Oktober - VI

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Ari starrte Tom erschrocken an. Irgendetwas in ihrem Gesicht, weckte sein Misstrauen.
„Ich... äh... hab nur mit meiner Mom deine Mom besucht...", stammelte sie.
„Okay... und wieso? Ich meine, sie ist ja nicht deine Mutter."  „Stimmt. Ähm, naja. Ich hab meine Mutter heute Morgen hergefahren. Mit dem Auto." Tom zog die Brauen hoch, kniff die Augen leicht zusammen und sah sie voller Argwohn an. „Womit auch sonst", stellte er fest. „Ha... ja. Naja. Ich war halt einfach nur so... dabei."

„Hm." Tom blickte auf die Tür. „Ist Conny noch bei ihr drin?" Das Mädchen erstarrte sichtlich und wich seinem Blick aus. „Nein...", gab sie zu. „Sie ist schon weg." 

„Und wieso bist du noch geblieben?", wollte Tom wissen und hatte immer mehr das Gefühl, das ihm hier irgendetwas entging. 

„Nur so", antwortete Ari ausweichend. „Deine Mama wollte sich unterhalten."

„Worüber?", fragend er mit gefährlichem Unterton.
„Über... dich." Ari schluckte sichtlich und sah durch ihre dunklen Wimpern nervös zu ihm auf. Tom erwiderte ihren Blick mit wachsender Ungeduld. Er wollte gerade den Mund öffnen, als Ari ihm zuvor kam. 

„Bevor du sonst was komisch denkst, bleib cool. Es waren nur so normale Fragen, wie „Geht's ihm gut?" und so", sprudelte sie los. „Ich nehme an, sie denkt, wir wären sowas wie Freunde und ich könne ihr die Frage beantworten. Konnte ich aber nicht. Keine Ahnung wie's dir geht's", endete sie und hob ergeben Schultern und Hände in einer hilflosen Geste. Dann sah sie ihm plötzlich fest in die Augen. „Aber wo wir gerade dabei sind, also nicht, dass ich glaube, du würdest mit mir über deinen seelischen und mentalen Zustand reden wollen, aber vielleicht über deinen physischen." 

Tom, hatte Schwierigkeiten ihrem nervösen Gebrabbel zu folgen. Er verblieb in Verwirrung und sah sie fragend an.

„Deine Rippen", klärte Ari die Frage, die ihm auf der Zunge lag. „Zeig mal her!", verlangte sie mit einem Selbstvertrauen, dass er nur in medizinischen Belangen bei ihr wahrnahm und dem er sich schwer entziehen konnte. Dennoch wich er vor der Aufforderung zurück.

„Was? Hier? Jetzt?!", fragte er und deutete in einer allumfassenden Geste auf den sehr öffentlichen Flur, in dem jederzeit irgendwer vorbei kommen konnte und sehen würde, wie er sich auszog, und ein Mädchen ihn unter die Lupe nahm und abtastete. Die Vorstellung jagte sofort einen Schauer über seinen Rücken. Wann hatte sie ihn das letzte Mal berührt? Auf jeden Fall vor viel zu langer Zeit. Ari blinzelte und nickte dann.
„Naja, vielleicht nicht hier auf dem Flur. Aber mindestens eines der Zimmer da vorn ist leer. Lass da einfach kurz reingehen."

Unsicher sah Tom sich um. Der Gedanke allein in einem Raum mit ihr zu sein wirkte gleichzeitig unglaublich anziehend wie auch abstoßend auf ihn. Doch der Reiz der Verlockung siegte und so nickte er zustimmend und bedeutete ihr voraus zu gehen.

Ari öffnete vorsichtig eine Tür, drei Zimmer weiter, vom Krankenzimmer seiner Mutter entfernt. Sie spähte durch den Spalt, um sich zu vergewissern, dass das Zimmer tatsächlich unbesetzt war und öffnete die Tür schließlich ganz. Auffordernd sah sie Tom an und hielt ihm die Tür, bis er schließlich hindurch trat. Langsam streifte er seine alte Lederjacke ab und hängte sie über die Lehne eines Stuhls. Er sah Ari in der Spiegelung des großen Fensters hinter sich stehen. Sie beobachtete ihn, machte jedoch keine Anstalten näher zu kommen. Etwas steif zog er seinen linken Arm aus dem Ärmel seines grauen Pullis, um seine rechte, verletzte Seite möglichst nicht zu belasten. Obwohl der Kampf inzwischen einige Wochen zurück lag, schmerzten die heilenden Rippen noch immer etwas. Doch er wollte nicht, dass Ari ihm den Schmerz und die Schwäche ansah. Er zog sich Pullover, samt T-Shirt langsam und beherrscht über den Kopf, bevor er sich endlich zu Ari umdrehte. Obwohl sie ihn natürlich fast immer mit freiem Oberkörper sah, hatte Tom sich noch nie so nackt und entblößt gefühlt. Und während ihr Gesichtsausdruck nichts über ihre Gedanken verriet, glaubte Tom, seine Unsicherheit stünde ihm in fetten Lettern auf der Stirn geschrieben. Ari deutete mit einem Kopfnicken auf das Bett hinter ihm. Bevor sie zu ihm kam, zog sie sich ihre schwarze, gefütterte Jeansjacke aus und legte sie über die Lehne eines anderen Stuhls.

No Limits - No Rules - No FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt