Kapitel 4

70 9 0
                                    

„Hast du dich schon gut eingelebt?" Ketil steht im Türrahmen und lächelt mich an.

„Ja, langsam fühle ich mich wie zu Hause." Ich zwinkere ihm zu.

„Das freut mich, Amaliya. Heute ist der letzte Freitag des Monats und wir gehen nach dem Feierabend meist noch in eine Bar. Möchtest du mitkommen?" Während dem letzten Teil des Satzes richtet er seinen Blick auf seine Hände. Ist er etwa verlegen?

„Ja, ich komme gerne mit. Danke."

Seine Augen sind nun wieder auf mich gerichtet. Sie leuchten vor Freude.

„Toll! Dann bis Später."

Eine Weile schaue ich auf den nun leeren Türrahmen. Türen gibt es hier nicht, denn wie das Motto hier so schön lautet: Man soll für Jeden und Jede die Tür offen stehen lassen.

Als ich am Abend in die Bar trete, empfängt mich ein etwas altmodisches Lokal. Neben den runden Holztischen steht etwas abseits ein Billardtisch. Einige Leute der älteren Generation verfolgen konzentriert die Wege der herumrollenden Kugeln. Mitten im Raum steht eine Musikbox, die den Raum mit Klängen der grössten Hits der 80-Jahre erfüllt.

„Amaliya! Wir sind hier!" Als ich seine Stimme höre, durchläuft mich ein wohliger Schauer.

Es ist einer dieser Abende an denen man zu viel trinkt und man nicht weiss, ob man Bauchschmerzen vom Lachen oder vom Alkohol hat. Zu oft erwische ich Ketils Blick auf mir. Nicht dass es mich stören würde, doch immerhin ist er mein Boss...

Schon lange nach Mitternacht begeben sich allmählich alle nach Hause.

„Findest du den Weg nach Hause?" Ketil legt seinen Arm um mich. Beide laufen wir torkelnd die Strasse herunter.

„Ja, ich denke ich werde den Weg finden. Danke, Ketil." Nur zu gerne würde ich noch weiter nur mit ihm durch die Strassen schlendern.

„Okay. Also ich nehme ein Taxi." Abrupt dreht er sich um und will davon laufen, ohne jedoch den kleinen Absatz neben sich zu sehen. Ehe ich ihn zurückhalten kann, landet er auf dem Boden.

„Hoppla." Er grinst und sieht mich an. Schnell laufe ich zu ihm, um zu sehen ob er sich verletzt hat. Wie ich im nächsten Moment sehe scheint alles okay zu sein.

„Komm mit. Du kannst bei mir auf dem Sofa schlafen, anstatt alleine durch die Gassen zu irren und noch einen Unfall bauen."

Der Morgen danach..

Gähnend trotte ich in die Küche und öffne den Kühlschrank. Ich habe einen Bärenhunger.

„Guten Morgen." Erschrocken drehe ich mich um. Ketil. Er steht oben ohne vor mir. Wenigstens trägt er Hosen... Mist! Ich nicht. Ich probiere mein zu grosses Shirt etwas herunterzuziehen.

„Ähm... Entschuldigung!" murmle ich. Wie konnte ich nur vergessen, dass Ketil auf meinem Sofa geschlafen hat?! Langsam erinnere ich mich wieder an den gestrigen Abend. Die Bar, die Musik, Ketils Augen, die Strassen, der Kuss. Der Kuss? Erschrocken über mich selber berühre ich meine Lippen.

In Sekundenschnelle wiederholt sich der ganze Abend in meinem Kopf. Ich spüre wie seine grosse Hand über meine Backe streift und sich in meinen Haaren im Nacken verliert, sehe wie sich sein Gesicht langsam dem meinem nähert, fühle das Kribbeln in meinem Bauch und wie mein Herz beinahe zwischen meinen Rippen hindurch springt. Seinen Kuss, der keinesfalls mehr verlangt, als diesen einen Moment zu geniessen. Seine Lippen, die so viel Liebe und Hingabe schenken, wie es keine zuvor gemacht haben.

Montagmorgen

Frisch und munter betrete ich das Büro. Es ist Montag und diejenigen, die schon im Büro sind, haben sich, wie ich sehe gut vom Freitagabend erholt.

„Hallo Amaliya!" höre ich Ketil aus seinem Büro rufen. Er hat ein eigenes Büro, während seine Mitarbeiter ihren eigenen Arbeitsplatz haben, jedoch alle im selben Raum arbeiten. Sie drehen sich zu mir um und grinsen. Wie peinlich. Warum grinsen sie denn alle? Diese Frage beantwortet sich von selbst als ich den riesigen Blumenstrauss auf meinem Schreibtisch sehe. Blitzschnell nimmt mein Gesicht die Farbe dieser vielen roten Rosen an. Ich ziehe einen kleinen Brief zwischen den Blumen heraus. „Vielen Dank für letzten Freitag und Samstag. Ich habe die Zeit mit dir sehr genossen und hoffe in Zukunft mehr Zeit mit dir verbringen zu dürfen. In Liebe, Ketil".

Schnell gehe ich in Ketils Büro um mich zu bedanken. Enttäuscht finde ich jedoch sein leeres Büro vor.
"Er hat ein Meeting, Amaliya", ruft mir seine Assistentin zu. Also schnappe ich mein Handy und verschwinde auf der Damentoilette.

„Oh wie süss! Meine Schwester hat einen Verehrer!" Schreit mir meine Schwester in die Ohren.

„Lexi! Er ist doch mein Boss!" versuche ich sie von ihrem Trip herunter zu holen.

„Ach, ist doch egal, solange er heiss ist, geht das schon in Ordnung."

Und ob er das ist! Doch das ist nicht das Ausschlaggebende. Es ist eher die Art, wie er spricht. Wie er lacht, wie er ist.

Kaum eine Woche später lädt er mich zu einem Abendessen ein.
Es nimmt seinen Lauf, dass wir jede freie Minute zusammen verbringen, was ziemlich einfach ist, denn immerhin arbeite ich für ihn. Und jede dieser Minuten macht mich schwächer, ihm zu widerstehen.

Das Dorf der GigantenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt