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Ich schaute mich panisch um, doch die einzige Möglichkeit war der Raum hinter der Tür, über der der Schlüssel hängt. Ich hatte keine Ahnung was sich dahinter befand aber so hatte ich noch eine geringe Chance, dass ich nicht erwischt wurde. Die Schritte wurden lauter und ich lief schnell zur Tür, öffnete sie leise und sah aus dem Augenwinkel noch wie ein breitgebauter Mann um die Ecke kam. Dann schloss ich die Tür.

Ich stand mal wieder im Dunkeln. Sekunden verharrte ich so, bis ich wieder etwas erkennen konnte. Der Raum war viereckig und ähnelte dem, in dem ich gefangen war, nur das die Tür hier nicht aus Holz sondern aus Eisen war. Ich ließ meinen Blick weiter über den Raum schweifen und erschrak als ich sah, dass in der Mitte ebenfalls eine Person auf einem Stuhl gefesselt saß. Ich konnte nur Konturen erahnen doch ich würde sagen, dass es ebenfalls ein Mädchen ist. Sie bewegte sich nicht. Scheiße, war sie tot??? Leise nährte ich mich ihr.

Auf einmal schnellte sie hoch und schlug mir mit voller Kraft ins Gesicht. Ich sackte vor Schmerz auf dem Boden zusammen. Doch ich musste stark bleiben, immerhin wollte ich ja irgendwie hier raus. So schnell ich konnte rappelte ich mich auf und lief rückwärts, um etwas Abstand zwischen uns zu schaffen. Im nächsten Moment duckte ich mich auch schon, um einem weiteren Faustschlag auszuweichen. Ich konterte mit einem Fußtritt an die Wade und mein Gegenüber stöhnte leicht auf. Anscheinend hatte ich getroffen. Ich nutze meinen Vorteil aus und brachte die Person mit einigen Schlägen und Tritten zu Boden. Ich stellte mich direktüber sie und sicherte Arme und Beine mit den Schnüren, die um den Stuhl liegen. Danach setze ich mich erstmal auf den kalten Boden, um kurz durchzuatmen.

***

Nach gefühlten Stunden gab die Person am Boden einen ächzenden Laut von sich. Ich war sofort wieder kampfbereit. Doch anscheinend hielten meine Fesseln, denn der schwarze Schatten am Boden fluchte und ich konnte mir das wutverzerrte Gesicht bildlich vorstellen.

Ich stelle mich direkt an die Füße und blickte auf die Person runter, die es mittlerweile aufgegeben hatte zu versuchen sich von den Bändern zu befreien.
"Wer bist du und was willst du?", fragte die oder der am Boden liegende mit leichtem Akzent. Ich würde auf Spanisch oder Portugiesisch tippen. "Genau das gleiche könnte ich dich auch fragen?", gab ich zurück. "Du warst es also nicht, die mich gefesselt und hierher gebracht hat?", fragte sie erstaunt.
Mittlerweile war ich mir sicher, dass es ein Mädchen war.
"Ähm, nein!", antwortete ich erstaunt. In diesem Moment hörte ich wieder Schritte. Doch diesmal waren sie lauter, schwerer und kamen zu allem Überfluss noch auf unsere Tür zu. Ich hatte keine Möglichkeit. Ich musste die Andere befreien, denn alleine würde ich mit solch einem Schrank, wonach die Schritte eindeutig klangen, nicht alleine fertig werden. In Windeseile war sie wieder frei und setzte sich schnell zurück auf den Stuhl. "Überraschungsangriff.", flüsterte sie nur, "wirkt immer." Ich war der Meinung in der Dunkelheit sogar ein Zwinkern sehen zu können.

***

Ich drängte mich in eine der Ecken neben der Tür, so dass selbst wenn das Licht von draußen in den Raum fallen würde, keiner merken würde das die scheinbar Gefangene nicht alleine hier war. Ich warf dem Mädchen, welches nun wieder auf dem Stuhl saß und scheinbar schwach und verletzlich wirkte, einen letzten Blick zu.

Genau in diesem Moment schlug die Tür mit einem lauten Knall auf und ein breitgebauter Mann betrat den Raum. Ich musste die Augen zukneifen, da ich nach der Zeit im Dunklen mich erst wieder an das Licht gewöhnen musste. Nach einigen Sekunden ging es wieder und ich konnte die Haarfarbe des Mannes erkennen. Schwarz und glatt zurück gegelt. Außerdem trug er eine schwarze Lederjacke und eine zerrissene Jeans. Ich würde ihn auf 1, 95 groß schätzen, was es nicht gerade leichter machen wird ihn zu überwältigen. Er ging auf den Stuhl mit meiner Verbündeten zu und lachte bitter. Das würde ihm schon noch vergehen.

Ich wartete auf ihren entscheidenden Schlag und nachdem ich einen schmerzvollen Aufschrei hörte rannte ich los und trat ihm mit voller Wucht auf die Waden. Er sackte auf dem Boden zusammen, wobei er im Fall das Bein der Anderen erwischte und sie somit vom Stuhl zog. Er wollte gerade auf sie einschlagen, da schlug ich ihm auf die Schulter und er ließ von ihr ab. Damit hatte er scheinbar nicht gerechnet. Das andere Mädchen und ich nutzen das zu unserem Vorteil, sprangen auf und rannten durch die offene Tür, wobei ich den Schlüssel mitnahm und wir mit diesem, nachdem wir aus dem Raum waren, die Tür wieder abschlossen. So leicht würde er da nicht mehr rauskommen. An den Schlüssel für die andere Tür nach draußen zu kommen war nun auch kein Problem mehr. Die Andere, mit der ich geflüchtet war, machte mir eine Räuberleiter und ich schnappte mir den Schlüssel vom Haken. Innerlich betete ich, dass es der Richtige war. Das Schloss knirschte als ich das gebogene Eisenstück in das Schlüsselloch schob, doch nach einigen hin und her rucken sprang die Tür auf und wir waren frei.

***

Vor uns lag ein Waldstück und wir rannten einfach los. Einfach weg von diesem Ort, zu dem wir nicht gehörten. An dem uns die Freiheit verwehrt wurde und an dem wir uns mit aller Gewalt befreien mussten. Wir rannten und rannten. Die Bäume flogen an uns vorbei und wir wurden immer schneller, doch irgendwann merkte ich, wie meine Mitläuferin unregelmäßig zu atmen begann und wurde daher langsamer, bis wir stehen blieben. "Danke, " schnaufte sie, "ich bin solche Strecken echt nicht gewöhnt."
Ich war ebenfalls außer Atem aber das Training machte sich bemerkbar und daher bekam ich meinen Puls und somit auch meine Atmung schneller wieder auf Normal-geschwindigkeit. Nach einigen Minuten, in denen wir nur schwiegen lief die Andere wieder los. Erst jetzt konnte ich sie betrachten. Sie hatte lange schwarze Haare mit lila Spitzen und trug eine hellblaue Jeans und ein schwarzen Pulli. Moment, ich müsste doch eigentlich noch meinen Schlafanzug anhaben. Als ich an mir runter sah erkannte ich allerding dieselbe blaue Jeans und den gleichen Pullover. Ein Schauer lief über meinen Rücken, als mir bewusst wurde was das hieß.
"Diese Schweine!!!", sprach ich meine Gedanken aus Versehen laut aus.
"Du kannst auch nachher noch fluchen, komm!", rief mir die Schwarzhaarige zu und erst jetzt fiel mir wieder auf, dass sie schon ein ganzes Stück weiter gelaufen war.
Als wir wieder auf gleicher Höhe waren fingen wir wieder an zu joggen. "Du hast echt nice Moves drauf.", meinte sie auf einmal.
"Ähm, ja danke, du aber auch.", antwortete ich verlegen.
"Ich bin übrigens Sam, also eigentlich Samantha, aber Sam ist einfach besser." Nun hatte die Namenlose endlich einen Namen.
"Lucy", gab ich nur zurück. Muss ja nicht jeder gleich meinen altmodischen Namen wissen. Zuhause heißt es immer nur "Lucinda hier, Lucinda da". Ich meine wer heißt denn noch heutzutage so? Lucy klingt viel cooler, neuer.

***

Sam beschleunigte ihre Schritte wieder ein bisschen und auf einmal standen wir am Rand einer Lichtung, aber es war nicht nur irgendeine Lichtung.
Sie war umgeben von einem mindestens 2 Meter hochem Zaun, der   oberhalb von einem Stacheldrahtzaun begrenzt wurde. In der Mitte des ganzen Platzes stand eine Art Turm aus Beton oder Steinen, vor dem ein Rettungswagen stand. Ich wollte schon loslaufen, als Sam mich zurückhielt.
"Was wenn das nur eine Ablenkung ist? Wenn das auch den Typen die uns hierher verfrachtet haben gehört?" An sich hatte sie ja recht, aber wir hatten keine andere Wahl.
"Willst du etwa die ganze Zeit durch den Wald laufen?", fragte ich sie. Doch auch Sam wusste, dass uns das nicht viel bringen würde.
Wir verließen also den sicheren Schutz der Bäume und liefen den Zaun entlang. Wonach wir suchten war mir auch noch nicht so ganz klar, doch ich war mir sicher, dass ich es wissen würde, wenn ich es sehe.
Wir hatten die Lichtung schon fast zur Hälfte umrundet, da fiel mir ein kleiner Riss im unteren Bereich des Zauns auf. Ich bog das elastische Material an dieser Stelle hoch und Sam und ich zwängten uns durch den entstandenen Spalt.
Danach rannten wir so schnell es geht über die glatt gemähte Fläche rüber zum Wagen.

Ich hörte Stimmen aus dem Bereich hinter dem Fahrzeug und gab Sam mit einem Zeichen zu verstehen, dass sie hier warten sollte. So könnte sie noch überraschend dazukommen, wenn ich angegriffen wurde. Leise und an die Wand des Rettungswagens gepresst schlich ich mich zu dem Teil, aus dem ich die Stimmen vermutete. Als ich um die Ecke spähte sah ich drei männliche Personen, die mit dem Rücken zu mir gewannt auf aufeinandergestapelten Holzpaletten saßen. Alle drei trugen schwarze Jacken. Von hinten würde ich sie so zwischen 30 und 40 schätzen.
Sie lachten und wirkten nicht gerade so, als würden sie zu einer Bande gehören, die gerne mal Mädchen in der Nacht entführt und dann in einen dunklen Bunker einsperrt.
Ich war komplett auf die drei Gestalten fixiert und bemerkte so nicht, dass sich jemand von hinten nährte. Erst als ich eine warme Hand auf meiner Schulter spürte wusste ich, dass ich ein riesiges Problem hatte...

Agent 16 - Das Boot Camp (ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt