Kapitel 18

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Es stinkt. Ich sollte wieder einmal meine Kleider waschen. Mein Kopf schmerzt. Igitt wieso stinkt es so? Warum schmerzt mein Kopf? Habe ich zu viel getrunken? Ich drehe mich zur Seite und muss mich übergeben. Ich öffne meine Augen. Mein Kopf droht vor Schmerz zu zerbrechen.

Doch als ich den Grund sehe, warum die Luft von diesem Gestank erfüllt ist, vergesse ich jeglichen Schmerz. Keine zwei Meter von mir entfernt steht der Gigant. Er beugt sich über mich und sieht mich mit seinen grossen Augen an. Langsam stosse ich mich mit meinen Beinen nach hinten, um mehr Abstand zwischen mir und diesem Wesen zu bringen. Zentimeter für Zentimeter. Ich versuche ruhig zu atmen, doch der Ablauf „Einatmen-Ausatmen" scheint mir nicht wirklich zu gelingen.

Plötzlich spüre ich kalter Stein an meinem Rücken. Hinter mir ist eine riesige Felswand. Rechts und links Wald. Mit nur einem Schritt ist der Gigant wieder ganz nah bei mir. Ich fühle seinen Atem. Es scheint, als würde er mich beschnuppern. Vorsichtig hebe ich meinen Arm und strecke meine Hand zittrig nach ihm aus. Sanft berühre ich seinen Schnabel. Er ist übersät von kleinen Einkerbungen. Ich streiche über das harte Horn bis zu seiner Stirn. Meine Finger graben sich in das weiche Fell. Er schliesst seine Augen und drückt leicht gegen meine Hand. Ich beginne zu lächeln. Ein Gefühl des endlosen Glücks durchläuft meinen Körper. Es scheint als würde er meine Berührungen geniessen. Ein Geräusch entringt seiner Kehle. Es klingt wie das Schnurren einer Katze.

Viele Minuten vergehen. Der Gigant hat sich mittlerweile vor mir hingelegt und hat seine Augen geschlossen, während ich mit nun beiden Händen über sein Gesicht streiche. Fasziniert sauge ich jedes kleine Detail seines Aussehens in mein Gedächtnis auf. Ich bin so fasziniert, dass ich nicht bemerke, wie ein anderer, viel grösserer Gigant näher gekommen ist.

Plötzlich reisst mich der ohrenbetäubende Schrei aus meiner Trance. Der kleinere Gigant springt mit einer solchen Wucht auf, dass ich nach hinten gegen die Felswand pralle. Ehe ich es realisieren kann, spielt sich vor mir ein Kampf zweier Fabelwesen ab.

Schützend drücke ich die Hände auf meine Ohren. Doch es ist so laut, dass mich die paar Zentimeter angehäufter Zellen in meiner Hand kaum vor dem Geschrei schützen.

Meine Augen zusammengekniffen spüre ich wie aus dem Nichts zwei starke Hände unter meinen Armen. Owen. Er hebt mich hoch und trägt mich auf seiner Schulter. Seine Schritte werden immer schneller. Ich hebe meinen Kopf und sehe, wie uns der grosse Gigant folgt. Er kommt immer näher. Im letzten Moment rutschen wir in eine kleine Höhle im Felsen. Die Öffnung ist zu klein für den Giganten. Er versucht mit seinen Klauen dein Eingang grösser zu machen. Es gelingt ihm nicht. Mit einem lauten Schnauben drückt er sich vom Boden weg und fliegt davon.

„Amaliya, alles klar bei dir?" Owen beugt sich über mich und sieht mich besorgt an. Sein Gesicht beginnt sich zu bewegen. Plötzlich sind da zwei Owens, nein sogar vier.

„Ja", flüstere ich leise ehe wieder alles um mich herum dunkel wird.

Obwohl mein Körper leblos in der kleinen Höhle neben Owen liegt, bekomme ich alles mit. Ich spüre, wie Owen meine Verletzungen des Sturzes säubert. Immer wieder tröpfelt er Wasser aus der Bergquelle in meinen trockenen Mund. Er legt nasse Blätter auf meine Stirn, die den Schmerz lindern. Einmal mehr ist er dabei, mein Leben zu retten. Der Tag neigt sich dem Ende und Owen macht ein wärmendes Feuer. Alpträume suchen mich heim. Immer wenn ich in einem halbwachen Zustand bin, kann ich Realität und Traum nicht mehr unterscheiden. Zu ähnlich sind die beiden Welten des Traumes und meinem Leben auf Erde. Doch eines weiss ich. Egal in welchem Zustand ich gerade bin, es ist nicht das Ende meines Abenteuers. Ich werde die Giganten nicht aufgeben. Noch nicht.

Das Dorf der GigantenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt