Juni - V

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Ari kam kaum zehn Meter weit, als sich vor ihr eine zweite Gestalt aus den Schatten löste, gemächlich auf sie zu kam und ihr grinsend den Weg versperrte. Gehetzt drehte sie sich wieder um. Der Mann hinter ihr hatte sie bereits eingeholt und lächelte wölfisch. Wieder griff er nach ihrem Arm und hielt sie eisern fest. Dieses Mal war er vorbereitet und Ari konnte sich nicht befreien, egal wie sehr sie versuchte sich loszureißen. Der zweite Fremde erreichte sie, packte ihre Schultern und gemeinsam drängten die hochgewachsenen Männer sie gegen die Wand der Mauer, am Rande des Fußweges.

Ari öffnete den Mund um zuschreien, doch der erste Kerl verpasste ihr eine schallende Ohrfeige, die ihren Kopf gegen den harten Stein schmetterte. Benommen sackten ihre Beine ein, doch einer der Männer fing sie auf und presste sie mit seinem ganzen Körper gegen die Wand. Er rieb seinen Unterleib an ihr, während sie langsam wieder zu sich kam. Sofort setzten ihre Instinkte wieder ein und sie begann heftig zu zappeln und zu schreien. Der Kerl trat einen Schritt zurück und schlug ihr noch einmal ins Gesicht. Ihr Hinterkopf krachte gegen die Mauer und sie sank benommen auf das kalte Pflaster des Gehwegs.

Ein metallischer Geschmack füllte ihre Mundhöhle aus. Ihr dröhnte der Schädel und sie bemerkte kaum noch, wie sie an den Armen unwirsch wieder auf die Beine gezerrt wurde. Einer der beiden hielt ihre Hände fest, während der Andere an ihrem Top zerrte, bis es vom Ausschnitt bis zum Bauchnabel riss und sie entblößte. Er schob ihren BH hoch und grabschte brutal nach ihren Brüsten. Halb besinnungslos baumelte Aris Kopf von einer Seite zur anderen. Sie fühlte den harten Leib einer ihre Peiniger im Rücken, der ihre Handgelenke wie in Schraubzwingen hielt, während der andere ihre Brust knetete. Verschwommen beobachtete sie, wie er sich mit der freien Hand an ihrem Gürtel zu schaffen machte. Er zerrte ihr hektisch die Jeans bis zu den Kniekehlen und griff ihr zwischen die Beine.

Noch immer dröhnte laute Musik durch Aris Kopfhörer und verschluckten jedes andere Geräusch, bis auf ihr eigenes Wimmern und Schluchzen. Kraftlos versuchte sie noch einmal um Hilfe zu rufen, doch sie war sich selbst nicht sicher, ob auch nur der leiseste Laute aus ihrem Mund drang. Raue Finger wühlten sich an ihrer Unterwäsche vorbei. Das fiese Lächeln ihres Gegenübers zerstörte jede Hoffnung auf Erlösung.

Schwach sank ihr das Kinn auf die Brust und ein innerer Schutzmechanismus betäubte sämtliche Empfindungen und Schmerzen. Sie spürte nicht mehr, was die Männer mit ihr machten. Ihr Geist schien ihren Körper zu verlassen und die Szene nüchtern und wie aus der Ferne betrachten, als beobachte sie jemand Fremdes. Es widerte sie an und ein Würgen kämpfte sich ihre Kehle hinauf, die sich geschwollen und ausgedörrt anfühlte. Ein plötzlicher Ruck ging durch ihren Leib, ein kurzer stechender Schmerz raste durch ihre Knie, ihr Körper sackte leblos in sich zusammen und plötzlich kippte ihre Perspektive auf die Seite. Wie von selbst zogen sich ihre Knie an den Leib und ihre Arme legten sich schützend über ihr Gesicht und ihre Brust.

Tränen verklärten ihre Sicht. Verschwommen beobachtete sie aus der Horizontalen, ohne zu begreifen, was geschah, wie der Mann, der eben noch seine Finger an ihrem Höschen vorbei und in sie hineingeschoben hatte, einige Meter vor ihr auf das Pflaster fiel und reglos liegen blieb. Ein Blutrinnsal bahnte sich seinen Weg von seiner Nase über seinen Mund und tropfte gleichmütig von seinem rasierten Kinn auf den Boden.

Ihre Aufmerksamkeit wanderte träge zu zwei miteinander ringenden Schatten. „Young and angry, with every right to be" sangen Stick to your Guns, als der Fremde auf den Mann einschlug, der noch vor Sekunden den Puls an ihren Handgelenken abgedrückt hatte. Er stolperte nach hinten, versuchte sich auf alle Vieren aufzuraffen und wegzurennen, doch der neue Schatten hatte ihn schnell eingeholt. Er stieß ihn gegen eine Häuserwand, rammte ihm die Faust in die Nieren und sein Knie gegen das Gesicht, als er sich unter dem ersten Schlag krümmte. Er ließ ihn ein Stück zu Boden sinken, packte ihm am Schlafittchen und zog seine Visage ganz nah an sein Gesicht. Er schien etwas zu sagen, dann ließ er den Mann los und dieser rappelte sich schwerfällig auf und taumelte davon, so schnell er konnte.

Der Gewinner des Kampfes kam langsam auf Ari zu. Panisch wandte sie das Gesicht ab und zog Arme und Beine enger an den Körper, um sich so klein wie möglich zu machen. Einer der Kopfhörer glitt aus ihrem Ohr. Sie lauschte mit rasendem Herzen auf die bedrohlichen Laute der Schritte und fuhr bei jedem zusammen vor Angst. Ihr ganzer Leib erbebte unter heftigen Schluchzern und sie bekam kaum noch Luft.

Der Mann ging langsam vor ihr in die Knie und legte ganz sanft eine Hand auf ihre Schulter.

„Ari...", hörte sie ihn ihren Namen sagen und wunderte sich, woher er ihn kannte. Einen Herzschlag später, fühlte sie sich behutsam hochgehoben und auf wackelige Beine gestellt. Noch immer rannen Tränen wie Sturzbäche über ihre Wangen und nahmen ihr die Sicht. Als sie die Hände des Fremden an ihren Beinen spürte, wo noch immer ihre Hose halb geöffnet hing, zuckte sie zusammen und fiel beinahe wieder um. Doch sofort fing er sie auf, legte beide Arm um sie und drückte das zitternde Bündel Elend an seine Brust.

„Ari, ich bin's", hörte sie eine Stimme, die ihr irgendwie bekannt vorkam. „Ich hab dich. Keine Angst. Du bist wieder sicher. Ich bin da."

Durch den weichen Stoff seines Shirts an ihrer Wange fing sie einen Duft auf, der ebenfalls vertraut schien. Doch ihr Kopf tat so weh. Alles verschwamm und sie konnte sich nicht konzentrieren, keinen klaren Gedanken fassen. Er stammelte weiter leise Worte. Sein Ton und Geruch beruhigten sie soweit, dass er ihre Hose wieder nach oben ziehen und schließen konnte. Dabei fischte er nach ihrem Schlüssel, der an einem kleinen Karabiner an der Gürtelschlaufe oberhalb ihrer Gesäßtasche befestigt war. Während Ari sich noch immer verängstig die Arme vor die entblößte Brust presste, zog der Mann seinen Pullover aus und stülpte ihn ihr über den Kopf. Ohne ihre Arme durch die Ärmel zu ziehen, hob er das Mädchen mit beiden Händen vom Boden hoch. Ari bemerkte kaum noch wie ihr Kopf, eingepackte in die dicke Kapuze, an seinen Hals und ihre Arme, unter dem flauschigen Stoff, kraftlos gegen seine Brust sanken. Ihre Beine baumelten leblos über seinen Arm, während er langsam mit ihr durch den regelmäßigen und einschläfernden Wechsel aus orangen Licht und bedrohlicher Dunkelheit ging.

Wie im Traum registrierte sie, wie der Mann sie bis zu ihrem Haus trug, mühsam den Schlüssel ins Schloss manövrierte und die Tür aufdrückte. Er betrat den Fahrstuhl und gewann erneut den Kampf mit dem Schlüssel gegen ihre Wohnungstür, ohne sie absetzen oder loslassen zu müssen. Es war niemand da und die Wohnung dunkel und still. Unsicher verweilte er im Flur. Vielleicht überlegte er, wo der Lichtschalter war, oder was er tun sollte. Schließlich wendete er sich in Richtung ihres Zimmers. Die Tür war angelehnt und der Mann drückte sie mit dem Fuß weiter auf.

Lautlos empfing sie die Dunkelheit, nur gelegentlich unterbrochen von den verirrten Lichtkegeln vorbeifahrender Autos. Vor ihrem Bett blieb er schließlich stehen und legte sie vorsichtig auf die Decke. Ari rollte sich automatisch auf die Seite und zog die Knie zur Brust. Eine Hand strich sachte über ihren, in die Kapuze eingepackten Kopf.

„Ari... Du bist zu Hause. In Sicherheit."

Er zögerte und schien nicht weiter zu wissen.

„Du kannst den Pullover erstmal behalten, wenn du willst. Auf mein Shirt hast du ja damals auch gut achtgegeben."

Ari konnte nicht antworten, nicht mal zum Nicken war sie im Stande. Tränen bildeten sich erneut in ihren Augen. Sie presste die Lider aufeinander und lauschte. Er seufzte leise und nach einer Weile hörte sie ihn sich entfernen. Seine leisen Schritte hallten wie Donnerschläge durch ihren Kopf und ein beklemmendes Gefühl kroch durch ihren Magen. Ihre Kehle zog sich zu und ihre Zunge schien auf die dreifache Größe anzuschwellen und sie ersticken zu wollen.

Ein schmerzhaftes Schluchzen brach durch ihren ausgedörrten Hals und sie schnappte krampfhaft nach Luft. Ihre Brust schien sich immer weiter zusammenzuziehen, er presse sie jemand in ein viel zu enges Korsett, der sie absichtlich am Atmen hindern wollte. Immer heftiger weinend wartete Ari darauf, dass die Tür endlich ins Schloss fiel und er sie allein zurückließ. Doch dann legte sich ein Arm um sie und ein großer warmer Körper schmiegte sich an ihre zusammengekrümmte Gestalt.

Ari wimmerte unverständliche Worte, doch er schien sie zu verstehen.

„Ich bin da", flüsterte er gegen den dicken Stoff der Kapuze und kuschelte sich an sie.  

No Limits - No Rules - No FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt