Juni - II

298 29 12
                                    

„Mama?", flüsterte der junge Mann panisch und drehte sie auf den Rücken. Ari griff nach dem Handgelenk der Frau und überprüfte ihren Puls. Als sie ihn erfasste, griff sie sich sofort in die Hosentasche, zog ihr iPhone raus und wählte die Nummer ihrer Mutter. Zum Glück trug Cornelia ihr Telefon immer bei sich und hob nach wenigen Sekunden ab.

„Mama, Katrin ist zusammengebrochen, ich bin bei ihr, wir brauchen sofort einen Krankenwagen"-„Verstanden, ich schick sofort jemanden los. Ist Thomas da und in der Lage mit zu kommen?" – „Ja." – „Gut, bis gleich. Zehn Minuten, maximal."

Ari hatte während des ganzen Gesprächs Tom angesehen, der ihren Blick besorgt erwiderte. Nachdem ihre Mutter aufgelegt hatte, öffnete sie den Mund, um ihm zu berichten, doch er kam ihr zuvor: „Ich hab's gehört."

Ari klappte den Mund zu und sah ihm verwirrt nach, als er aufsprang und ins Schlafzimmer seiner Mutter stürzte. Sie schüttelte kurz den Kopf gegen die Benommenheit und legte die Frau behutsam in die stabile Seitenlage. Während Tom noch in dem kleinen Raum herumhantierte, tastete Ari seine Mama auf eventuelle Verletzungen, verursacht durch den Sturz, ab. Als es endlich klingelte, hechtete sie zur Tür und riss den Hörer von der Gegensprechsprechanlage.

„Ja?", brüllte sie in den Hörer.

„Rettungssanitär, Sie haben einen Krankenwagen gerufen?"

„Ja, kommen Sie hoch, dritter Stock."

Ari drückte einige Sekunden den Summer, hängte den Hörer wieder in die Halterung und öffnete die Tür. Zwei junge Sanitäter stürmten das Treppenhaus mit einer aufklappbaren Trage und einem Koffer hinauf. Oben angekommen, machte Ari den Männern Platz und deutete hinter sich, auf die bewusstlose Frau. Tom kniete neben ihrem Kopf, neben ihm lag eine kleine Reisetasche und er wirkte so kreidebleich wie die Wand des Flurs.

„Sie ist nicht ansprechbar, aber hat einen Puls und ich glaube, sie hat sich durch den Sturz nicht verletzt, ich hab sie in die Seitenlage gelegt", sprudelte Ari ungefragt los, als die beiden Männer den Treppenabsatz erreichten. Der größere trat gleich durch die Tür und ließ sich neben Katrin nieder, öffnete den Koffer und legte ihr fachmännisch eine Blutdruck-Manschette um. Der kleinere Sanitär kam langsamer nach und beäugte Tom, der noch immer überall getrocknetes Blut an Hals und Nacken hatte.

„Was ist denn mit Ihnen passiert?", sprach er ihn an. Tom bemerkte nicht, dass er gemeint war und hatte nur Augen und Ohren für seine Mutter.

„Oh, er hat sich nur ein bisschen am Kopf verletzt, ich war hier, um die Wunde anzusehen und gerade als ich ihn säubern wollte ist Katrin, seine Mutter, ohnmächtig geworden. Aber ihm geht's soweit gut", versicherte Ari hastig. Daraufhin warf der Mann ihr einen genaueren Blick zu. Bevor er irgendetwas fragen konnte, hob Ari abwehrend die Hände.

„Ich bin noch in der Ausbildung, aber Tom ist okay, bitte, seine Mutter!"

Die Dringlichkeit in ihrer Stimme und da Tom nicht so wirkte, als würde er jeden Moment umkippen und neben seiner Mutter auf dem Fußboden enden, schienen den Mann zu überzeugen und an seine eigentliche Aufgabe zu erinnern. Er hockte sich auf Katrins andere Seite, zog ihren rechten Arm zu sich und klemmte ihr einen Fingerhut, zur Messung des Sättigungsgehalts des Sauerstoffs im Blut, an den Mittelfinger. Sein Kollege pumpte gerade die Manschette auf und starrte auf seine Armbanduhr.

„EKG", sagte er schlicht und sein Kollege förderte einen transparenten dünnen Schlauch aus der Tasche und reichte sie ihm. Der Sanitäter rollte ihn auf, enttarnte eine Sauerstoffbrille und legte sie Katrin an die Nase, während der andere die Ärmel der Frau hochkrempelte und ihre Bluse um einige Knöpfe öffnete. Anschließend bereitete er das EKG vor und sein kleinerer Kollege klebte die Pads an Katrins Handgelenke, ihre Knöchel und einen auf ihre Brust. Sie stellten keine Weiteren Fragen. Ari nahm an, sie wurden von Cornelia bereits über alles weitere informiert.

No Limits - No Rules - No FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt