September - II

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Thomas schlug die Mappe auf und zog einen dünnen Stapel ausgedruckter Bilder heraus. Er zögerte einen Moment und reichte sie ihr. Zuoberst lag bereits eine beeindruckende Aufnahme, die rote Nebel und etliche helle Sterne zeigte.

„Wow. Das ist echt der Hammer", hauchte die junge Studentin voller Ehrfurcht.

„Das sind Wasserstoffnebel im Sternenbild des Schwanes. Hab ich mit einer Belichtungszeit von sieben Stunden im August gemacht."

„Unglaublich! Diese Farben. Wahnsinnig schön."

„Danke", er lächelte bescheiden. „Die Farben kommen aber immer erst nach der digitalen Bearbeitung so richtig raus."

Er reichte ihr das nächste Bild. „Der Orionnebel, oder?", fragte Ari. Sie hatte ein ähnliches Bild schon mal vor einigen Jahren im Astronomiekurs gesehen.

„Stimmt." Tom nickte anerkennend. „Du kennst dich wohl auch ein bisschen aus?

„Naja, nicht wirklich. Ich hatte ein Halbjahr lang Astro in der Schule. Unser Lehrer hatte auch immer viele Bilder dabei und wir waren sogar mal in einer Sternwarte. War spannend, aber auch nur sehr oberflächlich."

Es folgten einige faszinierende Nahaufnahmen vom Mond, so hochauflösend, dass man ganz genau die Krater erkennen konnte.

„Irre", murmelte Ari beeindruckt, als ihr Blick durch eine Lichtreflexion auf das einzige Fenster im Raum gelenkt wurde. Kleine Tropfen wanderten unhörbar an der Scheibe entlang. „Scheiße Tom, es fängt an zu regen. Dein Teleskop!", rief sie erschrocken.

Entsetzt folgte er ihrem Blick, warf die Mappe samt Bildern auf sein Bett, wirbelte herum und stürzte aus der Tür. Ohne darüber nachzudenken, schnappte Ari sich ein Handtuch, das auf dem Boden lag und rannte ihm, immer noch barfuß, hinterher. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, hastete der junge Mann die Treppenabsätze hinauf, riss die Tür auf und eilte über das dunkle Dach, durch den immer mehr zunehmenden Regen, zu seiner Foto-Ausrüstung. Ari war ihm dicht auf den Fersen und kam schlitternd neben ihm an. Sie spürte den kühlen Regen auf der Haut und das Haar klebte ihr bereits nass am Kopf. Während er seine Kamera abmontierte, warf das Mädchen kurz entschlossen das Handtuch über den Reflektor.

„Gute Idee", keuchte er außer Atem und blinzelte gegen die Tropfen an, die ihm in die Augen liefen. Eilig rafften die beiden alles zusammen und machten sich zurück auf den Weg ins Trockene. Doch das Dach war glatt und sie mussten sich langsamer bewegen, als sie gewollt hätten. Andererseits war es das nicht wert, durch einen Sturz einen größeren Schaden zu riskieren.

Auf nassen Sohlen tappten die zwei zurück in Toms Wohnheimzimmer. Er prüfte, sein Equipment auf kritische Schäden und schien aber nicht zu bemerken, dass er selbst – und sein Damenbesuch – nass bis auf die Haut waren. Als er sich nach dem Mädchen umblickte, blieben seine Augen einige unanständige Momente und deutlich unterhalb ihres Gesichts, an dem Mädchen hängen. Als sie es bemerkte, wandte er sofort verlegen den Blick ab und ging, ohne ein Wort, zu seiner Kommode und öffnete eines der Schubfächer. Irritiert betrachtete Ari sich daraufhin in der Spiegelung im Fenster. Das weiße Kleid klebte nass an ihrer Haut und statt irgendetwas zu verbergen, schien es eher noch jede Kurve ihres Körpers zu betonen. Hitze stieg in ihr auf und sie war sich sicher, dass die zarten Sommersprossen in ihrem Gesicht sich inzwischen nicht mehr von ihrer restlichen Hautfarbe abhoben. Die Hände vor der Brust verschränkt, hatte sie das Gefühl, den Tiefpunkt an Unwohlsein, an diesem Abend erreicht zu haben.

„Hey, ähm, danke für deine Hilfe gerade!", sagte Tom etwas verspätet und kratzte sich betreten am Kopf. „Wegen mir bist du komplett durchgeweicht. Ich gebe dir was von mir." Er nahm das oberste Kleidungsstück, ebenfalls ein schwarzes Bandshirt, aus der Schublade und hielt es ihr, mit diskret abgewandten Gesicht, hin.

No Limits - No Rules - No FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt