewesen war.
Ich wartete gerade mit den Rumtreibern auf Peter, der gerade noch in seinem Dorm sein Kräuterkundebuch suchte, als unser Gesprächsthema auf Hope und ihre Experimente fiel.
"You really made a list of how many times you blew up her cauldron?", fragte Remus erstaunt.
"Or the room, but yeah..." Ich zog ein mitgenommenes Stück Pergament aus der Tasche meines Umhangs, auf dem eine Strichliste in unterschiedlichen Tintenfarben zu sehen war.
"At the moment we're at onehundredthirtyon-" Ein entfernter Knall unterbrach mich, "Onehundredthirtytwo.  Why are you guys staring at me?"
"How did you know that that was Hope?" In Sirius sturmgrauen Augen funkelte die Neugier.
"We have an empatic link to each others brain. We can communicate  by thoughts. Can't wizards in England- Remus, shut up, I know, we're in Scotland!- do that?" Die Augen der Jungs hätte ich mit dem Schlagholz wegschlagen können, so groß waren sie.  Ich wartete ein paar Augenblicke, bis ich lachend zugab: "I'm kidding, guys! Hope told me yesterday about potion making in the early morning!" Erleichterung machte sich unter den drei Jungs breit. Ich lachte immer noch.
"You really believed me!"
Das Portrait öffnete sich und eine rußverschmierte Hope kam  hindurch.
"Did you hear that? I thought it wouldn't be that loud! Oh, and I almost blew our common room up. I maybe scared a few first-years! Vinia? Wir sind jetzt bei einhundertzweiunddreißig! Oh, hi Remus,  Sirius,  James! You're awake now?"

Memories... und die magische Entstehung eines Buches (HP FF/Rumtreiberzeit)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt